Profil:"Ich bin ein kreativer Zerstörer"

Europäischer Gerichtshof erlaubt 'Boni auf Rezept'

Seine Idee mit DocMorris hatte Ralf Däinghaus vor 15 Jahren.

(Foto: obs)

Der Europäische Gerichtshof erlaubt Rabatte ausländischer Versandapotheken für deutsche Kunden - ein später Sieg für Ralf Däinghaus, den Gründer von DocMorris.

Porträt von Max Hägler

Man kann sagen: Der Sex brachte sein Geschäft ins Laufen, und damit auch diese große Debatte um Wohl und Wehe der Apotheken. Vor 15 Jahren hatte Ralf Däinghaus die Idee, dass Medikamente in Deutschland auch billiger angeboten werden können: indem sich die Menschen ihre Medikamente per Internet besorgen und nicht mehr in einer Apotheke. Einige Kilometer hinter Aachen, in einem Gewerbegebiet in den Niederlanden, begann er Arzneidöschen zu verpacken und über die Grenze zu schicken, zu günstigeren Preisen als in normalen Apotheken.

Und die Deutschen bestellten eifrig; anfangs vor allem Anti-Baby-Pillen, Viagra und Kopfschmerzmittel. Es war der Beginn eines langen Kampfes gegen das hochregulierte Kammersystem der Apotheker. Der flammt gerade wieder auf - womöglich wird am Ende ein neues Gesetz die Liberalisierungen einkassieren, die Däinghaus, 49, und die von ihm gegründete Firma DocMorris in mehr als einem Jahrzehnt erstritten haben.

Dabei ist dieser Mann gar nicht vom Fach. Programmieren hat Däinghaus einst gelernt, arbeitete danach bei einem Verlag als Chefdigitalisierer, bis er bei einem Gespräch mit einem Apotheker feststellte: Medikamente per Internet versenden, das wäre ein gutes Geschäft. Es war die Zeit um die Jahrtausendwende, alle möglichen Internetbuden versuchten ihr Glück. Aber wenige waren so zäh wie Däinghaus, der über den Firmennamen eine Anekdote erzählte, die gut zu einem Start-up passte: Der alte Morris-Wagen seines Kompagnons habe Pate gestanden.

Die Apotheker zürnten: Der Typ kenne sich nicht aus, trage Turnschuhe zum Anzug

Das Doc bot sich sowieso an, thematisch. Die Apotheker zürnten: Dieser Typ kenne sich nicht aus, trage Turnschuhe zum Anzug und mache das fein tarierte Geschäft mit der Gesundheitsversorgung am Ort kaputt. Tatsächlich gerierte sich Däinghaus als Dauerschreck der Branche: Es gebe zu viele Apotheken, die zu teuer verkauften, das wiederholte er ständig. "Ich bin ein kreativer Zerstörer, wie Phönix aus der Asche, einer, der etwas infrage stellt. Daran habe ich Spaß." Solche Sprüche brachten ihm harte Gegner. Jeder Vorstoß gegen die seit Jahrhunderten geltenden Regeln wurde von Branchenvertretern mit juristischen Mitteln torpediert. Darunter eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Die meisten Angriffe scheiterten, der Versandhandel wurde legal, und so wuchs DocMorris immer weiter. "Alphatier" nannte er sich selbst in jener Zeit, und ihm gefiel es, dass er einmal von lauter Leuten empfangen wurde, die sich zum Spaß schwarze Hipster-Brillen aufgesetzt hatten wie er: Es war der Empfang in Stuttgart, als der Pillengroßhändler Celesio im Jahr 2007 gerade die Mehrheit von DocMorris gekauft hatte, auch wegen eines weiteren vielversprechenden Planes von Däinghaus: Eine DocMorris-Kette mit Filialen im ganzen Land - mit grünen Firmenlogos anstatt dem roten A der Standard-Apotheke. Es hätte ein lukratives Geschäftsmodell werden können - das aber von den Gerichten einkassierte wurde. Däinghaus zog sich nach dieser Niederlage zurück. Er sei sowieso nicht für die Mitarbeit in Konzernen geeignet, merkte er an.

Die Streitereien zwischen der mittlerweile entstandenen Versandbranche und den althergebrachten Apotheken läuft indes auch ohne ihn weiter. Vergangene Woche erlaubte der Europäische Gerichtshof Rabatte ausländischer Versandapotheken für deutsche Kunden; quasi ein später Sieg von Däinghaus. Dagegen wettern die konkurrierenden deutschen Apotheker derart laut, dass Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Versand von rezeptpflichtigen Arzneien nun komplett verbieten will. Viagra per Post gäbe es dann nicht mehr. Däinghaus wird dagegen aber nicht mehr ankämpfen. Nach einem mäßig erfolgreichen Versuch, einen Seniorenfreizeitclub aufzubauen, ist er mittlerweile zwar wieder in der Pharmabranche tätig, aber an ganz anderer Stelle: als Chef eines britischen Unternehmens kämpft er gegen Arzneimittelfälschungen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: