Süddeutsche Zeitung

Hedgefonds:Der Mann, der gegen die Deutsche Bank wettet

Lesezeit: 2 min

Von Andrea Rexer

Für Ian Wace gibt es ein Leben davor und ein Leben danach. An einem Septembertag 1994 beobachtete er im Rückspiegel, wie seine Frau im Auto hinter ihm die Kontrolle über ihren Wagen verlor und frontal in einen Lastwagen krachte. Er hielt seinen sterbenden vierjährigen Sohn im Arm, auch seine elf Monate alte Tochter und die Frau überlebten den Unfall nicht. Bis zu diesem Tag hatte sein Leben aus einer Kette von Erfolgen bestanden, mit nur 31 Jahren war er erfolgreicher Banker in der Londoner City. Doch an das Leben davor erinnere er sich kaum mehr, stellte er später fest. "Der Unfall ist die treibende Kraft in meinem Leben", so versuchte Wace in einem Interview die Bedeutung des Ereignisses in Worte zu fassen.

Es ist eine Kraft, die zumindest auf der materiellen Seite ausgesprochen wirkungsvoll ist. Denn Wace ist heute einer der reichsten Hedgefonds-Manager der Welt. Sein Vermögen wird auf knapp 400 Millionen Euro geschätzt. Es ist Geld, das er unter anderem damit verdient, auf den Misserfolg von Unternehmen zu wetten. In dieser Woche hat sein Hedgefonds Marshall Wace auf den Niedergang seines ehemaligen Arbeitgebers spekuliert: der Deutschen Bank, bei der er in den 1990er-Jahren Leiter des Aktienhandels war. Von allen Hedgefonds platzierte Marshall Wace die größte Wette auf fallende Aktienkurse bei dem deutschen Geldinstitut.

Wie viel Gewinn der Hedgefonds mit der Wette gemacht hat, wird vermutlich nie veröffentlicht. Angeblich soll der Fonds mit einer ähnlichen Transaktion bei der portugiesischen Bank Espirito Santo im Jahr 2014 27 Millionen Euro verdient haben. Hinter der Entscheidung, auf den Misserfolg der Banken zu setzen, steckt allerdings kein menschliches Superhirn, sondern ein Computer. Der Hedgefonds hat ein Programm entwickelt, das Unternehmensdaten auswertet und eine Anlageempfehlung gibt. "Es geht nicht um die persönliche Einschätzung von Herrn Wace gegenüber der Deutschen Bank", stellt sein Sprecher klar.

Bewirkt die Malaise der Deutschen Bank nun sogar etwas Gutes?

Marshall Wace ist mit 21 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten Hedgefonds der Welt. Diese Finanzfirmen sind bei Weitem nicht so reguliert wie Banken, ihr Geschäftsmodell ist es, Geld an den Finanzmärkten zu verdienen - egal mit welcher Strategie. Schenkt man den britischen Medienberichten Glauben, so trägt Wace in guten Jahren schon mal 15 Millionen Euro nach Hause. Dass er das Geld nicht für sich allein einstreicht, sondern einen erheblichen Teil in eine wohltätige Organisation steckt, hat viel mit dem Unfall zu tun. "Ich kann den Unfall nicht ungeschehen machen, aber es kam dadurch auch etwas Positives ins Rollen", sagte er Jahre später in einem Interview, als er die Organisation ARK gegründet hatte. Die Abkürzung steht - ganz in der Diktion der Finanzindustrie - für "Absolute Return for Kids". Zunächst fokussierte sich die Organisation auf Waisenkinder in Osteuropa. Später dehnte sie ihre Tätigkeit auf andere Bereiche und andere Länder aus.

Und auch hier erwies sich die treibende Kraft im Leben des Mannes als äußerst wirkungsvoll: ARK ist inzwischen eine der größten Hilfsorganisationen für Kinderbildung und -gesundheit in Großbritannien. ARK lädt zu prunkvollen Spendengalas, Tickets dafür kosten gerne 10 000 Pfund. Im Gegenzug gibt es jede Menge Glamour: So zeigte sich das Prinzenpaar William und Kate 2011 bei einem der ersten gemeinsamen Auftritte nach der Hochzeit bei einem ARK-Spendendinner. William hielt sogar die Dinnerrede. Die Verbindung zum Königshaus stellte die dritte Frau von Ian Wace her: Saffron Aldridge, ein früheres Supermodel, bekannt vor allem durch ihre Kampagnen für den Modedesigner Ralph Lauren.

Nun könnte man argumentieren, dass die Malaise der Deutschen Bank zumindest indirekt auch etwas Gutes bewirkt - vorausgesetzt, Wace lässt einen Teil des Geldes seiner Kinderhilfsorganisation zukommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2861056
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.