Prozess:Warum die Deutsche-Bank-Manager davonkamen

  • Im Deutsche-Bank-Prozess werden alle fünf Angeklagten freigesprochen. Bis zum Schluss gab es nur Verdachtsmomente und keine Beweise.
  • Die zuletzt in die Kritik geratene Staatsanwaltschaft nahm der Richter in Schutz. Sie hätten zum Teil keine andere Wahl gehabt, als zu ermitteln.

Aus dem Gericht von Harald Freiberger

Fünf, sechs, sieben, acht Minuten ließ der Richter die Angeklagten, ihre Verteidiger, die Ankläger, die Journalisten und die Besucher warten. Dann verkündete er das Urteil, das alle erwartet hatten: Die fünf angeklagten aktiven und ehemaligen Top-Manager der Deutschen Bank werden freigesprochen. So endete am Dienstag einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse, die es in Deutschland je gab.

Bevor der Vorsitzende Richter Peter Noll den Freispruch begründete, entlastete er aber die Staatsanwaltschaft, die zuletzt immer stärker in die Kritik geraten war. "Es gab anfänglich durchaus schwere Verdachtsmomente", sagte er. So hätten die Angeklagten scheinbar sich widersprechende Angaben gemacht. Eine Aussage Breuers sei erwiesenermaßen unzutreffend gewesen, habe das Oberlandesgericht München im Kirch-Prozess festgestellt. Da habe die Staatsanwaltschaft gar keine andere Wahl gehabt als zu ermitteln. "Es war ein rechtsstaatliches Verfahren, für das sich niemand schämen muss", resümierte der Richter. Allerdings sei es die Frage, ob sich der Prozess so lange habe hinziehen müssen. Fast auf den Tag genau ein Jahr dauerte das Verfahren, es gab 35 Verhandlungstage. Die Staatsanwaltschaft hatte immer neue Beweisanträge eingebracht, am Ende waren es 40.

Der Richter verglich das Verfahren mit Jim Knopf

Noll verglich das Verfahren mit dem Scheinriesen aus dem Kinderbuch "Jim Knopf" von Michael Ende: "Der wirkte aus der Entfernung auch wie ein Riese, doch je näher man ihm kam und je genauer man hingeschaut hat, umso kleiner wurde er." Das Fazit zog der Richter mit einem kurzen Satz: "Die Tatvorwürfe haben sich nicht bestätigt."

Der Hauptvorwurf war, dass die fünf Angeklagten, unter ihnen der Noch-Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, sein Vorgänger Josef Ackermann und sein Vor-Vorgänger Rolf Breuer, im Kirch-Prozess falsche Angaben gemacht - oder deutlicher gesagt - gelogen haben. Der juristische Begriff dafür lautet "versuchter Prozessbetrug". Zweck dieses Betrugs, so der Vorwurf der Anklage, sei es gewesen, im Kirch-Prozess eine hohe Schadenersatzzahlung zu vermeiden. Zum Zeitpunkt der strittigen Aussagen im Jahr 2011 drohte der Deutschen Bank eine Schadenersatzzahlung von zwei Milliarden Euro.

Dreh- und Angelpunkt der Anklage war die These, dass Breuer Anfang 2002 mit einem Interview den schon angeschlagen Konzern des Medienmagnaten Leo Kirch sturmreif habe schießen wollen, um ein lukratives Beratungsmandat zu erhalten, wenn es nach der Pleite darum ging, die einzelnen Unternehmensteile zu verwerten. In dem Interview deutete Breuer die Pleite Kirchs an ("nach allem, was man hört und liest"). Der Richter sah es als nicht erwiesen an, dass Breuer die Äußerung in dem Interview geplant habe. Vielmehr sei man eher zufällig darauf zu reden gekommen. Deshalb könnte man auch nicht davon sprechen, dass Breuer Kirch mit dem Interview gezielt habe schädigen wollen.

Der Vorsatz habe sich bei keinem der Angeklagten beweisen lassen

Auch die zweite zentrale These der Anklage, dass die Deutsche Bank von Kirch ein Beratungsmandat habe wollen, sei nicht bewiesen. Zwar gab es zahlreiche Präsentationen der Investmentbank-Abteilung der Bank, die sich mit dem Fall Kirch befassten. Dies sei aber eher vorausgreifend geschehen, einen konkreten Beschluss oder Auftrag gab es nicht.

Der entscheidende Punkt für den Richter war die Frage, ob die Deutsche Bank in jedem Fall auf Kirch zugehen wollte, um ein Mandat zu erhalten - oder ob sie das nur tun wollte, wenn sie von Dritten gefragt wurde, also von einem anderen Medienkonzern, der Interesse an den Kirch-Teilen zeigte. Denn da Kirch ein Kreditkunde der Deutschen Bank war, hätte es in diesem Fall einen Interessenkonflikt gegeben, über den Kirch auf jeden Fall informiert hätte werden müssen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass es keine originäre Beratungsabsicht gab, sondern nur eine Absicht für den Fall, dass ein Dritter anfragt. Diese Konditionalität sei bei der Befragung der Angeklagten durch die Staatsanwaltschaft teilweise nicht berücksichtigt worden. Diese hätten sich unter den falschen Annahmen teilweise auch in Widersprüche verwickelt, die ihnen das Gericht aber nachsah.

"Wir müssen der Unschuldsvermutung folgen"

Eindeutig ist bis heute nicht, ob die Deutsche Bank ein Mandat von Kirch haben wollte. Aber: "Wir konnten es nicht restlos aufklären, deshalb müssen wir der Unschuldsvermutung folgen", gestand der Richter ein. Der Vorsatz einer Falschaussage habe sich jedenfalls bei keinem der Angeklagten führen lassen. Deshalb würden alle Manager freigesprochen.

Der Richter zog am Schluss noch einmal einen Vergleich: Man habe ein Terabyte Akten ausgewertet, das entspreche "einem Güterzug voller Dokumente". Es habe sich aber nicht eine einzige Notiz gefunden, aus der irgendeine Absprache für die Aussagen im Prozess hervorgegangen wäre. "Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts, man kann daraus eigentlich nur schließen: Es gibt nichts", sagte der Richter.

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