Promi-Weihnachtspost:Diese Grußkarten wollen wir lesen

Silvio räsoniert über sein 2011, Joe erklärt die Welt des Geldes - und ein Ratingmann sagt: Shit happens. Weihnachtskarten, die wir gerne lesen würden, von Ackermann bis Berlusconi:

von Autoren der SZ

Als Weihnachtspostboten der Prominenten fungierten Marc Beise, Alexander Hagelüken, Hans-Jürgen Jakobs, Alexander Mühlauer und Markus Zydra.

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Post von Josef Ackermann

Sehr geehrte Damen und Herren vom Aufsichtsrat,

es ist mir sehr bewusst, dass Sie 2011 viel Ärger mit mir hatten. Da hatte ich in der Presse bereits im Mai die klare Ansage gemacht, dass der Vorsitz des Aufsichtsrats wenig bedeutet. Kriechgang entspricht nicht meinem Naturell. Aber dann überschlugen sich die Ereignisse, und ich konnte mir für einen historischen Augenblick doch genau diese Aufgabe inmitten Ihres Kreises vorstellen.

Ich wollte dienen! Wollte helfen, das Problem des personifizierten Vakuums an der Spitze zu lösen, so wie mir es früher gelungen ist, Clemens Börsig als Finanzchef adäquat zu ersetzen. Dienen! So wie früher als Offizier in der Schweizer Armee! Zudem trage ich seit 50 Jahren einen Zettel mit mir herum, den mir mein Vater gab - darauf steht ein Gedicht: "In Anderer Glück ein eigenes zu finden . . . " So sah ich im September meine Zukunft bei der Bank.

Es kam anders, verehrtes Gremium. Ich hätte mich umständlich wählen lassen müssen, Ihres und meines Glücks zuliebe, weil die wettbewerbsfeindlichen Gesetze den direkten Wechsel von der Vorstandsspitze in den Aufsichtsrat nicht vorsehen. Wahlkampf habe ich noch nie gemacht, jeder Arbeitgeber kämpfte um mich, und ich hatte die Wahl.

Leider hat es 2011 nicht mit dem Rekordgewinn geklappt, da die Griechen nicht haushalten können (wie ich es prophezeit habe), und deshalb unsere Griechenland-Anleihen viel weniger wert sind. Ich werde mich nach dem Mai jedenfalls an keinen griechischen Strand legen, sondern bleibe der Branche erhalten. Und werde aufmerksam die Doppelspitze im Vorstand verfolgen, die für mich abgeschafft wurde. Eine letzte Bitte habe ich: Mir ist zu Ohren gekommen, dass Anshu Jain in Frankfurt eine Cricket-Betriebssportgruppe aufmachen will. Verhindern Sie das! Mit mir hätte es das nicht gegeben.

It's me,

Euer Joe

Post von Occupy

Lieber Sepp Stemmeisen,

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was waren das für Zeiten damals bei Euch vor der WAA Wackersdorf, als Ihr Euch so richtig mit der Atomlobby angelegt habt. Sepp, alter Kämpfer! Damals zitterten die Bosse vor Empörung über Euch, und die von ihnen geschmierten Politiker nicht minder. Ihr standet vor dem Stahlzaun da hinten in der Oberpfalz mit Euren Steinen und Bolzenschneidern, und die anderen schickten, verbohrt und selbstgerecht bis zum Abwinken, Hundertschaften von desinformierten Bullen ins Gefecht.

Weißt Du noch, Sepp, als die '86 mit Hubschraubern, Blendschockgranaten und Gummischrotgeschossen ankamen, und die bayerische Staatsregierung die Grenzen abgeriegelt hat, damit die Freunde aus Österreich nicht zu Euch stoßen konnten? Stoppt den WAAhnsinn, das ging ja sogar vor Gericht. Ich kenn' das aus Wikipedia, war ja vor meiner Zeit. Vier Jahre lang lief das so, und die Fronten waren klar: Ihr wart die Guten, aber das wusstet nur Ihr. Die anderen, der Staat, der atomar-industrielle Komplex, die chipsfressenden Spießer vor der Glotze, die alle hielten Euch für des Teufels letzte Kohorte, und das macht dann ja auch schon wieder Spaß.

Wäre nicht schlecht, wenn wir das heute auch so hätten, aber wenn wir in Frankfurt unser Zeltlager aufbauen gegen die Großbanken und die Spekulanten und das ganze Dreckszeug - dann klatschen die Sofabürger Beifall. Man fasst es nicht, und die Politiker beeilen sich, uns noch zu übertreffen, sogar die Merkel, hej, wo sind wir denn! Am Ende grüßt die uns noch in ihrer Neujahrsansprache, ich träum' schon schlecht in meinem Thermoschlafsack. Was soll ich sagen, Sepp, selbst die Banker sind nicht mehr das, was sie mal waren. Einige kommen abends heimlich zu uns runter und sagen uns, dass sie es so sehen wie wir, aber uns zuliebe oben weitermachen, under cover sozusagen, und womöglich taucht Silvester noch der Ackermann auf mit Glühwein.

Mein lieber Sepp, ehrlich, so macht das Demonstrieren keinen Spaß. Und ebenso scheiße finde ich, dass Du bisher nicht bei uns vorbei gekommen bist. Obwohl doch Frankfurt viel einfacher zu erreichen ist mit'm ICE und dem ÖPNV als damals die WAA.

Viele Grüße von

Occupy

Post von Douglas Peterson

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Lieber Nicolas Paul Stéphane Sarkozy de Nagy-Bocsa,

gib es ruhig zu, mon cher Président. Du hast den Absender auf der Weihnachtskarte gelesen und gedacht: Dieser Hamburgerfresser aus New York beginnt sein Schreiben bestimmt mit der saloppen Anrede Hi Nick! Falsch! Wir Amerikaner sind gar nicht so, wie Ihr Franzosen immer denkt. Auch wir haben Stil. Dieser verträumte Hinweis aber nur am Rande, weil ich gerade ein Stück bröselnden Cheddar-Käse kaue.

Wirklich, diese Zeilen zu schreiben, das fällt mir nicht leicht. Wir - die großartigste und weltweit größte Ratingagentur Standard & Poor's und ich als deren Chef - haben einen Fehler gemacht. Shit happens, wie wir hier drüben sagen. Ja, wir haben im November irrtümlich der Grande Nation eine schlechte Bonitätsnote gegeben. Von Präsident zu Präsident, mithin auf Augenhöhe, möchte ich mich dafür zutiefst entschuldigen.

Wie konnte das nur passieren? Wie war es möglich, dass in einer E-Mail insinuiert wurde, Frankreich sei nicht mehr die beste Kreditwürdigkeit zu attestieren? Du kannst dir vorstellen, dass ich in einige Hintern getreten habe, um Antworten zu erhalten. Fakt ist: Es gibt keine befriedigende Antwort. Das ist beschämend, denn Amerikaner haben immer Antworten parat. Wir haben aber festgestellt, dass auch wir Opfer waren, Opfer komplexer und hochgetunter Kommunikationsprogramme. Alle E-Mails bei uns werden automatisch erzeugt, auf Basis ausgeklügelter Software. Dass hier Fehler passieren, weiß bei Standard & Poor's jeder. Das merkst Du daran, dass ich Dir keine E-Mail, sondern eine Postkarte schreibe.

Und so ist es wohl passiert. Unsere automatisierte E-Mail-Schreib-Software hatte das Bedürfnis, eine Mitteilung zu Frankreich zu schreiben. Wie von Ätherhand geführt gesellte sich das Wort Herabstufung dazu. Ich bin untröstlich. Das wird nie mehr passieren.

Wie ich sicher weiß, wirst Du bald mehr Post von uns bekommen. Es geht um die Bestnote Frankreichs. Kleiner Wink an dich, Nick: Auch für große Nationen geht es manchmal abwärts. Irrtum ausgeschlossen.

Bonne fête,

Doug

Post von Kweku Adoboli

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Liebe Ex-Kollegen von der UBS,

ich war einer von Euch. Und ich bleibe einer von Euch - auch wenn ich noch immer in dieser verdammten U-Haftzelle sitzen muss. Ich komme hier einfach nicht raus.

Zuerst schnappte ich mir die Anwaltskanzlei, die schon Nick Leeson vertreten hat, damals, als er 1995 die Barings Bank zusammenkrachen ließ. Ich dachte, die hätten wenigstens Ahnung von uns Zockern. Aber nichts da, nicht mal die haben verstanden, was ich angeblich verbrochen haben soll. Nicht mal die! Und der neue Anwalt ist auch kein Stück besser, er muss sich erst mal in die Materie einarbeiten, sagt er. Gibt es denn in ganz London keinen einzigen Anwalt, der weiß, was bei uns in der City abgeht?

Mal ehrlich: Ich habe nur das getan, was jeder Trader jeden Tag macht. Ich wollte Geld verdienen. Und was soll ich sagen? 2,3 Milliarden Dollar sind weg. Aber hey, konnte ich wissen, dass ausgerechnet die Schweizer Notenbank auf die blöde Idee kommt, den Franken an den Euro zu binden? Eben. Da war das Geld halt weg. Das hätte jedem von uns passieren können. Wisst Ihr, was mich wirklich traurig macht, meine lieben Trader? Dass wir dieses Jahr nicht zusammen feiern können. Die Boni sind ja nicht so schlecht ausgefallen, wie ich höre.

Also: Duscht mit Champagner, dreht eine Ferrari-Runde im Hyde Park und denkt an mich. Nächstes Jahr bin ich wieder am Start!

Cheers,

Kweku Adoboli

Post von Silvio Berlusconi

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Sehr geehrte Bundeskanzlerin, liebe Angela,

nach diesem sehr ereignisreichen Jahr hatte ich den festen Vorsatz, Ihnen frohe Weihnachten zu wünschen. Die Geschehnisse dieses Herbstes aber lassen mir keine Sekunde Ruhe. Wie kann es sein, dass Sie mich damals zeitgleich mit diesem griechischen Schlappschwanz Papandreou aus dem Amt drängten? Fehlt Ihnen jedes Gefühl für die Einzigartigkeit der italienischen Nation, die niemals, ich betone: niemals mit diesem Volk kleptomanischer Schafshirten auf einer Stufe stehen darf? Und dann dieser traurige Schnauzbart selbst. Glauben Sie, vor dessen Tür stehen die blutjungen Dinger Schlange? Eben.

Werfen Sie mir bloß nicht vor, ich hätte Italien heruntergewirtschaftet, sodass Sie zusammen mit diesen Bastarden an den Börsen handeln mussten. Der Deal beim Euro war doch so: Ihr Deutschen kriegt die DDR, hehe, und die Exporte - und dafür zahlt ihr schön. Glauben Sie im Ernst, Frau Merkel, ich hatte je vor, irgendwelche von Deutschen erfundene Defizitkriterien einzuhalten? Die Italiener brauchen Brot und Spiele, wie früher unter Nero, und die kriegen sie von mir.

Also, Angela, jetzt mal im Ernst: Sobald ein bisschen Gras gewachsen ist über die Sache mit den hohen Zinsen für unsere Staatsanleihen, hilfst Du mir, diesen Monti zu stürzen. Aber echt. Die letzte Frau, die dieser Buchhalter gesehen hat, war seine Mutter. Das ist doch kein Premier für die Italiener!

Ich vertraue Dir nicht mehr, Angela. Versuch keine Spielchen mit mir. Wenn Du nicht mitmachst, mach ich Dich fertig. Wie die Zeitungen berichten, soll ich Dich ja damals in diesem von der Polizei abgehörten Telefonat eine Culona inchiavabile genannt haben, einen "enormen Hintern, mit dem nichts anzufangen ist". Ob das wohl wahr ist? Teste mich nicht. Ich kann noch ganz anders.

Wenn Du nicht kooperierst, tritt mein AC Milan den FC Bayern München aus der Champions League. Meine Fernsehfirma Mediaset bereitet schon eine Endlos-Soap namens "Depperte Housewives" vor, mit einer Doppelgängerin von Dir in der Hauptrolle. Und ich könnte offenlegen, welche Art von Urlaub Dein Präsidentchen Wulff in meiner Villa auf Sardinien wirklich gemacht hat. Also, verstehen wir uns? Haben wir einen Deal, was diesen Buchhalter Monti angeht?

Mit den besten Wünschen, immer

Dein Silvio

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