Prognose für Deutschlands Wirtschaft:Im neuen Jahr ist viel mehr drin

Niemand prognostizierte die Wirtschaftsentwicklung 2013 besser als Stefan Bielmeier. Für 2014 steht der Chefsvolkwirt der DZ Bank mit seinem Optimismus ziemlich alleine da: Die meisten Ökonomen prophezeien, dass die deutsche Wirtschaft 2014 bestenfalls verhalten wächst. Warum Top-Prognostiker Bielmeier hingegen mit "großen Überraschungen" rechnet.

Von Thomas Fricke und Charlotte Bartels, Berlin

Die deutsche Wirtschaft wird 2014 wachsen - allerdings bestenfalls verhalten. So oder so ähnlich lautete der Tenor in den gängigen Prognosen zum Jahreswechsel bisher. Zu Unrecht? Die Vorsicht könnte sich schon bald als viel zu zaghaft erweisen.

Davon zeigt sich jedenfalls der Top-Prognostiker des gerade ablaufenden Jahres überzeugt: Für Stefan Bielmeier, den Chefvolkswirt der DZ Bank, ist 2014 nach zwei Jahren Miniwachstums sehr viel mehr drin. Die Wirtschaft werde um knapp 2,5 Prozent expandieren - deutlich mehr, als es die alte Bundesregierung mit 1,7 Prozent noch veranschlagte.

Bielmeier hat so gut und so früh wie kein anderer geahnt, dass erst jetzt die Konjunkturerholung einsetzt, die viele schon für Anfang 2013 prophezeit hatten. Der Bankenökonom führt damit die Rangliste der Prognostiker des Jahres 2013 an, die das Internetportal WirtschaftsWunder exklusiv für die Süddeutsche Zeitung ermittelt hat . "Im neuen Jahr kann die deutsche Wirtschaft nunmehr durchstarten", prognostiziert Bielmeier.

Mit seiner Prognose für 2014 steht Bielmeier bisher noch alleine. Nur ganz wenige Experten trauen der deutschen Wirtschaft nach zwei mageren Jahren überhaupt ein Wachstum von zwei Prozent zu. Die meisten Vorhersagen liegen darunter. Die Experten des Internationalen Währungsfonds rechnen sogar nur mit einem Plus von 1,6 Prozent.

Dem Aufschwung steht nichts im Wege

Bielmeier hält dagegen: Im abgelaufenen Jahr sei die Konjunktur lange Zeit noch durch die Nachwirkungen der Euro-Krise gebremst worden; trotz der Beruhigung an den Finanzmärkten habe sich die Rezession in vielen Ländern fortgesetzt. Auch sei die Weltkonjunktur durch den Etat-Streit in den USA länger gebremst worden als vielfach erwartet.

Beide Effekte ließen nun nach, so Bielmeier. Dazu kämen relativ niedrige Energiepreise auf den Weltmärkten sowie unverändert günstige Zinsen und zunehmend ordentliche Lohnzuwächse, die den Konsum in Deutschland antreiben dürften. "Dem Aufschwung steht 2014 jetzt kein größeres Hindernis mehr im Wege", sagte der DZ-Chefökonom.

Auch andere Prognostiker räumen ein, dass es 2014 zu positiven Überraschungen kommen könnte. In Südeuropa mehren sich die Zeichen für eine Erholung, sagte Kurt Demmer, Chefökonom der IKB. Er prognostiziert für Deutschland immerhin auch ein Wachstum von 2,0 Prozent. Da die harten Sparprogramme an Wirkung nachlassen, wächst die Wirtschaft in Ländern wie Spanien, Irland und sogar Griechenland wieder - gut für Deutschlands zwischenzeitlich krisengebeutelte Exporteure, die nach wie vor einen Großteil ihres Absatzes im Euro-Raum machen.

All das dürfte auch die Investitionslust in der deutschen Wirtschaft beflügeln. Nach zwei tristen Jahren, in denen die deutschen Unternehmen ihre Ausgaben aus Angst vor einer Eskalation der Euro-Krise drastisch zurückschraubten, zeichne sich hier sogar ein regelrechter Boom ab, sagte DZ-Ökonom Bielmeier. Bislang hätten die extrem niedrigen Zinsen nur bedingt geholfen, die Investitionen zu stützen. Die Angst vor der Krise überwog, und die Kapazitäten waren kaum ausgelastet. Das ändere sich jetzt.

Bei zunehmender Auslastung dürften die Betriebe die günstigen Zinsen endlich nutzen, um in Maschinen und Anlagen zu investieren. Bielmeier erwartet nach dem Rückgang von rund zwei Prozent im abgelaufenen Jahr für 2014 jetzt ein überdurchschnittliches Investitionsplus von gut sieben Prozent. IKB-Ökonom Demmer setzt nach dem Investitionsstreik der vergangenen beiden Jahre jetzt vor allem erst einmal auf "einen hohen Nachholbedarf".

Bundesregierung darf hoffen

Wenn es so kommt, wie die Optimisten prophezeien, wären das gute Nachrichten für die neue Bundesregierung, die bei so einem rosigen Szenario sowohl auf konjunkturbedingt sinkende Arbeitslosigkeit als auch auf neue Steuerrekorde zählen dürfte - ohne großes eigenes Zutun. Dabei werden die viel zitierten Wohltaten der großen Koalition nur wenig Einfluss auf die Konjunktur 2014 haben.

Im gesamtwirtschaftlichen Maßstab halte sich der absehbare Umfang der zusätzlichen öffentlichen Projekte in Grenzen, schätzt Jürgen Michels von der Bayern LB, der Zweitplatzierte in der Prognostiker-Rangliste 2013. Damals arbeitete er noch für die Citigroup. Höheren Ausgaben etwa für Rentner stünden an anderer Stelle höhere Sozialbeiträge entgegen. Da bleibt per Saldo entsprechend wenig zusätzliches Geld übrig, das die Beschenkten ausgeben können, um die Konjunktur so anzuheizen.

Nach dem Urteil der DZ-Ökonomen dürfte die deutsche Wirtschaftsleistung 2014 aber auch so um 2,3 Prozent expandieren - nach einem mickrigen Plus von 0,4 Prozent im alten Jahr. So ein Konjunkturschub würde reichen, um die Arbeitslosigkeit spürbar unter die Drei-Millionen-Marke sinken zu lassen.

Investitionen sind keineswegs sicher

Noch scheinen die Vorsichtigen unter den Auguren in der Mehrheit. Skeptiker halten entgegen, dass die Euro-Krisenländer nach wie vor unter drastischen Kürzungen und Steuererhöhungen litten. Die Wirtschaft werde daher auf absehbare Zeit nur verhalten expandieren, sagte Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunktur (IMK).

Auch sei keineswegs sicher, dass deutsche Firmen so viel mehr investierten. Am meisten fürchten die Experten nach der Erfahrung der vergangenen turbulenten Jahre, dass sich die Euro-Krise doch wieder zuspitzt. Im nächsten Jahr stehen Stresstests für Europas Banken an. Da seien böse Überraschungen nicht auszuschließen. Auch könnte es für neue Turbulenzen sorgen, wenn das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungskurs der Europäischen Zentralbank stoppt, so Bayern-LB-Ökonom Michels.

Selbst der Topoptimist und Topprognostiker räumt Risiken ein. Sehr groß seien diese aber nicht, so Bielmeier. Und: Für seine Zuversicht spricht zumindest die Erfahrung, dass Aufschwünge nach langer Flaute schon oftmals ziemlich unterschätzt wurden. Es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass das Gros der Auguren von so einem Boom überrascht wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: