Süddeutsche Zeitung

Pro Sieben Sat 1:Mitten im Umbau

Der Fernsehanbieter macht weniger Gewinn, weil er mehr investiert. Neue Perspektiven könnte der Investor Mediaset des Berlusconi-Clans eröffnen.

Von Caspar Busse

Über die Avancen, die das italienische Fernsehunternehmen Mediaset Pro Sieben Sat 1 macht, wollte Max Conze nicht lange sprechen. "Ich spekuliere nicht über die Zukunft", sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Fernsehanbieters. Er sei "happy", dass Mediaset Investor sei, man werte das als "Unterstützung" für die eigene Strategie. Mehr gab es nicht.

Mediaset, der von der Familie des früheren italienischen Regierungschefs und jetzigen EU-Abgeordneten Silvio Berlusconi kontrollierte Konzern, war im Mai mit 9,6 Prozent überraschend bei Pro Sieben Sat 1 eingestiegen. Nun wollen die Italiener die Zusammenarbeit vertiefen. Die Deutschen sollten sich wie auch der französische Sender TF 1 an der neuen Mediaset-Dachgesellschaft Media for Europe (MFE) beteiligen, die ihren Sitz in den Niederlanden hat. Es gebe "Gespräche, aber keine Verhandlungen", behauptete in der vergangenen Woche Pier Silvio Berlusconi, Mediaset-Chef und Sohn des umstrittenen italienischen Politikers. Mediaset will so ein europaweit agierenden Fernsehunternehmen schaffen. "Mal abwarten, es ist ein langer Prozess", fügte Berlusconi jr. an. Nicht ausgeschlossen auch, dass Mediaset versucht, den Anteil an Pro Sieben Sat 1 möglicherweise zusammen mit Partnern weiter zu erhöhen. In Unterföhring hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Ohnehin ist der Aktienkurs von Pro Sieben Sat 1 seit Monaten auf Talfahrt. Am Mittwoch legte er nur leicht zu auf etwa 11,50 Euro, so niedrig notierte das Papier zuletzt im Jahr 2011. Die Zahlen für das erste Halbjahr, die Conze präsentierte, konnten da auch nicht viel helfen, obwohl er die Prognose für das Gesamtjahr aufrechterhielt - und das trotz eines rückläufigen Werbemarkts. Derzeit lasten die geplanten Investitionen in das TV-Geschäft im zweiten Quartal auf dem Gewinn. Das operative Ergebnis sank im Vergleich zum Vorjahresquartal um 18 Prozent auf 213 Millionen Euro. Das Management begründete dies mit den Ausgaben in Programminhalte, digitale Plattformen und Werbetechnologien, aber auch mit geringeren Werbeeinnahmen. Vorstandschef Conze, seit gut einem Jahr im Amt, sprach von wichtigen Investitionen für den Konzern. "Wir sind überzeugt, dass sich das auszahlen wird", betonte er.

Gerade erst hat das Unternehmen eine neue Videoplattform mit dem Namen Joyn gestartet. "Wir haben hier inzwischen bereits über 3,8 Millionen monatliche Nutzer über alle Geräte - das ist viermal so viel wie beim Vorgänger 7 TV", sagte Conze. Allerdings gibt es nur 1,5 Millionen Menschen, die Joyn als sogenannte "unique user" nutzen, also ohne Doppelzählung. Diese Zahl ist für die Werbewirtschaft relevant. Gut die Hälfte der Joyn-Zuschauer nutzt die Angebote auf dem Smartphone. Conze hatte ursprünglich davon gesprochen, dass Joyn später mal zehn Millionen Kunden haben soll.

Fernsehproduktionen und Onlinegeschäfte machten mehr Umsatz

Auf der Plattform sind unter anderem die Livestreams von über 50 TV-Sendern, von Sat 1 über Pro Sieben bis zu ARD und ZDF, sowie eigenproduzierte Serien, Shows und exklusive Inhalte zu sehen. Damit soll die Abwanderung junger Zuschauer zu den Videodiensten von Netflix oder Amazon gebremst werden. Zunächst baut Pro Sieben Sat 1 auf ein werbefinanziertes Angebot, gegen Jahresende gibt es laut Conze ein kostenpflichtiges Premium-Abo-Modell für Joyn. Die Sender von RTL, die Bertelsmann-Tochter ist der große Konkurrent von Pro Sieben Sat 1 in Deutschland, sind derzeit nicht Teil von Joyn.

Dafür gibt es eine andere neue Zusammenarbeit mit dem Rivalen aus Köln. Es wurde das Gemeinschaftsunternehmen D-Force gegründet, das Werbekunden besonders im digitalen Bereich besser bedienen und Zielgruppen effizienter erreichen soll. Das Bundeskartellamt hat nun grünes Licht für das Projekt gegeben. RTL hat derzeit mit ähnlichen Problemen wie Pro Sieben Sat 1 zu kämpfen, gerade jüngere Zuschauer präferieren Streamingdienste. Gleichzeitig stocken die Werbeausgaben für das klassische Fernsehen, die großen Konsumgüterhersteller sind zurückhaltender.

Der Umsatz des ehemaligen Dax-Unternehmens Pro Sieben Sat 1 stieg im zweiten Quartal zwar dank höherer Erlöse mit Internetportalen und mit Produktionen um vier Prozent auf 947 Millionen Euro. Aber diese beiden Sparten tragen weiterhin wenig zum Ergebnis bei. Im Kerngeschäft Fernsehen, nach wie vor ein wichtiger Gewinnbringer, lief es dagegen schlechter, obwohl der Zuschaueranteil der beste seit vier Jahren war. Die Erlöse im Werbefernsehen sanken um drei Prozent auf 477 Millionen Euro, wie der neue Finanzvorstand Rainer Beaujean sagte. Der Konzerngewinn ging um 29 Prozent auf 131 Millionen Euro zurück. Conze sagte dazu: "Unser Umbau ist auf Kurs."

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SZ vom 08.08.2019
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