Prozess gegen Werbemanager Ruzicka:Geplatzter Knoten im CDU-Netzwerk

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Wegen Veruntreuung von mehr als 50 Millionen Euro steht der frühere Medienmanager Aleksander Ruzicka vor Gericht. In die Finanzaffäre soll auch eine Wiesbadener Werbeagentur verstrickt sein, die früher CDU-Wahlkämpfe betreut und sich inzwischen umbenannt hat. Die Verbindungen zur Union sind offenbar gekappt.

Klaus Ott

Den Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden, in dem es um fragwürdige Praktiken in der Werbebranche geht, will Ralf Tippelt nach eigenen Worten "unaufgeregt" verfolgen. Tippelt leitet die Agentur Wunschkind, für die das Verfahren im schlimmsten Fall ein böses Ende nehmen könnte, auch wenn dieser Name in den Justizakten nirgendwo auftaucht. Bis vor zwei Monaten hieß die Werbefirma nämlich noch Zoffel Steiger Gruppe, und davor Zoffel Hoff Partner (ZHP). Und die ZHP wiederum kommt an vielen Stellen der 164 Seiten dicken Anklageschrift vor. Außerdem wird gegen den ehemaligen Agenturchef und Mitinhaber Reinhard Zoffel wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt. Er soll daran mitgewirkt haben, dass der einstige Medienmanager Aleksander Ruzicka gemeinsam mit Kompagnons beim Werbekonzern Aegis Media mehr als 50 Millionen Euro auf kriminelle Art und Weise abzweigen konnte.

Ruzicka und ein weiterer ehemaliger Geschäftsführer von Aegis Media sitzen seit Dienstag bei der sechsten Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden auf der Anklagebank. Sie sollen beim Handel mit Fernsehspots über ein Netzwerk von Tarnfirmen fleißig in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben, was Ruzicka bestreitet. Er war bis zu seiner Verhaftung im Oktober 2006 eine zentrale Figur im Geschäft mit Spots und Anzeigen, und Aegis Media zählt zu den führenden Unternehmen in dieser Branche in Europa. Allein in Deutschland vermittelt der Konzern für mehr als drei Milliarden Euro im Jahr Werbeaufträge aus Industrie und Wirtschaft an die Presse und das Fernsehen.

Hinweise auf Korruption, Betrug, Untreue

Der Prozessauftakt am 15. Januar war wenig spektakulär. Staatsanwalt Wolf Jördens verlas die Anklageschrift, in der 83 Fälle von Untreue aufgelistet sind. Die Vorwürfe sind seit langem bekannt. Bei den vielen Verhandlungstagen, die bis Ende März angesetzt sind, könnte es aber noch spannend werden. Als die Wiesbadener Staatsanwaltschaft begann, sich des Falles Ruzicka anzunehmen, stieß sie nach und nach auf Hinweise für diverse Vergehen: Korruption, Betrug, Untreue. Und ein politisches Netzwerk, das zur ZHP führte, wurde sichtbar.

Von den laut Staatsanwaltschaft durch Ruzicka und Kompagnons bei Aegis Media beiseite geschafften mehr als 50 Millionen Euro sollen 9,1 Millionen Euro durch die Kassen der ZHP geflossen sein, über fingierte Geschäfte in den Jahren 2002 bis 2006. Zoffel entgegnet, man habe keine krummen Geschäfte gemacht. Die ZHP war der CDU eng verbunden, nicht nur wegen Zoffels Partner Volker Hoff, langjähriger CDU-Landtagsabgeordneter in Hessen und dort inzwischen Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei von Regierungschef Roland Koch. In einer Biographie über Koch wird die ZHP als "Knoten des CDU-Netzwerkes" beschrieben. Die Agentur rühmte sich, der CDU und der konservativen Österreichischen Volkspartei bei der "Konzeptionierung von mehreren hundert Wahlkämpfen" geholfen zu haben. Hoff war bei der ZHP nach eigenen Angaben unter anderem für die "Betreuung von politischen Kunden" zuständig, Zoffel agierte früher als Landesgeschäftsführer der CDU in Hessen.

Dieser Knoten im CDU-Netzwerk ist inzwischen geplatzt. Hoffs Aufstieg im März 2006 zum Minister war mit dem Ausstieg aus der ZHP verbunden, an seine Stelle rückte Wolfgang Steiger, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter. Aus der ZHP wurde die Zoffel Steiger Gruppe, und vor zwei Monaten schließlich die Agentur Wunschkind mit Geschäftsführer Ralf Tippelt. Zoffel verabschiedete sich wegen der Finanzaffäre und machte, so Tippelt Mitte November 2006, den Weg frei für einen Neuanfang - allerdings ohne den Kunden CDU. Tippelt räumt ein, Wunschkind habe derzeit "keinen Auftrag von der CDU", auch in den hessischen Landtagswahlkampf sei man nicht eingebunden. Bei früheren Wahlen im Lande des Apfelweins habe man "kleinere Dinge" gemacht und ansonsten viele Werbekampagnen für die CDU quer durch ganz Deutschland betreut. Zum Beispiel Wahlkämpfe für Landrats- und Oberbürgermeister-Kandidaten. "Das gehört zu unserer Kernkompetenz."

Hoff: "Nichts zu Schulden kommen lassen"

Dass die CDU insbesondere in Hessen derzeit einen Bogen um diese Agentur macht, ist nachvollziehbar. Die Opposition hat sich wegen Hoffs möglicher Verwicklung in die Affäre fleißig eingeschossen auf den Minister, der zu alledem weitgehend schweigt, obwohl es viele Fragen zu beantworten gäbe. Hoff sagt nur zweierlei: Er habe sich "nichts zu Schulden kommen lassen", und da er eventuell noch als Zeuge vernommen werde, wolle er dem nicht vorgreifen und sich nicht weiter äußern. Ansonsten macht er fleißig Wahlkampf und verteidigt die harte Linie von Regierungschef Koch bei der Debatte um jugendliche Straftäter. Der Staat müsse "Zähne zeigen".

Bei den Ermittlungen gegen Ruzicka und dessen Umfeld hat das der Staat sehr spät getan. Mitte 2005 hatte ein Anwalt von Aegis Media im Auftrag des Unternehmens Ruzicka, weitere Konzernmanager und mehrere Geschäftspartner, darunter auch Zoffel und Hoff, bei der Wiesbadener Staatsanwaltschaft angezeigt. Die Liste der Vorwürfe war lang, die Anzeige enthielt viele Details. Irgendwann trug die Staatsanwaltschaft mehrere Beschuldigte in die Akte ein, Zoffel und Hoff waren mit dabei.

Sonst geschah nicht sehr viel. Die Strafverfolger brauchten fast ein ganzes Jahr, bevor sie richtig loslegten. Inzwischen war Hoff vom einfachen Landtagsabgeordneten zum Minister aufgestiegen. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn hätte seine Karriere beenden können, doch dazu kam es nicht. Die Staatsanwaltschaft strich Zoffel und Hoff aus der Liste der Beschuldigten. Es sei noch völlig unklar, wer dort mit dem betreffenden Geschäft befasst gewesen sei und ob dadurch eine Straftat begangen worden sei, notierte ein Oberstaatsanwalt. Außerdem sei das Geschäft offensichtlich zunächst ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insofern bestehe kein Verdacht gegen Zoffel und Hoff. Diese Einschätzung mussten die Strafverfolger später teilweise korrigieren, Zoffel wurde wieder zum Beschuldigten und schied bei seiner Agentur schließlich aus.

Kernkompetenz Wahlkampf

Ralf Tippelt war schon bei der ZHP und dann bei der Zoffel Steiger Gruppe an führender Stelle dabei, nun führt er die Geschäfte ohne Zoffel weiter und hofft auf neue Aufträge aus der CDU. "Es gehört zu unserer Kernkompetenz, Wahlkampf zu machen." Das könne nicht jede Agentur, dazu müsse man wissen, "wie eine Partei funktioniert". Immerhin habe man sich neu aufgestellt, um aus der "Schusslinie" zu kommen. Die Agentur könne es sich nicht leisten, dass jedes Gespräch bei "minus zehn Grad" beginne. Ganz aus dem Schlamassel ist Wunschkind aber noch nicht. Aegis Media prüft Schadensersatzansprüche gegen das Nachfolge-Unternehmen der ZHP. Einen Briefwechsel gibt es bereits, wie Tippelt bestätigt.

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