Prognosen zum Ölpreis:Beständig unbeständig

Prognosen zum Ölpreis: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Früher gaben Forscher sehr konkret an, wie viel Öl in ein paar Jahren kosten wird - und lagen oft weit daneben. Die Autoren des aktuellen Berichts der Internationalen Energieagentur wagen nun keine genaue Vorhersage mehr.

Von Christian Endt

Die Forscher sind vorsichtig geworden. Noch bis zum vergangenen Jahr veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) regelmäßig ausführliche Vermutungen darüber, was Rohöl in Zukunft kostet: In einem Jahr X Dollar pro Fass, in zwei Jahren Y Dollar. Fünf Jahre konnten Leser der Berichte in die Zukunft blicken.

Mit ihren Annahmen lag die IEA oft weit daneben. Im April 2009 veröffentlichten die Experten einen Bericht, in dem sie für 2011 mit einem Preis von 60 US-Dollar pro Fass rechneten. Tatsächlich ging der Ölpreis 2011 durch die Decke und kostete im Jahresmittel 111 US-Dollar pro Barrel, also beinahe das Doppelte. Noch ahnungsloser war das Institut beim darauf folgenden Absturz des Ölpreises. Im Frühjahr 2014 schrieb es in einem Bericht von 102 Dollar pro Fass für das darauffolgende Jahr. Tatsächlich lag der Preis 2015 im Durchschnitt bei nur 52 Dollar. Die IEA erklärt in ihren Berichten zwar jedes Mal, dass sie keine wirklichen Vorhersagen geben könne; dass es sich lediglich um Annahmen handle - es kam aber bei vielen anders an.

In der aktuellen Ausgabe des "Mid-Term Oil Market Report", den die IEA einmal pro Jahr veröffentlicht, stehen überhaupt keine Preisprognosen. "Die Ölmärkte sind derart unbeständig geworden, dass sich selbst fünf Jahre in die Zukunft nur sehr schwer Vorhersagen treffen lassen", heißt es.

Das Ganze hängt davon ab, wie sich die Wirtschaft entwickelt. Auch das ist unsicher

Nicht nur die Internationale Energie-Agentur sieht sich außerstande, den Ölpreis vernünftig vorherzusagen. Allen anderen Experten geht es genauso. Stefan Kooths leitet das Prognosezentrum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. "Die beste Vorhersage ist, anzunehmen, dass der Ölpreis gleich bleibt," sagt Kooths. Lediglich die aktuelle Inflationsrate müsse man addieren. Alles, was man über die künftige Entwicklung von Angebot und Nachfrage wisse, sei im aktuellen Preis schon enthalten.

Diese simple Annahme mag die beste verfügbare Methode sein. Das bedeutet nicht, dass sie besonders gut ist: Der Vergleich hinkt arg, aber das wäre in etwa so, als würden Meteorologen sagen: Heute regnet es, dann wird es morgen wohl auch regnen. "Natürlich wird der Ölpreis niemals gleich bleiben", sagt Kooths. Aber besser weiß es einfach niemand. Die Nachfrage nach Öl hängt stark von der selbst kaum vorhersagbaren Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Außerdem von der Frage, wie ernst es die Nationen den Klimaschutz nehmen und wie schnell sich eine vom Öl unabhängige Alternative wie Elektroautos durchsetzt. Das Angebot auf dem Ölmarkt ist mit der fragilen geopolitischen Lage vor allem im Nahen Osten verknüpft. Dazu kommen technische Neuerungen, wie sie etwa den Fracking-Boom in den USA ermöglicht haben. Sehr viele Fragezeichen also.

Höchstens könne man für die kommenden zwei, drei Jahre einen groben Rahmen nennen, sagt Kooths: Mehr als 60 bis 70 US-Dollar pro Fass werden es wohl nicht werden. Dann würde sich das derzeit nahezu brachliegende Fracking in den USA wieder lohnen, das Angebot also steigen. Unter 20 Dollar wird der Ölpreis wohl auch nicht fallen. Unterhalb rechnet sich die Ölproduktion nicht mehr. Irgendwo zwischen 20 und 70 Dollar also.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: