Putzdienste im Internet:Schmutzige Geschäfte

Putzen

Aufträge kommen oft kurzfristig, Trinkgeld gibt es fast nie. Die Putzkräfte sind bei den Internet-Start-ups für Haushaltskräfte oft die Verlierer.

(Foto: dpa)

Ein Bier trinken gehen, während jemand zuhause den Abwasch macht? Kein Problem. Start-ups wie Helpling und Clean Agents versprechen faire Putz-Dienste für wenig Geld. Den Preis dafür bezahlen die Reinigungskräfte.

Von Charlotte Theile

Jakob Wilhelm* ist kein Mann, der lange um eine Sache herumredet. "660 Euro" steht auf dem Smartphone, das er über den kleinen Schreibtisch reckt. "So viel könnten Sie verdienen, jeden Monat." Er wartet einen Moment. Als die Begeisterung ausbleibt, redet er schnell weiter. "Schauen Sie mal hier. Herr Yilmaz* (* beide Namen geändert) ist kein besonders guter Cleaner. Die Kunden sind oft nicht zufrieden. Außerdem ist er ein Mann, spricht kein deutsch - alles nicht so beliebt. Trotzdem ist er immer ausgebucht." Er zeigt auf den Stundenplan von Herrn Yilmaz. Die letzten Termine wurden alle von ihm storniert. "Herr Yilmaz, Herr Yilmaz", murmelt Wilhelm.

Dann knipst er sein strahlendes Lächeln an: "Aber bei Ihnen wird das ganz anders. Die Kunden wollen junge Frauen, die deutsch sprechen. Am liebsten Studentinnen wie Sie." Wilhelm schaut einen Moment taxierend über den Schreibtisch, dann grinst er verschwörerisch. "In München geben die Leute richtig viel Trinkgeld. 50 Euro sind keine Seltenheit."

Die Firma, die dieses Bewerbungsgespräch führt, heißt Helpling. Sie gehört Rocket Internet, dem Durchlauferhitzer der Samwer-Brüder, der in der kommenden Woche an die Börse gehen will. Seit einigen Monaten wirbt die Firma mit ihrem Online-Putz-Service. Ihre Slogans springen einem entgegen, bei Facebook, im Fitnessstudio. "Du trainierst. Helpling putzt", heißt es dort, oder "So einfach geht sauber". Ab 12,90 Euro werden Küche, Bad und Schlafzimmer gereinigt - und zwar, so verspricht es die Homepage, von "geprüften und versicherten Reinigungsprofis", die "zuverlässig und bestens ausgebildet" sind. 10,32 Euro die Stunde kommen beim "Helpling", wie die Putzkräfte genannt werden, an. Im Moment gibt es 50 Prozent Rabatt. Und bei diesem Billig-Putzservice gibt es 50 Euro Trinkgeld? Klingt komisch.

In einer Stellungnahme heißt es, man verspreche Bewerbern nie Trinkgeld. "Wir haben darauf keinen Einfluss und wollen die Bewerber nicht mit falschen Versprechungen locken." Auch dass Ungelernte sofort zum Kunden geschickt würden, bestreitet Gründer Benedikt Franke. Es gebe ein mehrstufiges Auswahlverfahren, einen Reinigungstest und, genau, das Bewertungssystem. Die meisten Helplinge seien Profis: "Reinigen ist ein Handwerk, keine Alltagskompetenz."

"Verheerender Preiskampf" zwischen den Anbietern

Patrick Tracht, Inhaber der Münchner Reinigungsfirma Mr. Cleaner, hält die Konkurrenten aus dem Netz für Ausbeuter. Der Preiskampf, den die neuen Firmen losgetreten hätten, sei verheerend. "Wer putzen nur über den Preis bewirbt, macht das Geschäft kaputt", sagt Tracht. Es gehe, schreibt er in einer aufgebrachten E-Mail, um nichts anderes, als möglichst schnell möglichst viel Marktanteil zu gewinnen - "egal zu welchen Kosten" - und das Unternehmen dann weiterzuverkaufen.

Der Gegner sei, anders als es die Putz-Start-ups selbst behaupten, nicht der Schwarzmarkt, sondern das etablierte Gewerbe: Firmen, die wie er, 30 oder 40 Euro die Stunde nehmen, mit versicherten, fest angestellten Mitarbeitern. Ihnen wird seit einigen Monaten Konkurrenz gemacht. Nicht nur Helpling, sondern auch Homejoy, Book A Tiger und Clean Agents haben erkannt, dass es diese Marktlücke gibt: Viele wünschen sich eine Putzfrau - wollen aber weder Schwarzarbeit fördern, noch 40 Euro die Stunde zahlen. Zugleich gibt es Menschen, fast immer Frauen, für die zehn Euro ein guter Stundenlohn sind.

Diese beiden zusammen zu bringen, sei die Aufgabe von Homejoy, findet Michael Riegel. Er ist Deutschland-Geschäftsführer des Start-ups, das es in den USA seit mehr als zwei Jahren gibt - mehrere tausend Reinigungskräfte und 150 Angestellte arbeiten bereits mit dem Unternehmen aus San Francisco zusammen. Vor etwas mehr als einer Woche ist Homejoy in Bayern gestartet. Eine typische Shared-Economy-Erfolgsgeschichte, findet Riegel. Die Kunden seien - ähnlich wie Aaron und Adora Cheung, die die Firma 2012 gründeten - "Young Professionals". Aaron habe einfach erkannt, erzählt Riegel, dass er seine Zeit besser zum Programmieren als zum Putzen nutze.

Wer über Homejoy eine Putzfrau buche, ziehe es eben vor "ein Feierabendbier mit den Kollegen zu trinken statt in der gleichen Zeit den Abwasch zu machen", sagt Riegel. Die Vergütung sei leistungsabhängig. Wer gute Bewertungen bekomme, könne zwischen 12,50 und 13 Euro verdienen, der Durchschnitt liege bei elf Euro.

Gründerin Adora Cheung erzählt gern, dass sie es geschafft hat, ihr Schlafbedürfnis auf vier Stunden die Nacht herunter zu schrauben, zur Zeit versuche sie sich an drei Stunden.

Neue Geschäftsmodelle aus dem Silicon Valley

Moment Mal. Shared Economy - darunter verstand man bisher Geschäfte, in denen von gleich zu gleich gewirtschaftet wurde. Mitfahrgelegenheiten. Bohrmaschinen, Autos oder Küchengeräte gemeinsam nutzen. Übernachtungsmöglichkeiten, bei denen man sich kennenlernt, einander die Stadt zeigt. Ein bisschen Romantik: Ich streiche deinen Zaun, wenn ich von deinem Apfelbaum ernten darf. Doch die Start-ups, die in den vergangenen Monaten aus dem Silicon Valley nach Europa kamen, funktionieren anders.

Die Business-Studenten und Unternehmer von morgen haben erkannt, dass es neben ihren Kommilitonen und Freunden noch andere Menschen gibt, mit denen man wirtschaften kann. Menschen, die für 15 Dollar Stundenlohn bereit sind, ihr eigenes Auto zum Taxi zu machen, jederzeit verfügbar zu sein und sämtliche Risiken allein zu tragen, wie es bei Uber der Fall ist.

Die Denkweise, die dahinter steht, kennt man aus BWL-Seminaren und Julia Friedrichs Berater-Selbstversuch "Gestatten: Elite": "Wenn einer für drei Euro putzen will, warum lassen wir ihn dann nicht?" Anruf der Firma Clean Agents, die Reinigungskräften zwischen 10 und 12,50 Euro die Stunde zahlt: "Ist Ihre Bewerbung noch aktuell? Wir hätten einen Job für Sie, morgen, acht Uhr früh", sagt eine Stimme, auf englisch. Es ist drei Uhr nachmittags, ganz schön kurzfristig. Es sei ein großer Job, erzählt die Frau am anderen Ende der Leitung, eine Firma, drei Stunden Arbeit. Zwanzig Kilometer von München entfernt. Alles, was sie dafür brauche, sei ein Handyfoto vom Personalausweis. Polizeiliches Führungszeugnis, Gewerbeschein, all das, was Helpling und Homejoy haben wollen, ist jetzt unwichtig. Sie hätten sehr viele Aufträge und viel zu wenig Putzkräfte, sagt die Frau, die gleich darauf eine nachdrückliche E-Mail mit einigen Links zu Infos schickt. Dieser Auftrag müsse unbedingt erledigt werden, Zeit zum Nachdenken bleibt nicht.

Eine kurze Überschlagsrechnung zeigt, wie schlecht das Angebot ist: Eine Putzkraft aus München müsste mehr als fünf Euro für die Anfahrt ausgeben, wäre etwa fünf Stunden unterwegs - und bekäme am Schluss 30 Euro.

Das Putzen ist "harte körperliche Arbeit", erzählt ein Helpling

Helpling präsentiert eine Putzkraft, Verena Weinert aus Berlin. Weinert war lange arbeitslos, über Helpling hat sie zu einer bezahlten Arbeit zurückgefunden. Für Berlin sei der Stundenlohn gut, sagt Weinert, sie schätzt die Selbständigkeit, die Flexibilität, die ihr das Start-up bietet. Eine Erfolgsgeschichte. Dass die 60-Jährige als Selbständige auf sich allein gestellt ist und die "harte körperliche Arbeit", als die sie ihren Job beschreibt, nur noch ein paar Jahre machen kann: Nebensache. Jetzt hat sie Arbeit und das ist gut so - eine einfache Philosophie, der sich kaum etwas entgegen setzen lässt. Trinkgeld hat Weinert noch nie bekommen. Sie sagt, sie würde es auch nicht annehmen, sondern an Helpling weitergeben.

Vielleicht ist die Vorstellung, dass es den Start-Ups aus dem Netz nicht nur um das Geschäft geht, naiv. Doch Airbnb, Mitfahrgelegenheit und Co haben zunächst einmal gezeigt, was möglich ist: Angebot und Nachfrage direkt zusammenbringen, kleine Geschäfte machen, sich anschließend bewerten. Den Mittelsmann, der einfach nur zusätzliche Kosten verursacht, ausschalten. Ein Geschäft von gleich zu gleich, ressourcensparend, unkompliziert. Die Idee dahinter ist älter als das Internet. Aber im Netz funktioniert sie besonders gut.

Auch die Gründer von Tidyhub.de, dem "fairen und transparenten Marktplatz für legale Reinigungskräfte", hatten sie noch im Kopf. Zwar begann auch bei ihnen alles mit der Erkenntnis, dass sie gerne jemand hätten, der ihre Wohnung "zu einem akzeptablen Preis" sauber macht. Allerdings wollen sie "selbstverantwortliche Reinigungskräfte", die sich auf dieser Plattform Aufträge zu ihren eigenen Bedingungen suchen können. Das Münchner Start-up bietet nur ein Buchungs- und Bewertungssystem, Informationen zur Versicherung - und Kontakt zu potenziellen Kunden. Das Geschäft läuft langsam. Wer deutsch kann, sich selbständig über Versicherungen informiert und weiß, wie eine Kleinunternehmerregelung funktioniert, scheint die Hilfe der Plattform nicht zu brauchen. Jeden Tag finden sich Anzeigen in der Zeitung, "Perle gesucht, deutsch, freundlich". Und wer einmal einen guten Job gemacht hat, wird weiter empfohlen.

Jakob Wilhelm wird allein an diesem Freitag 25 potenzielle Helplinge interviewen. "Wir gehen nicht pleite, Rocket Internet hat viel Kapital. Wir zahlen den Lohn alle zwei Wochen aus, egal, was passiert", verspricht er. Ein Nicken. "Ich habe bis jetzt nur meine eigene Wohnung geputzt." Kein Problem, sagt Wilhelm, dann schiebt er ein Blatt über den Tisch: "Weiterbildung zum Thema Reinigungsablauf". Darauf stehen Empfehlungen, wie eine Wohnung zu putzen sei. Keine Arbeitsanweisungen, natürlich nicht, Helplinge sind ja selbständig.

"Dreckiges Geschirr in die Spülmaschine stellen", "Spinnweben entfernen", "Feucht abwischen der Arbeitsflächen", heißt es da. Und: "Achtung: Vor Verlassen der Wohnung kontrollieren, dass alle Fenster geschlossen sind." Ein Nicken. "Okay. Klingt machbar." Wilhelm scheint das genauso zu sehen. Er strahlt. "Wann kann's losgehen?"

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