Süddeutsche Zeitung

Hannover:Universitätsleitung distanziert sich

Scharfe Kritik am Hannoveraner Professor Stefan Homburg: Seine Corona-Äußerungen seien "eine unerträgliche Verharmlosung der Geschehnisse im Jahr 1933", sagen Senat, Präsidium und Hochschulrat.

Von Bastian Brinkmann

Die Corona-Äußerungen des Steuerprofessors Stefan Homburg treffen auf scharfe Kritik der Leitung der Leibniz-Universität Hannover. Homburgs Äußerungen seien "eine unerträgliche Verharmlosung der Geschehnisse im Jahr 1933", heißt es in einer Stellungnahme des Senates, des Präsidiums und des Hochschulrats. Homburg leitet in Hannover das Institut für öffentliche Finanzen. Er greift die wegen der Covid-19-Pandemie von Bund und Ländern beschlossenen weitgehenden Kontaktbeschränkungen an. Homburg verbreitet dabei den Verschwörungsmythos, dass "die Eliten" die Kontaktbeschränkungen beschlossen hätten, obwohl sie angeblich wüssten, dass diese nichts bringen würden. Homburg hat für diese Behauptung keine Belege.

Auf einer Demonstration in Stuttgart Anfang Mai hatte Homburg die Situation in Deutschland mit der Anfangszeit des Nationalsozialismus verglichen. "Wir haben jetzt leider gesehen, wie fragil unsere demokratische Ordnung ist, und wie schnell so etwas, was in den 1930er-Jahren passiert ist, jederzeit wieder passieren kann", hatte er gesagt. Homburg verlinkt von seiner offiziellen Universitätshomepage auf diese Rede. Mitte Mai hatte Homburg über die Corona-Krise getwittert: "Das hier ist 1933. Damals gab es keinen Krieg und keine Lager. Es wurde erst die Demonstrations- und Meinungsfreiheit abgeschafft, dann das Rechts-, Presse- und Wissenschaftssystem gleichgeschaltet. Sechs Jahre später war man dann soweit." Das ist historisch nicht korrekt. Die Nationalsozialisten haben bereits 1933 das Konzentrationslager in Dachau errichtet und andere Verbrechen begangen, etwa das sogenannte Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erlassen. "Allein das hat viele Kolleginnen und Kollegen an den deutschen Hochschulen, meist aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, um ihre berufliche Existenz gebracht und sie und ihre Familien in tiefes Unglück gestürzt", heißt es in der Stellungnahme. Senat, Präsidium und Hochschulrat betonen, sie respektierten die freie Meinungsäußerung und die Freiheit von Forschung und Lehre. "Derzeit sehen wir aus diesem Grunde keine rechtliche Möglichkeit, den Äußerungen und Aktivitäten zu begegnen", heißt es.

Homburg teilt auf Anfrage mit, er "begrüße, dass meine Äußerungen nach Auffassung der Universität rechtlich nicht zu beanstanden sind". Die Universität habe ihn zur Gleichsetzung von 2020 und 1933 nicht angehört, so Homburg. Er habe "niemals Parallelen zur nationalsozialistischen Diktatur gezogen", sondern beziehe sich auf "Gefahren wie in der Spätphase der Weimarer Republik". Ende April hatte Homburg bei einer Demonstration in Hannover Deutschland in die Nähe einer Diktatur gerückt, indem er der Bundesrepublik "eine Art chinesisches Politikmodell" attestiert hatte. Daraufhin hatte ein Zuschauer "Faschismus" gerufen. Im Gespräch mit der SZ hatte Homburg dem Ausruf ausdrücklich zugestimmt.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2020
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