Puerto Rico:Geschenke, die die Welt nicht braucht

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US-Präsident Trump kündigt nach einem Besuch in Puerto Rico an, dessen Schulden zu streichen. Doch der Freistaat will gar nicht.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Niemand weiß so recht, was er gemeint hat. Ob es eine spontane Idee war, oder ob es einen Plan gibt. Ob etwas folgen wird aus seinen Worten, oder ob er einfach nur so daher redete, wie es bei diesem Präsidenten ja auch schon vorgekommen sein soll. Tatsache ist: Mit seiner Aussage, man werde nach dem verheerenden Hurrikan Maria die immense Schuldenlast des US-Außengebiets Puerto Rico schlicht und einfach "streichen", hat Donald Trump für heillose Verwirrung gesorgt - sowohl auf dem 3,8 Billionen Dollar umfassenden Markt für US-Kommunalanleihen als auch bei der Regierung in San Juan selbst.

Die Karibik-Insel, die zu den USA gehört, aber kein eigenständiger Bundesstaat ist, steckt schon seit zehn Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Fast die Hälfte der Bevölkerung gilt als arm, die Verschuldung beträgt 73 Milliarden Dollar. Bereits 2015 hatte die Regionalregierung mitgeteilt, dass sie selbst und die öffentlichen Unternehmen des Landes ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr voll nachkommen könnten. Washington stellte Puerto Rico daraufhin unter Finanzaufsicht und verhinderte vorerst, dass die Geldgeber ausbleibende Zins- und Tilgungsleistungen einklagen können. Eine endgültige Lösung des Problems steht aber weiter aus.

Trump hatte die Insel Mitte der Woche besucht, um sich ein Bild von den Schäden zu machen, die Maria und der vorangegangene Wirbelsturm Irma angerichtet hatten. Unter anderem wurde das ohnehin marode Stromnetz komplett lahmgelegt. Experten schätzen, dass der Wiederaufbau des zerstörten Freistaats bis zu 95 Milliarden Dollar kosten könnte, das anderthalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Unmittelbar vor seiner Rückreise gab der Präsident dem Fernsehsender Fox ein Interview, in dem er überraschend andeutete, der riesige Schuldenberg der Puerto-Ricaner könne einfach ausradiert werden. "Sie schulden euren Freunden an der Wall Street viel Geld. Wir werden das streichen müssen", sagte er. "Ich weiß nicht, ob es Goldman Sachs ist, aber wer auch immer es ist - er kann sich davon verabschieden."

Man dürfe die Aussagen nicht wörtlich nehmen, heißt es im Weißen Haus

Der Kurs der richtungsweisenden Kommunalanleihe mit Laufzeit bis 2035, der in der Folge der Naturkatastrophe schon auf 44 Cents je Dollar eingebrochen war, kollabierte daraufhin endgültig: Zwischenzeitlich fiel er auf nur noch 30 Cents, und das auf einem Markt, wo schon tägliche Verschiebungen um ein, zwei Prozent als ungewöhnlich gelten. Erst nachdem Mick Mulvaney, der Haushaltsdirektor des Weißen Hauses, erklärt hatte, man dürfe Trumps Aussagen nicht wörtlich nehmen, erholte sich der Kurs wieder ein wenig. "Ich glaube, was der Präsident sagen wollte, ist, dass Puerto Rico einen Weg aus dem Schuldenproblem finden muss", so Mulvaney.

Ein Zahlungsausfall würde nicht nur Profis, sondern auch viele Kleinanleger in den USA und auf Puerto Rico selbst treffen, die angesichts der attraktiven Zinsen Geld in Anleihen des Insel-Gebiets angelegt haben. Fachleuten zufolge liegen nur 25 Prozent der Schuldverschreibungen in der Hand großer, hochspekulativer Hedgefonds. Der Rest wird von Privatleuten und kleinen Fonds gehalten. Nicht einmal Gouverneur Ricardo Rosselló will deshalb, dass die Schulden einfach gestrichen werden. Schließlich weiß er, dass seine Insel auf Jahre hinaus keinen Cent mehr auf den Finanzmärkten erhielte. "Was die Aussagen über eine Streichung der Verschuldung angeht: Das ist die Meinung des Präsidenten", sagte Rosselló. Puerto Rico sei vielmehr dabei, den Schuldenberg mit Hilfe Washingtons und von Gerichten zu restrukturieren. Ziel ist offenbar, die Verbindlichkeiten über längere Laufzeiten, niedrigere Zinsen und einen Teilerlass so weit zu verringern, dass der Freistaat den regulären Schuldendienst wieder stemmen kann.

Experten verweisen zudem darauf, dass Trump die Schulden gar nicht "streichen" könnte, selbst wenn er wollte. Die New York Times zitierte einen namentlich nicht genannten Insider mit den Worten, der Präsident habe den Gläubigern Puerto Ricos lediglich das ungeheure Ausmaß der Schäden vor Augen führen wollen, die Irma und Maria angerichtet hätten. Es gehe jetzt um Katastrophenhilfe und Wiederaufbau - sie, die Geldgeber, seien schlicht nicht an der Reihe.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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