Protektionismus:Trump übersieht gefährliche Risiken und Nebenwirkungen

President-Elect Donald Trump Holds Meetings At Trump Tower

Er will die US-Wirtschaft stärken, doch seine Methoden sind derzeit noch schwer zu durchschauen: der neue US-Präsident Donald Trump.

(Foto: AFP)
  • Donald Trump hat in einem morgendlichen Tweet-Schwall angekündigt, US-Unternehmen mit einer Strafsteuer zu belasten, wenn sie Jobs ins Ausland verlegen.
  • Stattdessen bietet er ihnen Steuererleichterungen an und erweckt bei Kritikern den Eindruck, von der Wirtschaft leicht manipulierbar zu sein.
  • Wie genau er seinen Strafsteuer-Plan umsetzen will, ist zudem bislang weitestgehend unklar.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Die Sonne war noch nicht aufgegangen über dem Trump Tower in New York, da flitzten die Finger des Hausherrn schon wieder gewohnt virtuos zwischen Klein- und Großbuchstaben hin und her. Die Steuer- und Bürokratielast amerikanischer Unternehmen werde bald schon drastisch sinken, ließ der künftige Präsident sein Volk um genau 6.41 Uhr über den Kurznachrichtendienst Twitter wissen. Allerdings, so fügte er hinzu, solle sich niemand täuschen: Firmen, die glaubten, sie könnten Werke daheim schließen, im Ausland neue eröffnen und dort gefertigte Waren "ohne Vergeltung oder sonstige Folgen wieder in die USA einführen, liegen FALSCH". Vielmehr werde er auf solche Produkte eine Strafsteuer von 35 Prozent einführen. So ungewöhnlich die Uhrzeit der sechs Tweets umfassenden Kanonade am Sonntag gewesen sein mag, so eindeutig war die Botschaft: Im Kampf um den Erhalt amerikanischer Arbeitsplätze betrachtet Donald Trump nicht nur Billighersteller aus China oder Mexiko als Feinde, sondern auch US-Firmen, die etwa um der niedrigeren Löhne willen ins Ausland ziehen. Das könnte die Begeisterung, die er mit seinem Wahlsieg in Teilen der Wirtschaft entfacht hatte, spürbar dämpfen. Ein Umstand, den Trump billigend in Kauf nimmt, denn bei vielen einfachen Bürgern verhält es sich gerade umgekehrt: Dort hat das Bild des Job-Retters, das er mit seinem Einschreiten beim abwanderungswilligen Klimaanlagenbauer Carrier begründet hat, weiter an Glanz gewonnen - vorerst zumindest.

Trump bandelt mit der Wirtschaft an

Trump hatte die Carrier-Führung in der vergangenen Woche dazu bewegt, auf die Verlagerung von knapp 1000 Arbeitsplätzen nach Mexiko zu verzichten. Im Gegenzug sicherte er dem Unternehmen allerdings Steuernachlässe in Höhe von angeblich rund sieben Millionen Dollar zu - ein Deal, der längst nicht mehr überall auf Begeisterung stößt.

Dabei ist es keineswegs nur die Opposition, die kritische Fragen stellt. Die weit rechts stehende frühere republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin etwa, die lange Zeit für einen Posten in Trumps Kabinett gehandelt worden war, sprach von "Nepotismus", von Kungelei zwischen Politik und Wirtschaft also. Ähnlich äußerte sich der einstige demokratische Präsidentschaftsanwärter Bernie Sanders, der zum linken Flügel seiner Partei zählt: Carrier habe Trump "als Geisel genommen - und gewonnen", sagte er. Alle amerikanischen Firmen wüssten nun, dass sie nur mit einem Umzug ins Ausland drohen müssten, um Steuernachlässe und andere Vorteile zu erhalten.

Steuern für einzelne Unternehmen einzuführen, dürfte schwierig werden

Ohnehin ging im Jubel um Trumps vermeintliche Rettungstat unter, dass der Carrier-Mutterkonzern United Technologies unverändert 1100 Jobs nach Mexiko umsiedeln will - etwa 400 bei dem Klimaanalagenbauer und weitere 700 bei einer zweiten Tochter, einer Elektronikfirma. Trump ließ das bei seinem Besuch in Indiana unerwähnt. Stattdessen schoss sich der neue Regierungschef via Twitter auf das nächste Unternehmen ein, den Kugel- und Wälzlagerhersteller Rexnord. Dieser hatte im Oktober angekündigt, knapp 300 Arbeitsplätze aus Indianapolis nach Mexiko zu verlagern. Trump warf dem Unternehmen vor, "ohne Rücksicht auf Verluste" 300 Menschen auf die Straße zu setzen. "Das passiert überall in unserem Land", klagte er und kündigte an: "Schluss damit!"

Wie genau er den Kurswechsel aber bewerkstelligen will, ist völlig ungewiss. Es gilt, mindestens ein halbes Dutzend Probleme zu überwinden. So weiß niemand, wie die Regierung im konkreten Fall nachweisen will, dass es sich bei einem Import in die USA um ein Produkt handelt, das exakt in der gleichen Form zuvor im Inland hergestellt worden war. Auch dürfte es schwierig werden, Steuern oder Zölle einzuführen, die nur für einzelne Unternehmen gelten. Offen ist zudem, welche Behörde die Strafe eintreiben müsste und ob die Sonderabgabe von 35 Prozent für alle US-Unternehmen gelten soll, die im Ausland produzieren und die fertigen Produkte in die Heimat verkaufen, oder nur für solche, die das erst in Zukunft tun werden.

Donald Trump und seine Großbuchstaben

Was im Eifer des Gefechts ebenfalls unterging: Nicht der Präsident setzt Steuer- und Zollsätze fest, sondern der Kongress. Dort aber scheint die Bereitschaft, eigene Firmen zu bestrafen und mutwillig Konflikte mit anderen Staaten vom Zaun zu brechen, gering zu sein. Der beste Bleibeanreiz, den man abwanderungswilligen Firmen offerieren könne, seien niedrige Steuern, sagte der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy. "Dagegen hat die Geschichte uns gelehrt, dass Handelskriege nicht sonderlich gesundheitsfördernd sind."

Trump jedoch hält seine Strafabgabe für ein wirksames Steuerungsinstrument, weil sie eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland "finanziell schwierig" mache. Statt "einen sehr teuren Fehler" zu begehen, sollten sich unzufriedene Firmen lieber innerhalb der USA nach einem neuen Standort umsehen. "Die USA sind offen für Geschäfte", schrieb der künftige Präsident - wieder in Großbuchstaben.

Welche Nebenwirkungen die neue wirtschaftspolitische Strategie haben könnte, zeigt ein Beispiel, das Trump und seine Berater womöglich noch gar nicht auf dem Schirm haben: So verhandelt das US-Verteidigungsministerium derzeit mit den Rüstungskonzernen Boeing und Lockheed Martin sowie der Regierung in Delhi darüber, den Kampfjet F-16 künftig statt in Texas in Indien zu bauen. Hintergrund: Die US-Luftwaffe hat keinen Bedarf mehr an neuen F-16, die Regierung in Washington und die beteiligten Firmen hoffen jedoch darauf, das Flugzeug weiter an ausländische Interessenten verkaufen zu können. Größter Kunde wäre wohl Indien.

Und noch jemand könnte von der Strafsteuer des künftigen Regierungschefs betroffen sein: Ivanka Trump. Die Präsidententochter nämlich lässt einen erheblichen Teil ihrer Kleiderkollektion in einem Land produzieren, das ihr Vater für den grässlichsten aller US-Jobkiller hält: China.

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