Pro:Mehr Freiheit für die Bürger - was für Bargeld spricht

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Altmodischer Bezahlvorgang an einer Supermarktkasse: Wird das Bargeld abgeschafft, bleibt kein Einkauf mehr undokumentiert. (Foto: Armin Weigel/picture alliance / dpa)

Wer Münzen und Scheine abschaffen möchte, muss sich im Klaren sein: Er ermöglicht damit die totale Kontrolle durch Firmen und den Staat.

Von Nora Kolhoff und Aloysius Widmann

Bargeld ist vor allem eins: verlässlich. Damit der Zahlungsverkehr reibungslos funktioniert, muss das Zahlungsmittel handlich und leicht verfügbar sein, es muss akzeptiert sein, und man muss sich darauf verlassen können, dass es auch in Zukunft gilt. Zwar sind eine Geldkarte oder eine Smartphone-App, mit denen man bargeldlos zahlen kann, handlicher als Geldscheine - aber was ist, wenn der Strom ausfällt oder der Bank-Server, über den die Zahlung läuft, überlastet ist?

Ohne Bargeld hängt das Funktionieren des Zahlungsverkehrs von viel Technik ab: Das Smartphone oder die Geldkarte dürfen keinen Defekt haben, das Kartenlesegerät des Verkäufers muss funktionieren, das Telefon genügend Empfang haben, um die mobile Tan zu empfangen, bei der Verrechnung durch die Bank dürfen keine Fehler passieren, das Geld muss dem Empfänger korrekt gutgeschrieben werden.

Und selbst wenn alles reibungslos läuft: Wie sicher ist das virtuelle Geld? Die Kriminalität im Internet hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Virtuelles Geld ist keineswegs sicher. Zwar werden Geldbeutel immer noch öfter gestohlen als Konten leer geräumt. Aber wenn Hacker einmal Zugang zu Bank-Konten haben, können sie weit mehr erbeuten, als ein Durchschnittspassant auf der Straße mit sich herumträgt.

Bargeld schützt vor Datenmissbrauch

Rechtlich gesehen dürfen die Kreditinstitute und Banken die Zahlungsdaten nur zweckgebunden verwenden. Anders als bei Payback-Karten, bei denen der Kunde einer Auswertung seiner Daten zustimmt, gibt es für Banken keine legale Möglichkeit, aus den Daten ein Kundenprofil zu bilden. "Das Gefährdungspotenzial ist aber größer, dadurch dass die Daten dauerhaft gespeichert werden", sagt Datenschutzexperte Christoph Schäfer. Wird Bargeld abgeschafft, bleibt kein Einkauf mehr undokumentiert. Der Alkoholiker kann nicht mehr unbemerkt Alkohol erwerben. Auch heimlich etwas im Erotikshop zu kaufen, ist nicht mehr möglich.

"Man muss bar bezahlen können, wenn man nicht möchte, dass andere von einem Kauf erfahren", fordert Schäfer. Für ihn wären Banken die wahren Profiteure einer Abschaffung des Bargelds. "Sie ziehen daraus einen großen finanziellen Vorteil, da sie die Transaktionskosten des Bargeldverkehrs sparen." So würden Bankautomaten oder Ein- und Auszahlungsvorgänge überflüssig. Das gesamte private Vermögen läge im Zweifel bei der Bank.

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Eine Möglichkeit, Bargeld zu Hause zu horten, gäbe es nicht mehr. Es wäre im Falle eines Vertrauensverlusts in die Bank nicht mehr möglich, wenigstens einen Teil seines Geldes abzuheben. "Die Freiheit der Bürger steht gegen die Interessenlagen der Banken und Regierungen", warnen Ulrich Horstmann und Gerald Mann in ihrem Buch "Bargeldverbot".

Bargeld schützt vor Überwachung

Darüber, dass Steuerhinterziehung bekämpft werden soll, herrscht in Deutschland beinahe Konsens. Ob der Kampf gegen die Steuerkriminalität den gläsernen Sparer rechtfertigt, ist hingegen umstritten. Weiß der Staat einmal, wo und wann jeder einzelne Bürger seine Socken kauft oder sich sein Feierabendbier gönnt, könnte er diese Informationen für juristische oder politische Zwecke einsetzen - zum Beispiel, indem er die Geldkarte von Arbeitslosen für den Kauf von Alkohol sperrt oder Übergewichtigen den Einkauf beim Konditor verbietet.

Es geht um Bevormundung und Überwachung: "Der Staat würde mit einer Abschaffung des Bargelds alle Bürger unter Generalverdacht stellen", sagt Datenschützer Schäfer. "Wenn jemand beispielsweise des Steuerbetrugs verdächtigt wird, kann der Staat alle Transaktionen einlesen, selbst die privatesten."

Der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält Beschränkungen von Bargeldzahlungen sogar für verfassungswidrig. "Dies wären nicht gerechtfertigte Eingriffe in Freiheitsrechte, nämlich in die Vertragsfreiheit und Privatautonomie", sagte er der FAZ. Zudem habe das Verfassungsgericht immer wieder betont, "dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf".

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Es gibt noch eine weitere Dimension der staatlichen Kontrolle: "Die derzeitige Zinssituation begünstigt Bargeldhalter", sagt Friedrich Heinemann, Wirtschaftsforscher beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Im Vergleich zum angelegten Geld sei Bargeld zurzeit verhältnismäßig rentabel.

Über die Abschaffung des Bargelds hätte der Staat direkten Einfluss auf die Preisentwicklung am Markt. Er könnte Negativzinsen auf Spareinlagen durchsetzen und Sparer somit dazu zwingen, ihr Geld auszugeben, bevor es deutlich weniger wert ist.

Bargeld ist übersichtlich

Ohne Bargeld wäre jede Semmel, jede Packung Kaugummi, jeder noch so kleine Einkauf auf dem Kontoauszug verzeichnet. Es wird ziemlich unübersichtlich, und für Verbraucher wird es deutlich schwerer, den Überblick über ihre Ausgaben zu behalten.

Etwa 33 Prozent der Deutschen zahlen laut einer Studie der Bundesbank von 2014 immer in bar. Die Umstellung wäre immens und würde gerade Menschen, die den Überblick über ihren Kontostand nicht per Online-Banking, sondern anhand von Papierauszügen behalten, vor Schwierigkeiten stellen. "Es gibt überwältigende Evidenz dafür, dass die angelsächsische Kreditkartenkultur zu höherer privater Verschuldung führt", sagt Forscher Heinemann. Als Hauptgrund dafür, alles mit Bargeld zu zahlen, nannten auch die Teilnehmer der Bundesbank-Studie das Gefühl, Ausgaben besser kontrollieren zu können.

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Aus einer Studie der Bundesbank zum Zahlungsverhalten der Deutschen geht hervor: Im Jahr 2014 wurden vier von fünf Transaktionen in bar beglichen. Tendenziell gehen Barzahlungen zwar seit Jahren zurück, der Trend hat sich zuletzt aber stark verlangsamt. Immer noch haben Deutsche durchschnittlich 103 Euro Bargeld im Portemonnaie. Besonders bei kleinen Transaktionen ist die Barzahlung auch weiterhin die deutlich kostengünstigere Variante. Beträge bis zur Höhe von fünf Euro werden heute zu über 96 Prozent in bar beglichen.

"Und da sind noch die älteren Leute, die kaum Erfahrung mit der Nutzung digitaler Geräte haben", sagt Heinemann. "Schon aus Respekt vor der älteren Generation sollte man sich mit der Abschaffung des Bargelds noch einige Jahre Zeit lassen."

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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