Qimonda droht das Aus:Ein letzter Tiefpunkt

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Die Politik schaltet sich in die Rettung der taumelnden Infineon-Tochter Qimonda ein, doch im Unternehmen wächst die Verzweiflung.

Markus Balser und Christiane Kohl

Die Angst hat bei Qimonda in Dresden einen festen Ort. Am südlichen Zufahrtstor des Werkes am weltweit größten Qimonda-Standort trafen sich Mitarbeiter in den vergangenen zwei Wochen immer wieder, um gegen die radikalen Einschnitte des Managements zu demonstrieren. Die Sorge machte die Treffen zum stillen Protest: Kerzen und Windlichter statt Trillerpfeifen. Ein bisschen sei das schon wie bei einer Beerdigung, sagt ein Qimonda-Betriebsrat.

Mitarbeiter der Dresdner Mikroelektronik-Firmen Qimonda und Infineon -demonstrieren seit einigen Tagen gegen den geplanten Job-Abbau. (Foto: Foto: dpa)

Die gut 13.000 Beschäftigten des Unternehmens wissen: Die Zukunft des verlustreichen Chipkonzerns Qimonda hängt am seidenen Faden. Wenn nicht bald doch noch ein Investor gefunden wird, drohe dem Unternehmen mit seinen Hauptstandorten München und Dresden die Zahlungsunfähigkeit, verlautete am Dienstag in München.

Aus Gewerkschaftskreisen hieß es, der Konzern drücke beim Sparprogramm aufs Tempo, um möglichst lange über die Runden zu kommen. Es seien bereits Kündigungen in hoher Zahl ausgesprochen worden. So müssten 500 Leiharbeitern bei Qimonda zum 30. November gehen. Mit weiteren Entlassungen wird gerechnet.

Politik macht sich bereit

Angesichts der dramatischen Situation rüstet sich nun die Politik für eine Rettungsaktion. Mehrfach hat sich Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen Tagen mit Vertretern der Konzernleitung getroffen. "Wir stehen in ständigem Kontakt mit der Firma", bestätigt ein Ministeriumssprecher und kündigt an: "Wir werden das uns zur Verfügung stehende Instrumentarium nutzen".

Was das sein könne - ob Landesbürgschaft, Kredithilfe oder neue Fördermillionen - wollte der Sprecher nicht näher erläutern. Eine Sprecherin des bayrischen Wirtschaftsministeriums äußerte sich am Dienstag nicht dazu, ob auch Bayern ähnliche Hilfsaktionen plane und erklärte lediglich: "Wir haben ein großes Interesse daran, Arbeitsplätze zu erhalten."

Die Konzernmutter Infineon versuchte, Investoren und Mitarbeiter nach drastischen Kursverlusten infolge der Sorge um Qimonda am Dienstag zu beruhigen: Infineon verhandele weiter mit möglichen Käufern, sagte Infineon-Chef Peter Bauer. "Wir glauben, wir haben gute Chancen, die Verhandlungen abzuschließen", erklärte er am Rande der Branchenmesse Electronica in München.

"Zeiten sind schlechter als je erwartet"

Über die Anzahl der Interessenten wollte sich Bauer nicht äußern. Ob Qimonda angesichts der hohen Verluste und der dramatischen Branchenkrise die Insolvenz drohe, ließ Bauer unbeantwortet. Er räumte ein, die Krise habe Qimonda und seine Konkurrenten schwer erwischt. "Die Zeiten sind schlechter als wir je erwartet haben." Der Kurs der Infineon-Aktien hatte am Dienstag zeitweise um neun Prozent nachgegeben. Die Aktien der Tochter Qimonda fielen um bis zu 20 Prozent.

Die Angst bei Qimonda aber bleibt. Denn Infineon will sein Tochterunternehmen nicht um jeden Preis erhalten. "Aus unserem Cash heraus werden wir Qimonda nicht finanzieren", kündigte Bauer an. Auch eine Bürgschaft lehnte er ab. "Wir brauchen dieses Cash selber."

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In Kreisen des Infineon-Aufsichtsrates verlautete am Dienstag zudem, der Ausgang der Verhandlungen über einen Qimonda Verkauf sei völlig offen. Niemand könne derzeit sagen, ob sich tatsächlich noch ein Käufer finden lasse. Finanzielle Hilfen des Konzerns lehnen auch führende Aufsichtsräte ab. "Im Moment ist sich jeder selbst der Nächste", sagte ein Mitglied des Kontrollgremiums. Infineon werde sein eigenes Geschäft nicht gefährden, indem man der defizitären Tochter zur Seite springe.

Dennoch könnte Qimonda für Infineon zur tickenden Zeitbombe werden. Bei Vorlage seiner Jahresbilanz im Dezember müsse der Konzern den Wert der Tochter wegen des Kursverfalls von Qimonda-Aktien in den Büchern wohl erneut korrigieren. Damit droht eine weitere Millionenbelastung. Bereits in den vergangenen beiden Quartalen hatte Infineon wegen dramatischer Kursverluste von Qimonda 1,4 Milliarden Euro abgeschrieben. Nun könne erneut ein dreistelliger Millionenbetrag anfallen, verlautete aus Konzernkreisen. Ein Infineon-Sprecher wollte sich am Dienstag zu Folgen für die Infineon-Bilanz nicht äußern.

Am wichtigsten deutschen Chipstandort in Dresden schlägt das drohende Qimonda-Aus besonders hohe Wellen. Branchenvertreter fordern mehr Fördermillionen, um der High-Tech-Branche in Deutschland eine Zukunft zu geben. "Wir müssen erreichen, dass die Förderungsgrenzen in Brüssel abgeschafft werden", sagt Gitta Haupold vom Verein Silicon Saxony, der 270 der Elektronik-Firmen der Region vertritt.

Das wolle man am 10. Dezember in Brüssel vortragen. Unterstützt werde der Vorstoß vom sächsischen Wirtschaftsministerium und der Stadt Dresden. "Überall auf der Welt werden mehr Fördermittel gegeben als bei uns", klagt Haupold. Wenn es nicht gelinge, die Fördermittelgrenzen in Europa zu ändern, werde es zu ernsthaften Problemen in Dresden kommen. "Und wenn Dresden wegbricht", warnt Haupold, "dann gibt es praktisch keine Halbleiterindustrie mehr in Europa".

Ob das Qimonda noch hilft? "Die Leute sind sehr frustriert", sagt der Gewerkschafter Wigand Cramer. Dass es eine firmeninterne Lösung der Probleme geben könne, erwarte keiner mehr: "Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Märkte haben die Leute hier nicht mehr", sagt Cramer, der bei der IG Metall für Qimonda zuständig ist. Vermutlich könne dem Unternehmen nur noch "Hilfe von außen" helfen, meint Cramer.

Bei der jüngsten Betriebsversammlung im Dresdner Qimonda-Werk vergangene Woche wurde deutlich, was die Beschäftigten durchmachen: eine Mitarbeiterin meldete sich zu Wort und wollte wissen, ob man denn noch mit dem Weihnachtsgeld rechnen könne. Natürlich, hieß die Antwort. Daraufhin hakte die Kollegin nach: Und wie sei das mit der Osterprämie? Die Geschäftsleitung reagierte betreten, so Teilnehmer: Die könne man nicht garantieren.

© SZ vom 12.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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