Prokon-Pleite:Gläubiger wollen Genossen werden

  • Die Gläubiger des insolventen Energieversorgers Prokon stimmen für eine Genossenschaft.
  • Das durchkreuzt die Pläne des Energiekonzerns EnBW: Der wollte die Firma übernehmen.
  • Prokon hatte erwartete Gewinne vorab ausgeschüttet. Als immer mehr Anleger ihre Genussrechte zurückgeben wollten, ging Prokon das Geld aus.

Von Markus Balser, Berlin

Schon eine Stunde vor Beginn des Treffens strömten Hunderte Gläubiger aus ganz Deutschland in die Messehallen unweit der Hamburger Innenstadt. Allein zur Prüfung der Personalien auf der Gläubigerversammlung von Prokon am Donnerstag waren 70 Schalter aufgebaut. Das Amtsgericht Itzehoe hatte 80 Justizbeamte mobilisiert, um das entscheidende Treffen für die Zukunft der insolventen Windfirma über die Bühne zu bringen. Der Rahmen passte zur Dimension der Entscheidung: Es ging nicht nur um die Folgen einer der größten Pleiten auf dem grauen Kapitalmarkt in Deutschland. Es ging auch um die Grundsatzfrage, ob Bürger die deutsche Energiewende noch stärker als bisher selbst in die Hand nehmen.

Das Treffen endete am Nachmittag mit einem Paukenschlag: Die Prokon-Gläubiger wollen die Windenergie-Firma nach der Insolvenz behalten und als Genossenschaft weiterführen. Die Gläubiger hätten dieser Lösung mehrheitlich und einhellig zugestimmt, teilte der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin mit. Alle acht Gruppen, darunter Investoren, Banken oder Lieferanten, nahmen den Plan nach Angaben von Teilnehmern an. Angesichts der breiten Mehrheit wurde eine Übernahmeofferte des Energiekonzerns EnBW für 550 Millionen Euro gar nicht mehr zur Abstimmung gestellt. Für den Karlsruher Konzern ist das ein herber Rückschlag, nachdem sich Konzernchef Frank Mastiaux zuletzt sehr intensiv um die Zustimmung der Anleger bemüht hatte.

Bei dem Showdown am Nachmittag entschieden sich die Gläubiger damit auch für das Modell, das ihnen die höchste Rückzahlungsquote verspricht. Während sie beim EnBW-Plan bei 52 Prozent lag, sollen im Genossenschaftsmodell am Ende etwa 58 Prozent der angelegten Gelder zurückfließen. Endgültig klar wird mit dem Beschluss damit auch, dass Investoren gut 40 Prozent ihres Kapitals verlieren. Insgesamt hat Prokon etwa 100 000 Gläubiger. Neben den etwa 75 000 Anlegern, die über Genussrechte etwa 1,4 Milliarden Euro in der Firma aus Itzehoe (Schleswig-Holstein) angelegt hatten, stimmten in Hamburg hinter verschlossenen Türen auch Banken, Arbeitnehmer, Lieferanten und Geschäftspartner ab.

Über Prokon war im vergangenen Jahr ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Firma war in die Pleite geschlittert, weil sie erwartete Gewinne vorab ausgeschüttet hatte, um hohe Renditeversprechen - sechs Prozent und mehr pro Jahr - einhalten zu können. Als immer mehr Anleger ihre Genussrechte zurückgeben wollten, ging Prokon das Geld aus. Gründer Carsten Rodbertus musste das Unternehmen nach Konflikten mit Insolvenzverwalter Penzlin verlassen. Gegen Rodbertus ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung. Für den Karlsruher Konzern bedeutet die Niederlage im Ringen um Prokon einen herben Rückschlag für den geplanten raschen Ausbau erneuerbarer Energien. EnBW-Chef Mastiaux hatte großes Interesse an einer Übernahme, weil sein Konzern auf die bereits bestehenden und geplanten Windparks von Prokon schielte. Vor der Insolvenz hatte die Firma Anlagen mit einer Leistung von etwa 500 Megawatt in Deutschland, Polen und Finnland in Betrieb genommen. Weitere Projekte sind in Planung. Für einen Konzern wie EnBW hätte eine Übernahme die Chance geboten, das eigene Geschäft mit grünem Strom schneller als geplant auszubauen. Der Konzern hatte sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 etwa 3,5 Milliarden Euro in erneuerbare Energien zu investieren. An diesem Ziel ändere sich nichts, kündigte der EnBW-Chef am Donnerstag an. "Wir werden uns auf Maßnahmen des organischen Wachstums konzentrieren", sagte Mastiaux.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: