Die Szene ist an sich schon pures Kino. Nach dem Ende der Vorführung des Lego-Animationsfilms über Pharrell Williams sitzen die Zuschauer gemütlich in ihren Kinosesseln und lauschen dem Produzenten des Films. In diesem Fall ist das Pharrell Williams selbst – Musiker, Songwriter, Filmproduzent und als „Creative Director“ der findige Kopf der Luxusmarke Louis Vuitton. Alles läuft nach Plan – bis eine Aktivistin der Tierschutzorganisation Peta den Auftritt stürmt mit einem Plakat, auf dem „Pharrell: Stop Supporting killing Animals for Fashion“ steht. Die Frau macht laut darauf aufmerksam, dass in der Herbstkollektion des Luxuswarenherstellers Pelz und Wildtierhaut getragen wird.
Normalerweise würde die Szene den klassischen Verlauf nehmen: Wortkarge Sicherheitsleute in schwarzen Anzügen, die aussehen, als würden sie nicht mal blinzeln, wenn neben ihnen ein Luftballon platzt, beseitigen geräuschlos die Störerin. Doch Williams entscheidet sich bei dem Auftritt auf dem Toronto Film Festival in der vergangenen Woche für einen anderen Weg: Er bedankt sich bei der Aktivistin und gibt ihr sogar mehrfach recht. Als wäre das nicht schon erstaunlich genug, ermutigt er das Publikum, zu applaudieren.
„Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, umarme ihn“ – nach diesem Sprichwort scheint Williams zu handeln. Er weiß, dass er in der direkten Konfrontation mit der Aktivistin kaum Sympathiepunkte sammeln kann. Durch seine Reaktion versucht er, dem Image des empathischen und kritikfähigen Modemachers gerecht zu werden.
Man stelle sich vor, Politiker würden sich bei Menschen bedanken, die ihre Reden stören
Man stelle sich vor, dies wäre der neue Standard: Politiker bedanken sich bei Menschen, die ihre Reden stören. Firmenbosse klatschen, wenn ihre Angestellten für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen.
Derzeit zeigen sich viele Stars, Chefs und Politiker oft allerdings alles andere als kritikfähig – und schaden sich damit vor allem selbst. Frankreichs ehemaliger Präsident Nicolas Sarkozy schleuderte einst einem wütenden Bürger die wenig präsidiale Antwort entgegen: „Hau ab, du Idiot!“ Der Vorfall sorgte für Aufmerksamkeit, doch ob das Sarkozys Image besserte? Kaum.
Um in der Modewelt zu bleiben: Erst Anfang des Jahres stürmten zwei Peta-Aktivistinnen den Laufsteg auf der Fashion Week in Mailand, um gegen die Verwendung von Pelz sowie Krokodil- und Kalbsleder zu protestieren. Die Reaktion? Blitzschnelles Entfernen der Aktivistinnen und eine strikte Trennung zwischen Mode und Aktivismus. Man wollte sich nicht stören lassen – schließlich wolle man doch die neuesten Trends bewundern. Diskussion? Fehlanzeige.
Ob Williams Reaktion einfach nur ein kluger PR-Stunt bleibt oder ob er damit andere mächtige Menschen inspiriert hat, wird sich zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass Williams auch in Zukunft ähnliche Situationen meistern muss. Denn wenn er eins gezeigt hat, dann das: Protest kann man nicht verhindern, aber man kann stilvoll auf ihn reagieren.