Wer verstehen will, wovor sich Hoteliers fürchten, muss in ein unscheinbares Münchner Hinterhaus kommen. Ein paar junge Leute sitzen hier mit Laptops rund um einen großen Tisch. Konzentriert starren sie auf die Bildschirme. Airgreets heißt ihr Start-up. Es gehört zu einer Reihe junger Unternehmen, die eine neue Facette in die private Wohnungsvermietung bringen wollen. Sie bemühen sich, Privatiers zu einer Art Semi-Hoteliers zu machen.
Das Ganze ist an die Plattform Airbnb angedockt. Im Jahr 2008 ging Airbnb online. Auf der ganzen Welt vermieten Menschen Schlafplätze in ihren Wohnungen. Allein in Deutschland gibt es mehrere zehntausend Angebote. Mit dem Ursprungsgedanken hat die Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr viel zu tun. Am Anfang ging es vielleicht noch um ein authentisches Erlebnis, bei Bewohnern einer anderen Stadt auf der Couch zu pennen. Mittlerweile werden in der Regel ganze Wohnungen vermietet - was in vielen Städten zunehmend auf Widerstand stößt.
Städtereise:Amsterdam schließt Touristenläden
Souvenirshops, Schnellrestaurants und Ticket-Verkaufsstellen: Die niederländische Hauptstadt ringt mit dem wachsenden Besucheransturm - und greift nun radikal durch.
Airgreets-Gründer Sebastian Drescher und sein Team bewegen sich mit ihrem Geschäftsmodell also auf einem umstrittenen Markt. Airgreets fördert mit seinen Dienstleistungen die Professionalisierung. Das fängt bei vernünftigen Fotos für die Inserate an und geht bis zur Endreinigung. Auswahl der Gäste und Anpassung der Preise gehören auch zum Service. Airgreets ist Marktführer in Deutschland. 400 Klienten in mittlerweile sechs Großstädten hat das Unternehmen, Tendenz steigend.
Das hat natürlich auch mit der rasanten Ausbreitung von Airbnb zu tun. Die Plattform macht Hotels weltweit Konkurrenz und muss sich dem Vorwurf der Zweckentfremdung privater Wohnungen stellen. Etliche Städte regulieren inzwischen die Vermietungen. Zum Beispiel mit einer maximal erlaubten Zahl an Tagen, an denen die Immobilie weitergegeben werden darf. Airgreets weise seine Kunden auf die ortsüblichen Auflagen hin, sagt Drescher. Von gewerblichen Vermietungen distanziert sich die Firma.
Piloten, Künstler und Geschäftsleute nutzen das Angebot
Wenn Drescher und sein Team beauftragt sind, liegen Schokolade und Stadtplan für die Gäste bereit. Das Bettzeug ist akkurat aufgeschlagen. Alle Ecken der Wohnung sind geputzt. Ein Mitarbeiter steht zur Schlüsselübergabe bereit. Dafür verlangt das Unternehmen 25 Prozent des Mietpreises. Das Konzept stammt ursprünglich vom Londoner Konzern Hostmaker. Die Truppe aus England dekoriert die Wohnung sogar noch um. Manchem Hotelier kommt schon der Standard deutscher Anbieter ziemlich gewerblich vor.
"Wir sehen einen Wettbewerber, der um gleiche Kunden wirbt", sagt Tobias Warnecke, Referent des Hotelverbands Deutschland und gerät in Rage: "Jeder kann gerne privat vermieten. Aber, wenn es semi-professionell oder professionell wird, sehen wir das kritisch." Warnecke fordert eine allgemeine Registrierungspflicht für private Unterkünfte und für professionelle Angebote, wie zum Teil bei Airgreets. Die gleichen Auflagen bei Steuern, Brandschutz und Hygiene, die auch Hotels erfüllen müssen, sollten ebenfalls verpflichtend sein. Doch reichen die Bereitstellung von Handtüchern und die Schlüsselübergabe schon aus, um von einem Gewerbe zu sprechen?
Kritik wehrt Drescher mit charmantem Lächeln ab. Sein Unternehmen und die Airgreets-Gastgeber müssten ebenfalls Steuern abführen. Dann erzählt er von der Airbnb-DNA, die seine Geschäftspartner und er bewahrt hätten. "Die persönliche Komponente bleibt bei unseren Angeboten erhalten", beteuert Drescher. Schließlich sei keine Wohnung wie eine andere.
Co-Working:Sorry, wir haben heute kein Büro für Sie
Schreibtisch auf Zeit statt fester Arbeitsplatz? Co-Working steht für eine neue, lässige Arbeitswelt. In Wahrheit steckt dahinter ein ökonomisches Kalkül.
Manches läuft dennoch standardisiert ab. Mit dem Wohnungsbesitzer kommen die Gäste in der Regel gar nicht mehr in Kontakt. Dreschers Leute bearbeiten an ihren Laptops die Anfragen. Gibt es Probleme während des Aufenthalts, stehen sie ebenfalls zur Verfügung. Ab und an huschen Mitarbeiter aus dem Büro raus, meist Studenten. Sie empfangen die Gäste.
"Unsere Kunden sind oft Geschäftsleute, Piloten oder Künstler", sagt Drescher. Die meisten von ihnen hätten zuvor gar nicht bei Airbnb inseriert und kamen durch Werbung zu Airgreets. Aufgrund ihrer Abwesenheiten und Verpflichtungen hätten sie keine Zeit gehabt, sich um die Vermietung zu kümmern. Das Verhältnis zu Airbnb sei aufgrund des "ergänzenden Services und den vielen neuen Gastgeber sehr gut".
Tatsächlich forciert Airbnb selbst die Professionalisierung. Auf der Webseite gibt es Tipps, wie der Gastgeber zum "Superhost", also so etwas wie einem Guru unter den privaten Vermietern wird. Die Geschäftspraktiken von Drittunternehmen wolle man im Einzelnen aber nicht kommentieren, sagt ein Airbnb-Sprecher. Nur so viel: "Wir freuen uns jedoch, dass auch junge Unternehmer von den Vorteilen des Home-Sharings profitieren können."
Annäherung zwischen Hotels und Start-ups
Hoteliers müssen die Weiterentwicklung von Airbnb wohl akzeptieren. Juristisch bewegt sich eine Kurzzeitvermietung mit Hilfe von Airgreets und Anderen noch nicht im gewerblichen Bereich, argumentieren die Befürworter. Dazu reichten weder die Dauer der Unterbringung noch der angebotene Service aus. Das ist entscheidend: Sobald es sich um ein Gewerbe handelt, gelten nicht nur veränderte steuerliche Vorschriften. Dann ist auch eine Vermietung in etlichen Wohngebieten nicht mehr ohne Weiteres möglich.
Während die meisten Hotelanbieter über die Konkurrenz klagen, nähern sich manche den Neulingen an. Die Hotelkette Accor etwa kaufte, gleich als sich die professionellen Vermietungs-Manager etablierten, Onefinestay, eine Art Luxusvariante der Dienstleister. Vielleicht ein Signal, dass die Alten und Jungen der Branche noch zusammenfinden.