Verfahren in Hamm:Teilerfolg für Klage eines peruanischen Bauern gegen RWE

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Saúl Luciano Lliuya (hier mit seiner Anwältin und seinem Übersetzer) macht RWE für 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. (Foto: REUTERS)
  • Anders als das Landgericht Essen in der Vorinstanz hat das Oberlandesgericht den Konzern vorerst nicht aus seiner Mitverantwortung entlassen.
  • Das Gericht deutet an, dass es in dieser Frage zumindest eine Beweisaufnahme eröffnen will.
  • Richter Rolf Meyer fragt: "Wäre die Flutgefahr geringer, wenn es die Emission der Beklagten nicht gäbe?"

Von Benedikt Müller, Hamm

Gut 10 000 Kilometer Luftlinie trennen Nordrhein-Westfalen und die Provinz Ancash in Peru. Und doch besteht Saúl Luciano Lliuya auf diesen Zusammenhang: dass die Kohlekraftwerke des Konzerns RWE hierzulande mitverantwortlich sind für den Klimawandel in seiner Heimat. Der Kleinbauer Lliuya sieht sein Wohnhaus in Huaraz akut gefährdet: Die Stadt liegt am Fuße der Anden, unterhalb eines Gletschersees. Je mehr der Gletscher schmilzt, desto mehr Wasser trägt der See. Schon einmal ist es vorgekommen, dass der See nach einem Erdrutsch ausbrach, und das Wasser die Anden-Stadt überflutete. Die nächste Welle, befürchtet Lliuya, würde sein Haus treffen. "Es ist nur noch eine Frage des Wann und nicht des Ob", sagt der Kläger.

Tragen die Kraftwerke von RWE zum weltweiten Temperaturanstieg bei?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat am Montag die ungewöhnliche Zivilklage verhandelt. Lliuya, ein kleiner Mann mit kurzen, schwarzen Haaren, macht RWE für 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Deshalb fordert der Landwirt, dass der Konzern einen Teil der Maßnahmen bezahlen soll, um die Stadt und sein Haus vor drohenden Fluten zu schützen. Anders als das Landgericht Essen in der Vorinstanz hat das OLG den Konzern vorerst nicht aus seiner Mitverantwortung entlassen.

Zwar reichen die Treibhausgas-Emissionen von RWE bei Weitem nicht aus, um die Gletscherschmelze in den Anden alleine herbeizuführen. Doch Richter Rolf Meyer führt eine andere Frage ins Feld: "Wäre die Flutgefahr geringer, wenn es die Emission der Beklagten nicht gäbe?" Das OLG deutet an, dass es in dieser Frage zumindest eine Beweisaufnahme eröffnen will; die Entscheidung soll am 30. November fallen.

In der Beweisaufnahme müssten Sachverständige der Kausalkette auf den Grund gehen: Tragen die Kraftwerke von RWE zum weltweiten Temperaturanstieg bei, zur Gletscherschmelze in den Anden, verursachen sie somit Lliuyas Flutgefahr? RWE fürchtet sich eher vor einer Klage-welle denn vor einer Flutwelle in den Anden. "Aus unserer Sicht ist das ein Präzedenzfall", sagt ein Anwalt des Konzerns am Montag.

Deshalb sei RWE auch nicht bereit, einen Vergleich mit Lliuya zu schließen. Man könne einen einzelnen Konzern nicht für allgemein verursachte, weltweite Vorgänge wie den Klimawandel haftbar machen. Zudem bezweifelt RWE, für 0,47 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich zu zeichnen; die Rechnung vernachlässige etwa Ausstöße von Verkehr und Landwirtschaft. Und überhaupt fielen die CO₂-Emissionen nur an, weil RWE die Energieversorgung in Deutschland sichere, als Teil der Daseinsvorsorge.

Der Rechtsstreit in Hamm verdeutlicht beispielhaft, wie sehr Staaten im globalen Süden unter globalen Klimaveränderungen leiden. Der Großteil der weltweiten Treibhausgas-Emissionen stammt allerdings aus den Industrie- und Schwellenländern des Nordens. Auf dieses Ungleichgewicht weisen Umweltschützer immer wieder hin, wenn sie nun anlässlich der Weltklimakonferenz in Bonn für mehr Klimagerechtigkeit auf die Straße gehen. Die Teilnehmer der Konferenz sondieren derzeit, wie die Weltgemeinschaft ihr vereinbartes Klimaziel erreichen kann, die weltweite Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.

"Das Ergebnis dieser Verhandlung hier wird Folgen haben"

Den ersten Verhandlungstag verbucht Lliuya, der von der Entwicklungsorganisation Germanwatch unterstützt wird, als Erfolg. Der Landwirt im hellblauen Hemd spricht leise an diesem Tag, eine Dolmetscherin übersetzt. Man wolle die Mitverantwortung von RWE nun beweisen.

"Das wird noch ein langer Weg", sagt Anwältin Roda Verheyen. Doch erstmals meine ein Gericht, dass Mitverursacher des Klimawandels grundsätzlich für den Schutz vor dessen Folgen aufkommen müssten. "Das Ergebnis dieser Verhandlung wird natürlich Folgen haben", sagt Verheyen. Schließlich zeige der 0,47-Prozent-Anteil von RWE, dass es noch ganz andere Treibhausgas-Emittenten auf diesem Planeten gibt.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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