Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Ex-Banker Rudolf Elmer:Milde Strafe für Schweizer Whistleblower

  • Der Schweizer Whistleblower Rudolf Elmer ist wegen der Verletzung des Bankgeheimnisses und Urkundenfälschung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
  • Das Bezirksgericht Zürich sah es als erwiesen an, dass Elmer im Jahr 2008 geheime Bankdaten an die Enthüllungsplattform Wikileaks übergeben hatte.
  • Für die Staatsanwaltschaft ist das milde Urteil eine Schlappe, für Elmer selbst ein Teilerfolg.

Von Charlotte Theile, Zürich

Mildes Urteil für Ex-Banker

Für Rudolf Elmer, frühere Nummer zwei der Zürcher Privatbank Julius Bär, ging es an diesem Montagmorgen um alles. Am Bezirksgericht Zürich wurde das Urteil gegen den 59-jährigen Ex-Banker, der international als Whistleblower bekannt ist, verkündet. Nach gerade einmal 20 Minuten war alles vorbei. Und Rudolf Elmer, der wegen Bankgeheimnisverletzung und Urkundenfälschung angeklagt war, ist immer noch ein freier Mann.

300 Tagessätze zu je 150 Franken lautete die Strafe, die der Richter gegen 8.30 Uhr verkündete. Zahlen muss Elmer nur, wenn er sich während der Bewährung etwas zuschulden kommen lässt. Außerdem werden dem 59-jährigen Ex-Banker, der heute als Kandidat der Alternativen Liste in die Zürcher Lokalpolitik drängt, 188 Tage Untersuchungshaft angerechnet. Ein Berufsverbot wurde nicht ausgesprochen. Der Staatsanwalt hingegen hatte genau das gefordert - außerdem eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren.

Schlappe für die Staatsanwaltschaft

Für die Staatsanwaltschaft bedeutet das Urteil eine besondere Schlappe: Der Vorfall, den sie als Anlass der Ermittlungen begriffen hatte, konnte nicht gegen Elmer verwendet werden. Dass der Schweizer Whistleblower im Januar 2011 zu einer Pressekonferenz nach London geflogen war und dort Wikileaks-Gründer Julian Assange medienwirksam CDs übergeben hatte, reichte dem Gericht nicht als Beweis für eine Bankgeheimnisverletzung. Elmer bestritt, dass die Datenträger heikle Informationen enthielten - und dem Staatsanwalt gelang es nicht, das Gegenteil zu beweisen.

Das hat Rudolf Elmer wohl mehrere Jahre Haft erspart. Denn zwischen 2008, als seine ersten Enthüllungen auf Wikileaks erschienen waren, und Januar 2011 wurde das Schweizer Bankengesetz verschärft. Galt vorher eine Höchststrafe von sechs Monaten, sind es nun drei Jahre.

Was Elmer noch vorgeworfen wurde

Es war jedoch nicht nur die Verletzung des Bankgeheimnisses, die Elmer zur Last gelegt wurde: Ein gefälschter Brief an Angela Merkel, den Elmer 2007 auf Wikileaks publizierte, trieb die Strafe in die Höhe. Mit dem Schreiben habe Elmer der Bundeskanzlerin schaden wollen und damit suggeriert, dass sie schwarze Kassen in der Schweiz unterhalte, hieß es im Prozess. Wie die Neue Zürcher Zeitung berichtet, soll Elmer zudem auch versucht haben, die Datensammlung an den damaligen Finanzminister Deutschlands, Peer Steinbrück, zu liefern. Der Staatsanwaltschaft liegen dazu laut eigenen Angaben Briefentwürfe vor.

Nicht nur diesen Vorfall hatte der Staatsanwalt für seine emotionale Anklage genutzt: Elmer habe seinen "Opfern", fast alles vermögende Bankkunden, die durch die Veröffentlichungen Strafverfolgung zu befürchten hatten, "schlaflose Nächte bereitet". Der Angeklagte habe "Existenzen ruiniert" und sei "frei von Mitgefühl".

Wo der Whistleblower Niederlagen einstecken musste

Elmers Verteidigerin Ganden Tethong hatte auf Freispruch plädiert. Der frühere Banker habe seine Taten außerhalb der Schweiz verübt: auf den Cayman Inseln und Mauritius, außerdem in London. Die Schweizer Gerichtsbarkeit sei damit nicht zuständig. Der Richter sah das anders.

Und auch in einem weiteren Punkt musste Elmer eine Niederlage hinnehmen: Er muss die Gerichtskosten in Höhe von 25 000 Franken tragen. Selbst wenn er Assange leere CDs übergeben habe, sei er dafür verantwortlich, dass die Zürcher Justiz etwas anderes geglaubt habe und Ermittlungen einleiten musste, befand der Richter. Sowohl Verteidigung als Staatsanwaltschaft erwägen, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2310997
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/infu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.