Projekt Desertec:Zwölf, die Europa retten wollen

In drei Jahren sollen feststehen, wie Europa seinen Strom aus Afrika bekommt. Dummerweise ist die Finanzierungsfrage noch weitgehend offen

Es hört sich alles wunderbar an: Europa soll künftig einen Großteil seines Stroms in den Wüsten Afrikas gewinnen. Dazu soll das sogenannte Projekt Desertec innerhalb von gut drei Jahren Pläne zum Bau von Solarkraftwerken vorlegen, wie das Konsortium aus bislang zwölf in- und ausländischen Unternehmen mitteilte.

Solarstrom, AP

Solarkraftwerk in in der Mojave-Wueste in Kalifornien.

(Foto: Foto: AP)

Ziel der Initiative, deren Investitionsvolumen die Teilnehmer auf 400 Milliarden Euro schätzen, sei eine emissionsfreie und damit klimafreundliche Energieerzeugung auf dem Gebiet zwischen Marokko und Ägypten.

"Es wird angestrebt, einen Anteil von rund 15 Prozent des Strombedarfs von Europa und einen erheblichen Anteil des Strombedarfs für die Erzeugerländer zu produzieren."

"Größte ethische Aufgabe"

Unterzeichnet haben die Absichtserklärung die Unternehmen Münchener Rück, Siemens, RWE, E.ON, die HSH Nordbank, die Deutsche Bank, die Schweizer ABB sowie die Solarspezialisten und Anlagenbauer MAN Solar Millennium, Abengoa Solar aus Spanien, Schott Solar, Cevital aus Algerien und M+W Zander sowie Vertreter der Politik. Bis Ende Oktober soll nun in Deutschland die Firma Desertec Industrial Initiative (DII) gegründet werden.

"Im Erfolgsfalle würden wir einen großen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten", erklärte Münchener-Rück-Vorstand Torsten Jeworrek. Max Schön, Präsident der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome, sagte, Desertec sei ein Schritt der Industrie zur nachhaltigen Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschheit.

Der Aufsichtsratschef der Desertec-Stiftung, Gerhard Knies, erklärte: "Ich möchte der Industrie meinen Glückwunsch aussprechen, dass die Rettung der Welt die größte ethische Aufgabe und zugleich das größte Geschäft der Zukunft sein dürfte."

Allerdings sind zentrale Finanzierungsfragen weitgehend ungeklärt. Die Industrie setzt dabei auf die Politik.

"Finanzierungshilfen sind nötig, um schnell voranzukommen", sagte Knies. Die Schaffung der politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sei die größte Hürde, räumte Jeworrek ein. Die Bundesregierung hielt sich allerdings bedeckt. Es stünden entsprechende EU-Mittel für die Mittelmeerunion von einer Milliarde Euro bereit, sagte Günter Gloser, Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Industriekreisen zufolge plant die Politik, bis zum Baubeginn weitere vier Milliarden Euro bereitzustellen.

Nur eine "Fata Morgana"

Der Vertreter der Deutschen Bank, Caio Koch-Weser, zeigte sich zuversichtlich. "Wir freuen uns darauf, das Projekt so zu gestalten, dass es finanziert werden kann."

Siemens sprach von einem enormen Potential, sollten die solarthermischen Kraftwerke in der Sahara gebaut werden. "Die Wüstenregionen der Erde empfangen in sechs Stunden mehr Energie als die Menschheit in einem Jahr verbraucht." In der Sahara stehe die Sonne über 4800 Stunden im Jahr zur Stromerzeugung zur Verfügung - drei Mal länger als in Deutschland.

Greenpeace begrüßte das Projekt und forderte die Bundesregierung auf, sichere politische Rahmenbedingungen für die Investitionen zu schaffen. Dafür sollten Forschungs- und Fördergelder umgeleitet werden - von Atom- und Kohlekraftwerken zum Ausbau erneuerbarer Energien.

Kritiker des Projekts hatten zuletzt darauf verwiesen, dass die politische Lage in den Erzeugerstaaten in Nordafrika instabil sei. Die Europäische Vereinigung für erneuerbare Energien (Eurosolar) hält das Desertec für komplett unrealistisch: "'Saharastrom für Nordeuropa' ist eine Fata Morgana. Die Initiatoren selbst wissen: Daraus wird nie und nimmer etwas", erklärte Eurosolar-Chef Hermann Scheer. Die Kosten seien künstlich heruntergerechnet und die technischen Möglichkeiten überschätzt, kritisierte er.

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