TV-MarktKampf um Pro Sieben Sat 1:  Berlusconi-Erben müssen in die nächste Runde

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Sendezentrale von Pro Sieben Sat 1: Die Geschäfte laufen derzeit nicht gut, Werbekunden und Zuschauer bleiben weg.
Sendezentrale von Pro Sieben Sat 1: Die Geschäfte laufen derzeit nicht gut, Werbekunden und Zuschauer bleiben weg. (Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa)

Die geplante Übernahme von Pro Sieben Sat 1 ist noch nicht perfekt: Der Mailänder Fernsehkonzern Media for Europe (MFE) hat jetzt fast 44 Prozent der Aktien – nun läuft eine Nachfrist von zwei Wochen.

Von Caspar Busse

Samstag war dann mal wieder ein guter Tag für Sat 1. Der Privatsender zeigte am Abend den Bundesliga-Supercup, der FC Bayern München, der amtierende deutsche Meister, gewann gegen den VfB Stuttgart, den Pokalsieger der vergangenen Saison. Und in der zweiten Halbzeit saßen rund fünf Millionen Menschen vor den Fernsehern. Bei den 14- bis 59-jährigen Zuschauerinnen und Zuschauern war der Sender damit Marktführer am Abend.

Das kommt derzeit nicht mehr allzu häufig vor. Die Sender von Pro Sieben Sat 1 schwächeln, der Konkurrent RTL holt oft höhere Marktanteile, auch die öffentlich-rechtliche Konkurrenz von ARD und ZDF ist besser. Bekannte Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“, „Joko & Klaas gegen Pro Sieben“, „The Voice of Germany“, „Rosins Restaurants“ oder die Comedyserie „Jerks“ räumen nicht mehr wie früher ab. Dazu kommt: Die Werbeausgaben gehen zurück, Gewinn und Umsatz von Pro Sieben Sat 1 auch.

Jetzt gibt es auch noch einen neuen Großaktionär, der voraussichtlich bald die Mehrheit an der Senderkette übernimmt. Vor etwa zwei Monaten hat der italienische Fernsehkonzern Media for Europe (MFE), der von der Familie des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kontrolliert wird, ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre von Pro Sieben Sat 1 vorgelegt.  An diesem Montag kam nun das vorläufige Ergebnis: MFE hat sich bis jetzt 43,6 Prozent der Anteile gesichert. Die Italiener wollen aber mindestens 50 Prozent haben, damit sie in München durchregieren können.

Geplant ist eine europäische Senderkette

Gescheitert ist die Übernahme damit nicht, im Gegenteil. Jetzt gibt es noch eine gesetzlich geregelte Nachfrist. Danach haben die Pro-Sieben-Sat 1-Aktionäre von diesem Dienstag an noch einmal zwei Wochen bis zum 1. September Zeit, ihre Anteile den Italienern anzudienen. Deshalb hat MFE gute Chancen, doch noch auf 50 Prozent oder mehr zu kommen. Gerade große institutionelle Investoren warten in der Regel bis zum letzten Moment, um ihre Aktien zu verkaufen, weil ja immer noch irgendetwas passieren könnte. Schließlich könnte MFE auch einfach am Aktienmarkt Anteile kaufen und sich so die 50 Prozent sichern.

Joko Winterscheidt (links) und Klaas Heufer-Umlauf sind die Zugpferde der Sendergruppe.
Joko Winterscheidt (links) und Klaas Heufer-Umlauf sind die Zugpferde der Sendergruppe. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Am Montag notierte die Aktie von Pro Sieben Sat 1 bei 7,91 Euro, das Angebot von MFE – bestehend aus einer Barkomponente und MFE-Aktien – liegt umgerechnet bei mehr als acht Euro. Ohnehin war dieses Angebot an keine Bedingung geknüpft, es hat also in jedem Fall Bestand. Nur mit einer Mehrheitsbeteiligung könnte MFE Pro Sieben Sat 1 aber in der eigenen Bilanz konsolidieren. Die Italiener, die auch schon in Spanien präsent sind, wollen zusammen mit den Deutschen einen paneuropäischen Fernsehanbieter schaffen. Damit, so zumindest die Hoffnung, könne man gegen große und mächtige Streaming-Konzerne wie Netflix, Amazon Prime oder Disney bestehen. Gemeinsam könnten Rechte eingekauft und Sendungen entwickelt werden, heißt es.

Was heißt das nun für die Zuschauerinnen und Zuschauer? Schnell ändern wird sich nichts. Die Stars der Sender wie Joko Winterscheidt oder Klaas Heufer-Umlauf können jedenfalls nicht sofort aussteigen, wenn ihr Heimatsender einen neuen Eigentümer bekommt. „Es gibt keine Ausstiegsklausel in unseren Verträgen mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf“, stellte eine Konzernsprecherin klar. Die Shows auf Joyn und Pro Sieben würden weitergehen. Offenbar gilt das auch für andere führende Angestellte und auch für die Rechte, etwa für die der Fußball-Bundesliga, die von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) erworben wurden.

Bedenken gibt es aber in der Politik. Eine Mehrheitsübernahme durch die Italiener dürfe die Medienlandschaft in Deutschland nicht negativ beeinflussen, so die Bundesregierung. „Ein Eigentümerwechsel darf nicht zu einer Einschränkung der journalistischen Unabhängigkeit führen. Medienmacht ist niemals neutral – wer sie kauft, trägt politische Verantwortung“, hatte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gesagt. Die journalistische Qualität und Unabhängigkeit müsse gewahrt bleiben. Es werde ein Gespräch zwischen MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi und Weimer geben. Der verstorbene Silvio Berlusconi hatte immer wieder inhaltlichen Einfluss genommen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnt vor der „bedenklichen Nähe der MFE-Medien zu rechtspopulistischen Positionen“.

Der Niederländer Bert Habets kam von RTL zu Pro Sieben Sat 1.
Der Niederländer Bert Habets kam von RTL zu Pro Sieben Sat 1. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Lange hatten das Management und der Aufsichtsrat von Pro Sieben Sat 1 die Avancen der Italiener strikt abgelehnt. Das Unternehmen wolle unabhängig bleiben, hieß es. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Andreas Wiele, pochte auf Eigenständigkeit und wehrte sich gegen zu starke Einflussnahme. Er trat aber im Frühjahr zermürbt von den Auseinandersetzungen zurück. Zuletzt war Vorstandschef Bert Habets dann umgeschwenkt, er begrüßt nun das Angebot der Italiener. Man unterstütze „ein paneuropäisches Projekt, auch in enger Zusammenarbeit mit MFE“, und freue sich „auf die Fortsetzung der gemeinsamen Gespräche“.

Auch der tschechische Finanzinvestor PPF ist an Pro Sieben Sat 1 interessiert, der nach RTL größten Privatsendergruppe in Deutschland. PPF sieht die Zukunft des Unternehmens in der Unabhängigkeit. Nach Ablauf der Annahmefrist hält die Holding der Erben des Milliardärs Petr Kellner 18,41 Prozent an Pro Sieben Sat 1. Eigentlich wollte PPF seine Beteiligung auf bis zu 29,99 Prozent vergrößern, um ein Gegengewicht zum italienischen Großaktionär zu bilden. Nach der Aufstockung der Übernahmeofferte von MFE geriet PPF aber ins Hintertreffen. Nun ist unklar, was PPF machen wird. Denkbar ist, dass die Tschechen auch an MFE verkaufen. Sie könnten aber auch abwarten und auf einen höheren Preis zu einem späteren Zeitpunkt hoffen.

Ohnehin ist gerade viel in Bewegung auf den europäischen Fernsehmärkten. Netflix, Amazon Prime und die anderen Streamingdienste setzen die Anbieter von klassischem Fernsehen unter Druck.  „Ich glaube, dass es zwingend weitere Übernahmen, weitere Konsolidierung in Europa geben wird und geben muss“, sagte gerade erst Thomas Rabe, der in Personalunion Bertelsmann und RTL führt. Die Kölner Sendergruppe will gerade die Pay-TV-Plattform Sky übernehmen. Auch in anderen Ländern Europas ist viel in Bewegung.

Offen ist, wie es bei Pro Sieben Sat 1 weitergeht. „Da muss eine Menge umstrukturiert und umgebaut werden“, meint ein Beteiligter. Was das etwa für die Jobs bei der Senderkette heißt, ist offen. An diesem Freitagabend immerhin hat Sat 1 wieder eine Chance auf viele Zuschauer: Der Sender zeigt dann die Eröffnungspartie der neuen Bundesliga-Saison 2025/26 zwischen Bayern München und RB Leipzig.

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SZ PlusVon Caspar Busse

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