Pro: Lebensmittel-Ampel:Mehr Transparenz

Pro: Lebensmittel-Ampel: undefined

Der Nutri-Score ist fast so einfach wie ein Smiley. Ist das schlimm? Nein. Das ist großartig. Nach Jahren des Wartens erfahren die Kunden endlich mehr über das Essen, das jeden Tag bei ihnen auf dem Tisch landet.

Von Hans von der Hagen

Einkaufen im Supermarkt ist oft ein Ärgernis. Der Kunde erfährt nur wenig über das, was er kauft. Und es wird ihm zugleich sehr schwer gemacht, etwas mehr darüber in Erfahrung zu bringen: Wesentliche Informationen etwa über Inhaltsstoffe und Nährwerte werden von den Herstellern derart gekonnt im Kleingedruckten versteckt, dass sich kein Kunde beim Einkauf damit beschäftigen mag. Wenn jetzt der Nutri-Score in Deutschland eingeführt wird, um genau das zu ändern, kann man nur noch rufen: endlich! Endlich gelingt es auch hierzulande, die relevanten Informationen über die Nährstoffe eines Produkts in ein einfaches Logo zu packen, sodass es mit wenigen Buchstaben und Farben den Käufern signalisiert, ob es eher gesund ist oder nicht. Nur Smileys wären da noch einfacher gewesen.

Mit dem Nutri-Score hat die lächerliche Suche im Kleingedruckten nach Angaben über Zucker, Salz oder Fett ein Ende. Mehr noch: Endlich kommt da etwas aus dem Dunkel des Einkaufsregals ans Licht, über das zwar unter dem Stichwort gesunde Ernährung in unzähligen Talkshows und Artikeln diskutiert wird, doch das bislang ausgerechnet im Supermarkt unsichtbar bleibt - dort also, wo es darauf ankommt.

Es ist unfassbar, dass die Bürger in Deutschland viele Jahre darauf warten mussten. Zwar wurde schon lange diskutiert, wie Lebensmittel klarer gekennzeichnet werden könnten, doch immer verstand es die Industrie, alle Bemühungen der Verbraucherschützer ins Leere laufen zu lassen. Bis jetzt. In einem Punkt hatten die Hersteller aber doch noch Erfolg: Die Kennzeichnung der Produkte ist freiwillig. Mehr als das aber zählt: Ein Anfang hin zu mehr Transparenz ist gemacht. Und ein guter Anfang ist es dazu. Denn bei aller Kritik, die sich Verbraucherministerin Julia Klöckner im Zusammenhang mit der Einführung des Nutri-Scores anhören musste, gilt: Immerhin hatte sie die Größe, ein im Ausland erdachtes und erprobtes System den in Deutschland entwickelten Alternativen vorzuziehen. Sie hat verstanden: Der Nutri-Score findet überall Anklang, gerade weil er so einfach ist, das haben viele Studien mit großer Deutlichkeit gezeigt. Dass die Bundesbürger nun ein so einfaches System bekommen, ist ein Lohn für das jahrelange Warten. Doch wie immer, wenn etwas besonders einfach daherkommt, stellt sich natürlich die Frage: Ist es vielleicht - zu einfach? Richtig ist, dass Käufer im Supermarkt den Code zwar gut sehen werden, mitunter aber nur eine vage Vorstellung davon haben dürften, welche Inhaltsstoffe sich da wie gegeneinander aufrechnen. Womöglich werden manche auch einen guten Score in der Eile des Einkaufs zu einem allumfassenden Top-Rating befördern und ihn damit auf Aspekte erweitern, die der Nutri-Score überhaupt nicht berücksichtigt: die Art der Herstellung etwa oder den Umgang mit Tieren bei Produkten mit Fleisch, Milch oder Eiern.

Das wird vorkommen, ja. Aber ist das entscheidend? Weit mehr als solche Einwände wiegt doch, dass der Nutri-Score über die eigentliche Funktion hinaus eine weitere wichtige Botschaft in sich trägt: Es ist sinnvoll, sich über die Ernährung Gedanken zu machen. Sonst ist eben irgendwann der Diabetes da. Genau das zeichnet den Score aus: Er hat das Zeug, zum Korrektiv aller netten Versprechungen und der adretten Serviervorschläge auf den Verpackungen zu werden, die die Kunden bei jedem Einkauf aufs Angenehmste in die Irre führen. Tatsächlich bescheinigen Ärzte dem Nutri-Score denn auch das Potenzial, zumindest bei einer flächendeckenden Einführung die Zahl der Todesfälle durch ernährungsbedingte Krankheiten um einige Prozentpunkte zu reduzieren.

Allein - gelingt eine so umfassende Verbreitung, wenn es den Herstellern überlassen bleibt, ob sie mitmachen oder nicht? In Frankreich, wo der Nutri-Score vor einigen Jahren zuerst eingeführt wurde, findet sich die Ampel derzeit vor allem auf Eigenmarken der Supermärkte - sie haben sich früh zu einer Kennzeichnung verpflichtet. Ansonsten verzichten viele Hersteller noch auf das Logo. Doch die Verbraucher können sich wehren: Inoffiziell lässt sich der Score schon für zahlreiche, auch hiesige Produkte im Internet abfragen. Wer das mal mit den gewohnten Produkten probiert, erlebt manch unangenehme Überraschung - etwa wegen des teils enormen Zuckergehalts vieler Lebensmittel.

Keine Frage: Gäbe es den Nutri-Score noch nicht - man müsste ihn erfinden. Er ist kein Wunder-, aber ein wichtiges Hilfsmittel beim Supermarktbesuch. Und wer dermaleinst viele grüne Scores im Einkaufswagen liegen hat, kann sich an manchen roten umso mehr erfreuen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: