Pro Sieben Sat 1:"Wir müssen die Treppen nehmen"

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Zwei bekannte Pro-Sieben-Moderatoren: Klaas Heufer-Umlauf (l.) und Joko Winterscheidt. (Foto: ProSieben; Jens Hartmann/dpa)

In der Krise schalten mehr Menschen den Fernseher ein. Trotzdem geht es Pro Sieben Sat 1 schlecht. Die Aktionäre sind aber aus einem anderen Grund sauer.

Von Caspar Busse, München

Es ist nicht gerade eine Action-Show, die an diesem Mittwoch aus einem Fernsehstudio von Pro Sieben in Unterföhring bei München ausgestrahlt wurde. An einzelnen Tischen sitzen zwei Frauen und vier Männer vor einer roten Wand und lesen abwechselnd vorbereitete Statements vor. Hier, wo normalerweise das durchaus erfolgreiche Pro-Sieben-Wissensmagazin "Galileo" aufgezeichnet wird, findet diesmal die virtuelle Hauptversammlung der Pro Sieben Sat 1 Media SE statt. Es geht um Zahlen, die Strategie und neue Aktionäre, die Einschaltquote dürfte im Gegensatz zu "Galileo" aber überschaubar sein. Immerhin: Nervige Werbeunterbrechungen gibt es nicht - bis auf einen bunten Trailer zur neuen Unternehmensstrategie.

Die Nachrichten, die der neue Vorstandssprecher Rainer Beaujean für die Aktionäre vorbereitet hatte, waren nicht die besten. Denn eine schnelle Erholung der Werbekonjunktur, die schwer unter der Corona-Krise leidet, sei nicht zu erwarten. "Im April und Mai hatten wir bei den TV-Werbeeinnahmen ein Minus von rund 40 Prozent. Auch im Juni sehen wir noch keine Verbesserungen", sagte Beaujean. Das Geschäft der Red Arrow Studios werde durch Produktionsverschiebungen ebenfalls beeinträchtigt. "In der Krise tendieren Werbekunden leider dazu, Marketingbudgets zu kürzen oder zu verschieben", erklärte Beaujean. Wie es nun weitergehe, sei ungewiss und hänge vom weiteren Verlauf der Corona-Krise ab.

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Das Fernsehunternehmen hatte bereits die Prognose für das Gesamtjahr zurückgezogen, eine neue aber nicht gemacht, die Dividende wurde quasi gestrichen. Jetzt wird gespart, Investitionen werden verschoben, in einzelnen Bereichen gibt es Kurzarbeit.

Große Unruhe gab es schon vor der Hauptversammlung. Großaktionär Mediaset rief Beaujean mit ungewöhnlich harschen Worten auf, endlich eine Wachstumsstrategie vorzulegen. Der deutsche Fernsehkonzern habe "in den letzten Jahren versucht zu überleben, ohne eine Strategie für sein Mediengeschäft zu haben", sagte Mediaset-Finanzchef Marco Giordani. Deka Investment, die Fondsgesellschaft der Sparkassen und ebenfalls Pro-Sieben-Sat-1-Aktionär, forderte sogar die mittelfristige Ablösung von Beaujean. Er sei nur kurzfristig der Richtige, um sich "auf Kosten-, Liquiditäts- und Cashflow-Management zu konzentrieren". Deka-Manager Winfried Mathes teilte mit: "In der Zeit danach sollte aber unbedingt ein branchenerfahrener Topmanager das Unternehmen führen."

Die Angriffe von Mediaset? "Das ist Kettenrasseln ohne Kette"

Die Äußerungen haben offenbar innerhalb des Fernsehunternehmens für Unverständnis und Verärgerung gesorgt, sie seien überraschend und unverständlich, ist zu hören. "Das ist Kettenrasseln ohne Kette", meint ein Beteiligter besonders zu den Angriffen von Mediaset. Das Medienunternehmen wird von der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kontrolliert und ist zwar mit rund 24,2 Prozent größter Aktionär. Aber lediglich 11,7 Prozent davon halten die Italiener direkt, den Rest über Finanzinstrumente. Eine Investorengruppe um den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský hat den Angaben von Mittwoch zufolge inzwischen gut zwölf Prozent der Anteile. Die US-Beteiligungsgesellschaft KKR kontrolliert inzwischen 4,5 Prozent, beide Gruppen hatten zuletzt zugekauft.

Beaujean hatte die Führung des TV-Unternehmens erst im März nach einem Machtkampf und langen Führungsquerelen übernommen. Sein Vorgänger Max Conze musste nach nicht einmal zwei Jahren als Vorstandschef gehen. Auch Conzes Vize Conrad Albert schied aus, er hatte zuvor im SZ-Interview von einer "Vorstands-Soap-Opera" gesprochen.

Der Chef des Aufsichtsrats, Werner Brandt, rechtfertigte nun die Auswechslung des Vorstands. "Wir brauchen jetzt eine Kultur des Miteinanders und des gegenseitigen Respekts", betonte er gleich mehrmals und kritisierte damit indirekt Conze, den er selbst vor mehr als zwei Jahren geholt hatte. Immer wieder hatte es nämlich in der Vergangenheit Berichte über den wenig kooperativen Führungsstil Conzes und über anhaltenden Streit im Vorstand gegeben. Brandt schaute lange zu und ersetzte dann im Frühjahr überraschend Conze durch Beaujean, der bislang Finanzvorstand war. Offenbar hatte er das schon länger geplant. Denn Brandt, selbst lange Finanzvorstand bei SAP, sagte am Mittwoch auch, dass schon bei der Verpflichtung Beaujeans im Juli 2019 klar gewesen sei, dass dieser "mehr Aufgaben übernehmen könne". Brandt bezeichnete Beaujean als langfristige Lösung. Der Aufsichtsratschef gab zudem bekannt, dass Conze bei seinem Ausscheiden insgesamt 3,9 Millionen Euro erhalten habe, sein noch bis 2021 laufender Vertrag sei damit ausgezahlt worden.

Die Leute schalten in der Krise ein - aber die Anzeigenkunden verschieben ihre Buchungen

Vorstandssprecher Beaujean erläuterte nun nochmals seinen grundlegenden Strategiewechsel. Künftig werde sich Pro Sieben Sat 1 wieder auf das Kerngeschäft Unterhaltung konzentrieren, also vor allem auf das Fernsehgeschäft in Deutschland und Österreich. "Wachstum alleine soll nicht mehr unsere Messgröße sein. Wir wollen langfristige Profitabilität", so Beaujean weiter. Der Umbau sei aber nicht einfach. Beaujean warb um Geduld und sagte: "Es gibt nun mal keinen Aufzug zum Ziel, wir müssen die Treppen nehmen." Die in den vergangenen Jahren aufgebauten Beteiligungen an Internetfirmen würden geprüft und verkauft. So sei ein Börsengang der Online-Dating-Plattform Parship-Elite im Jahr 2022 geplant, kündigte Beaujean am Rande der Hauptversammlung an.

Wie auch alle anderen Medienschaffende sei man aktuell "in einer paradoxen Situation", sagte er weiter: "Während unsere Angebote linear als auch digital zu wirklichen Höhenflügen ansetzen, reduzieren die Werbetreibenden ihre Ausgaben drastisch." Einschaltquoten und Sehdauer stiegen deutlich an in der Corona-Krise, die Einnahmen würden gleichzeitig stark sinken, viele Kunden würden aber die Werbebuchungen nicht völlig absagen, sondern lediglich verschieben. Fernsehen habe aber noch immer die Kraft, im ganzen Land für Gesprächsstoff zu sorgen, betonte Beaujean: "Mehr denn je wenden sich die Menschen dem Fernsehen zu, auf der Suche nach Information und Ablenkung."

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