Protest gegen Kürzung der Solarförderung:Ärger unter der Sonne

Eine Branche wehrt sich: In Berlin kommen Tausende Demonstranten zusammen, Mitarbeiter der Solarbranche und Gegner des geplanten Solarausstiegs, um gegen die Kürzung der Solarförderung zu protestieren. Viele Menschen kämpfen um ihre Existenz - an die Wirkung der Proteste glaubt aber kaum jemand.

Charlotte Theile, Berlin

Leisten können sie es sich eigentlich nicht, für einen Tag die Produktion ausfallen zu lassen. Reinhard Wecker, Gründer und Chef der mittelständischen Solarfirma Asola aus Erfurt, zuckt mit den Schultern. 600 Module im Wert von 300 000 Euro könnten sie heute herstellen, Umsatz, der der Firma mitten in der Krise nun entgeht. Und doch hat Wecker zwei Reisebusse gemietet, um seine Mitarbeiter - etwas weniger als 150 sind es noch - nach Berlin zu fahren. Sie wollen gegen die Senkung der Einspeisevergütung demonstrieren, wieder mal, doch diesmal ist es ernster als je zuvor.

Demonstration des Bundesverbandes Solarenergie

Demonstranten protestieren am Brandenburger Tor gegen geplante Kürzungen bei der Solarförderung. Der Bundesverband Solarenergie hatte zu der Demonstration aufgerufen.

(Foto: dpa)

Noch vor ein paar Wochen gab sich Wecker zuversichtlich. Man sei flexibel und biete gute Qualität, die Schwankungen auf dem Solarmarkt seien unschön, aber Sorgen müsse man sich um Asola nicht machen, so die Botschaft damals.

Inzwischen hat sich die Lage verschärft. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verkündeten vor kurzem eine Einigung im Streit um die Solarförderung, um 20 bis 30 Prozent soll die Einspeisevergütung gesenkt werden, am besten sofort. Der endgültige "Solarausstieg" sei das, so der Verband der Solarwirtschaft, bis zu 75 Prozent der Unternehmen könnten durch diese "drastischen Kürzungen" kaputtgehen, befürchtet Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Immer mehr Module sind in den vergangenen Jahren auf deutsche Dächer geschraubt worden, mehr als 7,5 Gigawatt waren es allein im Jahr 2011. Zu viel, finden Rösler und Röttgen, und haben eine deutliche Förder-Kürzung auf mehreren Ebenen vorgeschlagen. Sie soll rasch in Kraft treten. Um das zu verhindern, hat der Verband zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor aufgerufen. 11 000 Menschen sind gekommen.

"Es ist schon schwierig, die Mannschaft über Wasser zu halten"

Asola-Schichtleiter Frank Jaworowski bekommt die Auswirkungen der Politik direkt zu spüren. Auf dem Weg nach Berlin zeigt er immer wieder auf Solarparks, an denen seine Firma mitgebaut hat, vor ein paar Jahren, als Asola noch 250 Menschen beschäftigte und rund um die Uhr gearbeitet wurde. Heute ist die Lage ganz anders. Nach der Ankündigung der Ministerien wurden alle Aufträge für den April storniert. Dafür wollen die Kunden jetzt sofort so viele Module wie möglich haben. Die Mitarbeiter, die gestern erst entlassen wurden, werden heute eigentlich schon wieder gebraucht.

Allein in Thüringen sind 5000 Menschen in der Photovoltaik-Industrie beschäftigt, auch die anderen ostdeutschen Länder haben die Solarindustrie mit Subventionsgeldern aufgebaut. So sieht moderne Arbeitsmarktpolitik aus, glaubte man damals. Solarmodule mit der Aufschrift "Das ist mein Job" haben sie in Erfurt vorbereitet. Doch viele im Bus glauben nicht so recht an die Wirkung ihrer Reise. "Zehn Stunden Busfahrt plus Demo - und ich krieg nur acht Stunden bezahlt", murrt einer. Ein anderer erzählt laut, dass er bald ein Bewerbungsgespräch bei der Konkurrenz hat.

"Es ist schon schwierig, die Mannschaft über Wasser zu halten", gibt Wecker zu. Vor ihm liegen Papiere voller selbstgezeichneter Kurven, fast alle fallen steil ab oder beschreiben riesige Sprünge. Der Unternehmer haftet inzwischen mit seinem gesamten Vermögen bei der Bank. Es wird immer schwieriger, Kredite zu bekommen.

"Ich hab gedacht, das sei eine sichere Branche"

Auf einem Rastplatz vor Berlin treffen sie sich mit anderen Solarfirmen aus der Region. Bosch aus Erfurt, IBC Solar aus dem Norden Bayerns oder Schott Solar aus Jena - schon jetzt sind fast tausend Solararbeiter versammelt. Die IG Metall verteilt Essenspakete.

Bei der Ankunft am Brandenburger Tor heizt Wecker seinen Asolanern nochmal ein. Justin Gronkowski und seine Kollegen bleiben still. Seit ein paar Tagen wissen sie, dass sie ab April arbeitslos sein werden. "Ich hab gedacht, das sei eine sichere Branche", sagt der 23-Jährige laut, was viele andere nur denken.

Doch die lauten Vuvuzelas und Trillerpfeifen draußen sorgen für Ablenkung. Neben professionellen gelben Fahnen mit traurigen Sonnen tragen einige Demonstranten die Energiewende zu Grabe, andere bezeichnen Röttgen auf Plakaten als "Solarfeind Nummer 1", riesige Sonnenkostüme glitzern mit der echten Sonne um die Wette. Melanie Paris ist aus Rostock angereist. Wenn ihre Mutter Susann den Job in der Modulproduktion verliert, wird sie sie wohl nicht mehr im Studium unterstützen können - für CO2-Bilanzen interessieren sich die beiden wenig. "Wir kämpfen hier um unsere Existenz", sagt Paris. So wie all die anderen vor dem Brandenburger Tor.

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