Prozess gegen Formel-1-Chef Ecclestone:"Ich sah mein Lebenswerk in Gefahr"

Niemand bestreitet, dass Geld geflossen ist - nicht einmal die Verteidigung. Doch Ecclestone will den Banker Gribkowsky nicht bestochen haben, wie es in der Anklage heißt. Der Formel-1-Boss behauptet, er sei erpresst worden. Dafür will er nun Beweise liefern.

Von Bastian Brinkmann und Christoph Giesen

Die einfachen Fragen werden in Gerichtsverfahren immer zuerst geklärt: Alter, Geburtsort, Geburtsdatum und natürlich die Anschrift. Eigentlich Routine, nicht mehr.

Bernie Ecclestone sitzt zwischen seinem Anwalt und einer Dolmetscherin, die simultan übersetzt. "Wie ich Ihren Namen ausspreche, habe ich schon das letzte Mal gefragt", sagt Richter Peter Noll. Ecclestone war bereits im Herbst 2011 im Verfahren gegen den ehemaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky vor Gericht in München erschienen. Damals als Zeuge, heute ist Ecclestone selbst angeklagt.

Geklärt werden muss, ob Ecclestone den Ex-Landesbanker und somit einen Amtsträger mit 44 Millionen Dollar bestochen hat. Richter ist damals wie heute Peter Noll. "Ecclestone is fine", sagt der Formel-1-Boss. Der Richter darf den Namen mit "o" aussprechen, wie beim Wort "stone". In England wird das "o" meistens verschluckt: Ecclest'n.

"In der Anklageschrift steht, Sie sind geschieden", sagt Noll. Ecclestone bejaht. "Ich dachte, Sie wären verheiratet", entgegnet der Richter. "Both is right", sagt Ecclestone: Beides stimme. Gelächter im Saal. Auch Richter Noll lächelt und weist darauf hin, dass der aktuelle Familienstand rechtlich entscheidend sei. Also gut, verheiratet, "I like to remember the divorce part", sagt Ecclestone. Er erinnere sich aber gerne an die Scheidung.

Konflikte, Streit und Machtspiele liegen diesem Mann einfach. 2002 begann jedoch ein Zwist mit der BayernLB, der sich inzwischen zum größten Kampf im Leben des Bernie Ecclestone entwickelt hat. 83 Jahre ist er nun alt, er misst nur 1,59 Meter, und doch ist er noch immer der große Mann der Formel 1. Er hat aus der Autorennserie ein globales Unterhaltungsimperium gemacht und Milliarden verdient. Er kontrolliert das Geschäft. Er macht die Verträge, nur er kennt alle Absprachen.

Echte Schwierigkeiten gab es erst, nachdem die BayernLB zum größten Anteilseigner der Formel 1 geworden war. Damals, vor zwölf Jahren, wurde aus der beschaulichen Landesbank ein gewichtiger Spieler im globalen Rennzirkus. Nach der Pleite des Kirch-Medienimperiums hatte die BayernLB fast 50 Prozent der Formel-1-Anteile übernommen.

Ecclestones Rivale bei der BayernLB wurde Gerhard Gribkowsky, der Risikovorstand der Bank. Ein bulliger Manager, der zuvor bei der Deutschen Bank gearbeitet hatte. Ein Mann, der die Finanzbranche kannte, nicht einer dieser braven Sparkassen-Jungs aus der Provinz. Recht bald begann Gribkowsky, Druck auszuüben. Er wollte im Ecclestone-Imperium für Transparenz sorgen, denn obwohl die BayernLB und zwei weitere Banken 75 Prozent der Anteile hielten, war ihr Einfluss begrenzt.

Erpressung statt Korruption?

Die Familienstiftung Bambino von Ecclestones damaliger Ehefrau kontrollierte die verbliebenen 25 Prozent, stellte aber die meisten Aufsichtsräte. Die BayernLB klagte deshalb vor einem Londoner Gericht. Eine Bedrohung für Ecclestone, der womöglich als Geschäftsführer hätte abgesetzt werden können.

Doch statt Transparenz durchzusetzen, kam die Bank Ende 2005 mit dem britischen Finanzinvestor CVC überein, für etwa 800 Millionen Dollar ihre Anteile zu verkaufen. Ecclestone blieb Geschäftsführer, der Deal galt als gelungen - bis 2011.

Dann kam heraus, dass Gribkowsky aus Ecclestones Umfeld 44 Millionen Dollar erhalten hatte. Das Geld war 2006 und 2007 über Briefkastenfirmen an Gribkowsky gezahlt worden. Dieser brachte das Vermögen in eine österreichische Stiftung. Gribkowsky wurde 2012 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt - wegen Bestechlichkeit.

Nachdem die Staatsanwaltschaft die Anklage vorgelesen hat, trägt die Verteidigung eine Erklärung vor: "Ich bin dankbar dafür, dass ich die Gelegenheit erhalte, mich zu äußern", beginnt Sven Thomas, einer der beiden Verteidiger. Es wird ein mehrstündiger Vortrag. Thomas spricht von "Dokumenten, die der Kammer bisher nicht vorliegen", die belegen sollen, dass "die Anklageschrift nicht zutreffend" ist. Wichtigster Punkt: Gribkowsky, der Kronzeuge, "hat in entscheidenden Punkten die Unwahrheit gesagt". Die Unterlagen, die das beweisen sollen, werde das Gericht demnächst zu sehen bekommen, aber erst, wenn Gribkowsky ausgesagt hat.

Fragen von Gericht und Staatsanwalt will Ecclestone auch erst danach beantworten. Still liest der Angeklagte die Erklärung mit, er hat eine englische Übersetzung. Er sitzt gebeugt, hat die Brille abgesetzt. Sein Augenlicht ist schlecht. Nach etwa anderthalb Stunden übernimmt Ecclestones zweiter Verteidiger, Norbert Scharf. Ein Mann, der mit feinem britischen Akzent spricht, wenn er englische Zitate vorträgt.

Die Strategie der Verteidigung ist klar: Niemand bestreitet, dass Geld geflossen ist, nur der Grund ist ein anderer. Erpressung statt Korruption. Demnach habe Gribkowsky gedroht, Ecclestone bei den Steuerbehörden zu verpfeifen. 1996 hatte der Manager sein Vermögen und die Rechte an der Formel 1 in eine Stiftung eingebracht. Er war damals sehr krank, im Falle seines Todes hätte seine damalige Ehefrau etliche Millionen an Erbschaftsteuer zahlen müssen. Der Ausweg: die Stiftung. Nur darf Ecclestone mit ihr nichts zu tun haben, sonst wäre die Konstruktion illegal.

Was wusste Gribkowsky darüber? "Der Mann erschien mir bedrohlich", lässt Ecclestone nun seine Anwälte sagen. "Kann es sein, dass einer wie Bernie Ecclestone unter Druck gesetzt werden kann?" Ja, Gribkowsky sei das gelungen. "Er wollte Geld. Ich sah mein Lebenswerk in Gefahr." Aus heutiger Sicht räumt Ecclestone ein, sei es keine rationale Entscheidung gewesen, Gribkowsky Geld zu überweisen.

Zur Korruption gehören immer zwei. Einer gibt, einer nimmt. Richter Noll hat bereits Gribkowsky verurteilt. Dieser wird am 9. Mai aussagen, diesmal als Zeuge. Bis dahin schweigt Bernie Ecclestone.

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