Süddeutsche Zeitung

Projekt Minipreneure:Peter Hartz ist zurück - aber wie?

Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit bestimmt sein Leben: Peter Hartz über das neue Projekt Minipreneure und wie er die Fehler von gestern korrigieren will.

Tobias Dorfer

Sein Name beschreibt einen Makel. "Hartz IV, dieses den Menschen so verhasste Gesetz ist unverrückbar mit meiner Person verbunden" - mit diesem Satz hat Peter Hartz einmal sein Dilemma beschrieben. Dabei hatte alles so gut angefangen: Der damals noch hochgeschätzte VW-Personalvorstand wurde Anfang 2002 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Aufgabe betraut, die Arbeitsmarktpolitik zu reformieren. Doch das Ergebnis zog jede Menge Ärger auf und in der Folge wurde Hartz IV zum Synonym für sozialen Kahlschlag und Ungerechtigkeit. Der Namensgeber selbst hat dagegen immer wieder kritisiert, dass seine Vorschläge nicht "eins zu eins" umgesetzt wurden.

Im Anschluss an seine Arbeit für die Bundesregierung konzentrierte sich Peter Hartz auf seine Aufgabe bei Volkswagen. Doch im Zuge der sogenannten Lustreisen-Affäre bei VW musste der Manager zurücktreten. Jetzt ist Hartz zurück. Mit seiner Initiative Minipreneure will er Langzeitarbeitslosen nun neue Perspektiven bieten - zunächst einmal wird das Projekt auf das Saarland beschränkt. Über seine Vergangenheit und die Hartz-IV-Debatte will der Ex-Manager, der im August 69 Jahre alt wird, nicht mehr sprechen.

sueddeutsche.de: Herr Hartz, vor fast acht Jahren haben Sie Ihr Konzept zur Reform des Arbeitsmarkts vorgestellt. Nun wollen Sie mit einem neuen Projekt Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot bringen - ist das ein spätes Eingeständnis, dass die Reform nicht funktioniert hat?

Peter Hartz: Bei der Arbeitsmarktreform, an der ich bekanntermaßen mitgewirkt habe, sind in der Tat die Langzeitarbeitslosen zu kurz gekommen. Dies kann behoben werden, und dafür will ich mich einsetzen. Übrigens gemeinsam mit mehr als 30 Experten aus den unterschiedlichsten Disziplinen.

sueddeutsche.de: Der Umgang mit der Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht die einzige Schwachstelle der Hartz-Reformen. Erst vor wenigen Wochen haben Deutschlands oberste Richter die Berechnung der Regelsätze gegeißelt. Was muss noch geändert werden?

Hartz: Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich zur aktuellen Arbeitsmarkt-Debatte nicht äußern werde. Fakt ist: Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit ist lösbar. Wir wollen das mit der Initiative Minipreneure beweisen.

sueddeutsche.de: Start des Projekts war Mitte März. Was ist seitdem passiert?

Hartz: Das Ganze ist sehr gut angelaufen. In den ersten drei Wochen haben sich bereits mehr als 6000 Menschen auf unserer Internetseite über das Vorhaben informiert. Rund 100 Anmeldungen haben wir bereits vorliegen. Für so ein anspruchsvolles Konzept ist das eine gute Resonanz.

sueddeutsche.de: Kürzlich haben Sie gesagt, drei von zehn arbeitslosen Saarländern sollten Minipreneure werden. Das wären laut Arbeitsagentur 14.000 Menschen. Warum zögern die 13.900 restlichen?

Hartz: Es ging nach unserer Schätzung um die in Frage kommende Zielgruppe in der Modellregion Saarland. Das Projekt Minipreneure ist sicherlich nicht für jeden Langzeitarbeitslosen geeignet, aber für viele.

sueddeutsche.de: Denen versprechen sie ein Rundum-sorglos-Paket mit individueller Betreuung, Persönlichkeitsanalyse und einer Perspektive für die Zeit danach. Groß ist die Resonanz dennoch nicht. Liegt das am Namen Hartz?

Hartz: Nein, warum auch? Aber natürlich fragen sich alle klugen Leute, was dabei herauskommen soll. Das Projekt ist komplex und lässt sich nicht einfach in zwei Sätzen erklären. Wir versprechen, gemeinsam eine Perspektive zu erarbeiten. Wenn die ersten Organisationseinheiten ihre Arbeit aufnehmen, wird das Projekt anschaulicher. Dann ist ersichtlich, was wir meinen und das wird sich herumsprechen.

sueddeutsche.de: Vielleicht ist die Skepsis auch deshalb so groß, weil das Projekt zu abstrakt ist. Erklären Sie doch mal, warum sich ein Arbeitsloser darauf einlassen sollte.

Hartz: Weil wir einen völlig neuen Ansatz bieten. Die Vermittler der Arbeitsagentur versuchen bisher, die Mängel der Jobsuchenden zu beheben, etwa durch Weiterbildungen. Wir dagegen gehen einen anderen Weg und konzentrieren uns auf die Talente. Die identifizieren wir und dann suchen wir gemeinsam nach einer Beschäftigung.

sueddeutsche.de: Ist nicht genau das die Aufgabe eines Jobvermittlers?

Hartz: Wir stellen die Talente des Einzelnen in den Mittelpunkt und nicht die Vermittlungshemmnisse. Wir leiten die Betroffenen an, sich selbst aus ihrer Situation zu befreien. Dafür bekommen sie von uns Unterstützung durch Talentdiagnostik und individuelles Coaching durch Fachleute. Und parallel identifizieren wir die Möglichkeiten, die sich für den Arbeitslosen im nahen Umfeld realisieren lassen. Das können sozialversicherungspflichtige Jobs sein, ebenso die Selbständigkeit oder soziale Tätigkeiten.

sueddeutsche.de: Hannelore Kraft, die SPD-Vorsitzende von Nordrhein-Westfalen, will Hartz-IV-Empfängern die Möglichkeit geben, auf freiwilliger Basis soziale Aufgaben zu übernehmen. Hat sie das bei Ihnen abgeschaut?

Hartz: Was Frau Kraft angeregt hat, ist eine der Ideen, die unser Konzept vorsieht. Die Frage ist, wie viel Beschäftigung in einem Umfeld von etwa 30 Kilometern insgesamt möglich ist. Arbeitslose sind meist nicht besonders mobil - nicht, weil sie sich verweigern, sondern weil Mobilität Geld kostet. Diese Tatsache müssen wir berücksichtigen. Daher müssen wir die Möglichkeiten, die sich regional eröffnen, mit den Talenten und Bedürfnissen der Betroffenen abgleichen. Dann wird jeder Teilnehmer eine Empfehlung bekommen.

sueddeutsche.de: Ihre Botschaft klingt gewagt. Für jeden Arbeitslosen wollen Sie im Umkreis von 30 Kilometern eine neue Aufgabe finden. Sind Sie da nicht zu optimistisch?

Hartz: Für jeden Arbeitslosen, der auf freiwilliger Basis aus seiner Situation herauswill, bieten wir unser innovatives Programm an. Und dieses Programm sieht eine umfangreiche Talent- und Beschäftigungsanalyse vor. Die Erfolgsquote - bezogen auf tatsächliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - schätzen wir hier im Saarland vorsichtig auf 30 Prozent.

sueddeutsche.de: Eine allgemeine Gültigkeit kann daraus aber kaum abgeleitet werden. Denn die Strukturen in Berlin oder in der Sächsischen Schweiz sind völlig anders.

Hartz: Das stimmt. Nehmen Sie eine ländliche Gegend, wo es früher nur Hüttenarbeiter gab. Da wird kein Yogalehrer benötigt. Um zu sehen, welche Talente wo gesucht werden, müssen wir den Bedarf im lokalen Umfeld erheben - mit einer neu entwickelten Methode.

sueddeutsche.de: Große Worte - aber neue Jobs kann selbst Peter Hartz nicht schaffen.

Hartz: Dafür erheben wir erstmals alle realistischen Beschäftigungsmöglichkeiten in allen Arbeitsmärkten, bekannte und neue.

sueddeutsche.de: Ihr Vorhaben ist teuer. Woher wollen Sie das Geld nehmen?

Hartz: Die Teilnehmer an unserem Pilotprojekt werden im Einzelfall nach den geltenden Richtlinien von der Bundesagentur gefördert. Aber es stimmt schon - unsere finanziellen Spielräume sind begrenzt. Wir sind eine gemeinnützige Gesellschaft mit einem Stammkapital von 25.000 Euro und das Team arbeitet weitgehend ehrenamtlich. Immerhin werden wir von der Stiftung Saarländer helfen Saarländern unterstützt. Aber wenn das Pilotprojekt erfolgreich ist, hoffen wir auf Nachahmer, die über entsprechende Budgets verfügen und in einer Art Social Franchising die Minipreneure-Idee in die Republik hinaustragen.

sueddeutsche.de: Sie sind jetzt 68 Jahre alt und könnten Ihr Rentnerdasein genießen. Stattdessen wagen Sie sich noch einmal auf das für Sie persönlich so schwierige Terrain. Warum greifen Sie nun dieses Thema erneut auf?

Hartz: Wenn sie wissen, wie ein großes gesellschaftliches Problem lösbar ist, müssen sie sich dafür engagieren.

Hartz IV - ein Begriff beschreibt einen Makel. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sucht daher einen neuen Namen. Helfen Sie ihr - und sehen Sie die Vorschläge anderer sueddeutsche.de-User.

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