Süddeutsche Zeitung

Q-Cells:Solar-Pionier steht am Abgrund

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Das Bitterfelder Solarunternehmen Q-Cells hat fast keine finanziellen Reserven mehr und braucht dringend Geld. Den Aktionären drohen herbe Verluste. Und ausgerechnet jetzt will die Bundesregierung auch noch die Solarförderung kürzen - stärker als bisher geplant.

Markus Balser und Michael Bauchmüller

Ausgerechnet Q-Cells, ausgerechnet jetzt: An diesem Mittwoch kommen die Spitzen der Regierungsfraktionen in Berlin zusammen, es geht unter anderem um die Kürzung der Solarförderung. Und da macht eines der einstigen ostdeutschen Vorzeige-Unternehmen von sich reden. Das Eigenkapital sei fast aufgezehrt, in diesem Jahr rechne man erneut mit 90 Millionen Euro Verlust, Gewinne seien erst 2013 wieder zu erwarten, teilte das Unternehmen aus Bitterfeld am Dienstag mit. Verluste macht es schon seit Jahren.

Die Debatte um die künftige Förderhöhe hat das am Dienstag erneut angeheizt. "Q-Cells macht deutlich, unter welchem Druck die Branche steht", hieß es aus dem Umweltministerium. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte zuvor in einem Brief noch ganz anders geklungen. An die Fraktionschefs von Union und FDP hatte er einen Vorschlag für eine weitere Kürzung der Solarförderung übermittelt. Sie solle sich künftig an einer Obergrenze orientieren, die etwa bei 34.000 Megawatt liegen könne - gegenüber derzeit rund 25.000 Megawatt installierter Solarleistung. Jährlich würden dann nur noch 1000 Megawatt zugebaut - gesteuert über eine massiv gekürzte Förderung. "Eine Änderung der Vergütungsanpassung sollte so schnell wie möglich erfolgen", heißt es in dem Papier, das Rösler verschickte. Die Entwicklung am Weltmarkt mache das möglich.

Diese Entwicklung macht allerdings auch Firmen wie Q-Cells zu schaffen. Wegen der weltweit massiven Überkapazitäten und des Preisverfalls stehen derzeit viele Solarfirmen unter Druck. Nach Pleiten in den USA musste zuletzt auch der deutsche Branchenpionier Solon Insolvenz anmelden.

Einst 57 Euro, nun 40 Cent - die Aktie fällt

Dass es nun auch Q-Cells trifft, macht klar, wie radikal sich die Vorzeichen für die deutschen Hersteller verschlechtert haben. Als Q-Cells 2005 an die Börse ging, war eine Aktie 57 Euro wert. "Saubillig" fand das Firmengründer Anton Milner damals. Die Firma galt als Hoffnungsträger im gebeutelten ostdeutschen Chemiedreieck um Bitterfeld.

Doch nun kämpft sie ums Überleben. Am Dienstag kostete eine Aktie gerade mal noch 40 Cent - ein neues Allzeittief. Dem Konzern macht vor allem die Konkurrenz aus China zu schaffen. Da der Gewinn schmilzt, lassen sich Schulden kaum noch abzahlen. Q-Cells-Chef Nedim Cen sitzen die Gläubiger im Nacken: In den nächsten fünf Wochen muss er eine Anleihe über mehr als 200 Millionen Euro zurückzahlen oder eine Stundung der Schulden durchsetzen. Gelingt das nicht, droht dem Unternehmen womöglich das Aus. Selbst wenn Cen es schafft, die Geldgeber überzeugen, wäre auch dies erst der Anfang eines langen Überlebenskampfs: Insgesamt ist Q-Cells mit knapp 800 Millionen Euro verschuldet.

Um das Unternehmen zu retten, will Vorstandschef Cen nun auch 2014 und 2015 fällige Wandelanleihen über zusammen 375 Millionen Euro in Eigenkapital tauschen. Gläubiger müssten auf Geld verzichten und bekämen Schulden in Aktien zurückgezahlt. Auch den Aktionären drohen damit deutliche Einbußen. Ihre Papiere würden verwässert und wären deutlich weniger wert. Ob Investoren dem zustimmen, ist völlig offen - und hängt nicht zuletzt auch von den weiteren Perspektiven der Branche ab.

Förderung für die Solarbranche in der Diskussion

Die aber könnten sich an diesem Mittwoch noch einmal verändern, beim Treffen der Koalitionsarbeitsgruppe Energie, der auch die Fraktionsspitzen angehören. Sie wollen erfahren, wie sich ein Anstieg der Förderumlage für erneuerbare Energien verhindern lässt. Als Kostentreiber haben sie die Solarenergie ausgemacht. Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will dann Vorschläge machen, allerdings noch nicht im Detail.

Erst vorige Woche hatte er mit der Branche vereinbart, die Solarförderung künftig nicht mehr zweimal im Jahr, sondern monatlich anzupassen. Von einem harten Schnitt, wie ihn Wirtschaftsminister Rösler favorisiert, ist Röttgen aber weit entfernt. Er wolle schließlich, dass die Branche überlebt. Ziel sei eine Regelung, die auch den Bundesrat problemlos passiere, heißt es im Ministerium. Ansonsten könnten die Länder jede Reform der Förderung verzögern. In der Vergangenheit hatten sich besonders die ostdeutschen Länder als hartleibig erwiesen. Schließlich galten Firmen wie Q-Cells hier vor noch gar nicht so langer Zeit als die Zukunft.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2012
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