Prozess gegen HSH-Vorstände:Staatsanwalt fordert Bewährungsstrafe für Nonnenmacher

HSH-Nordbank-Prozess

Sie nannten ihn Dr. No: Nonnenmacher vor Gericht (Archivbild)

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Der gesamte Vorstand der Skandalbank HSH soll bestraft werden: Die Staatsanwaltschaft fordert im HSH-Prozess zwischen 10 und 22 Monaten Haft für die Banker - jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Eine ganze Branche wartet nun gespannt auf die Urteile.

Aus dem Gericht von Kristina Läsker, Hamburg

Dirk Jens Nonnenmacher sorgte für Verwunderung bei der Staatsanwaltschaft. Der ehemalige Chef der HSH Nordbank, die in der Finanzkrise von den Steuerzahlern mit Milliarden gerettet werden musste, gab vor Gericht ein Einkommen von nur 12 000 Euro an. Bei seinem politisch erzwungenen Abgang wurde er noch mit vier Millionen Euro abgefunden.

Es ist die entscheidende Phase im HSH-Prozess. Auf ihn schaut eine ganze Branche. Erstmals steht in Europa der komplette ehemalige Vorstand einer Bank vor Gericht, um sich für seine Taten während der Finanzkrise zu verantworten. Doch sind die Manager im Norden überhaupt schuldig? Geht es nach der Staatsanwaltschaft, ist die Antwort eindeutig. An diesem Mittwoch hielt sie ihr mehrstündiges Plädoyer.

Sie fordert zwischen 10* und 22 Monaten Haft für die Vorstände, jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Für Nonnenmacher finden die Staatsanwälte ein Jahr und drei Monate angemessen, plus eine Geldbuße. Da sich die Richter nicht an den 12 000 Euro orientieren, sondern an seinem ehemaligen Gehalt als Bankchef, was netto bei 360 000 Euro gelegen habe, kommen sie auf eine Strafsumme von 150 000 Euro.

Die Höchststrafe fordert die Staatsanwaltschaft für Kapitalmarktvorstand Jochen Friedrich, zusätzlich zur Haft findet sie eine Geldbuße von 100 000 Euro angemessen. Alle Banker hätten eine Vielzahl von Pflichtwidrigkeiten begangen, so die Ankläger. Sie seien nicht kalkulierbare Risiken eingegangen und hätten eine "ungeheuerliche Schadenssumme" verursacht. Diesen beziffert die Staatsanwaltschaft auf 52,6 Millionen Euro.

"Sämtlichen Angeklagten ist gemeinschaftliche Untreue in besonders schwerem Fall und in den Fällen Nonnenmacher und Friedrich auch Bilanzfälschung nachgewiesen worden", sagte Staatsanwalt Karsten Wegerich. Sie alle hätten gegen kaufmännische Sorgfaltspflichten verstoßen und grob pflichtwidrig gehandelt, indem sie eine unvollständige und in ihren Risiken nicht nachvollziehbare Kreditvorlage genehmigt hätten.

Es wirke sich aber strafmildernd aus, dass die Banker sich nicht selbst bereichern wollten. Außerdem liege die Tat lange zurück, mehr als sechs Jahre sind vergangen.

Anklage umfasst 602 Seiten

Seit dem 24. Juli 2013 müssen sich sechs Top-Banker der HSH vor der 8. Strafkammer des Landgerichts Hamburg verantworten. Nun haben sie bereits zehn Monate Prozess hinter sich. Allein das dürften die Männer als Strafe auffassen. Ihr Ruf ist beschädigt, die Karriere ausgebremst, eine regelmäßige Arbeit kaum möglich. Im Falle einer Verurteilung könnten sie nie wieder als Banker arbeiten.

602 Seiten stark ist die Anklage von Staatsanwalt Wegerich und seinen Kollegen. Schritt für Schritt haben der Vorsitzende Richter Marc Tully, zwei Berufsrichter und zwei Schöffen die Vorwürfe der Ermittler untersucht. Es ist ein schwieriger Fall: "Die Strafkammer betritt Neuland. Das ist für alle Beteiligten keine ganz glückliche Situation", bemerkte Tully anfangs. Sein sanft ironischer Ton hat alle Beteiligten durch diesen Prozess begleitet, bei dem Richter und Schöffen mehr und mehr zu Bankexperten mutierten. Sie alle haben oft zwei Tage pro Woche im prunkvollen Plenarsaal im zweiten Stock ausgeharrt. 28 Zeugen und drei Sachverständige wurden in dem getäfelten Raum mit dem Parkett gehört. Um sich den Wahrheiten in diesem doch verwickelten Fall zu nähern.

Im Fokus steht ein dubioses Überkreuzgeschäft namens Omega 55. Es sollte, so sieht es Staatsanwalt Wegerich, vor allem die Bilanz aufhübschen.

Bankchef Nonnenmacher wurde zum Gesicht der Finanzkrise

Omega 55 hat erheblich zur Schieflage beigetragen, die Bank rutschte 2008 an den Rand der Pleite. Damals musste sie von ihren Eignern vor dem Aus gerettet werden. Die Bank gehört bis heute zu 85,4 Prozent Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Länder pumpten 13 Milliarden Euro in ihr Institut.

In einem Punkt hat sich die Staatsanwaltschaft an diesem Mittwoch korrigiert: Anders als bisher angenommen soll der Schaden, der durch die Transaktion Omega 55 entstanden ist, nicht 158 Millionen Euro betragen wie bisher angenommen, sondern nur noch 52,6 Millionen Euro.

Vielfach hinterfragt wurde die Rolle von Dirk Jens Nonnenmacher, 50. Von November 2008 bis April 2011 führte der Mathematik-Professor die Bank. Zu Zeiten der Omega-Geschäfte war Nonnenmacher aber nur Finanzvorstand. Bankintern haben sie ihn damals Dr. No genannt, und mit seinen schwarzen gegelten Haaren ist der Hüne zur negativen Symbolfigur all jener geworden, die Banker spätestens seit der Finanzkrise für Zocker halten, die ohne Skrupel mit Millionen spielen und leichtfertig unüberschaubare Risiken eingehen.

Weiter geht es im Prozess mit den Plädoyers der Verteidiger am 4. und am 26. Juni. Frühestens im Juli will das Gericht dann das Urteil fällen. Sollte es milde ausfallen, dürfte damit für fünf der Angeklagten das Kapitel HSH geschlossen sein.

Das gilt nicht unbedingt für Ex-Chef Nonnenmacher. Ihm droht ein weiteres Verfahren in Kiel. Im Sommer will die dortige Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anklage gegen Nonnenmacher erhebt. Die Kieler Behörde ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung und des Verdachts der Untreue. Dieses Mal geht es nicht um ein wolkiges Kredit-Geschäft, sondern um den unberechtigten Rauswurf des früheren HSH-Vorstands Frank Roth. Nur eines ist wie immer: Nonnenmacher sagt, er sei unschuldig.

*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle hieß es durch einen Redigierfehler in einer früheren Version, die Staatsanwaltschaft fordere zwischen 8 und 22 Monaten Haft. Die mindestens geforderte Strafe beträgt 10 Monate.

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