Pro & Contra:Ämterverbot für Zumwinkel?

Der prominente Steuersünder Klaus Zumwinkel will sich noch nicht aufs Altenteil verabschieden. Soll er sich von hohen Ämtern fernhalten? Ein Pro & Contra

Melanie Ahlemeier und Tobias Dorfer

Pro: Der Name ist verbrannt

Pro & Contra: Der doppelte Klaus Zumwinkel: Links im Gerichtssaal in Bochum, rechts als Vorstandschef der Post und mit einer Mütze der Pakettochter DHL.

Der doppelte Klaus Zumwinkel: Links im Gerichtssaal in Bochum, rechts als Vorstandschef der Post und mit einer Mütze der Pakettochter DHL.

Von Melanie Ahlemeier

Alles hätte so schön werden sollen: Locker-entspannt bis 65 die Deutsche Post führen, Ziehsohn Frank Appel nach und nach als Nachfolger mit den Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik bekanntmachen, zur Verabschiedung in den Ruhestand noch eine Lobrede von Bundeskanzlerin Angela Merkel plus Blumenstrauß in Post-Gelb einheimsen (weil der Bund ja immer noch größter Anteilseigner ist) - und dann ab auf die Burg im Norden des Gardasees. Geld zählen. Bis zum bitteren Ende. Ach ja: Und ab und an die Aufgaben als Aufsichtsrat bei der Telekom, Postbank, Lufthansa, Allianz und Arcandor und womöglich noch beim einstigen Arbeitgeber Post wahrnehmen. Damit das Pensionärsdasein nicht allzu eintönig wird und weiter Geld in die Privatschatulle fließt.

So oder so ähnlich dürfte sich Klaus Zumwinkel sein Leben nach der aktiven Dienstzeit als oberster Postbote der Republik vorgestellt haben. Bekanntlich kam alles anders. Am Montag dieser Woche hat die Justiz ihr Urteil gegen den geständigen Steuerbetrüger ("Es war der größte Fehler meines Lebens") gesprochen, der Mann erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe und muss zudem eine Million Euro Geldbuße zahlen. Soll der Manager Klaus Zumwinkel nun nach Abschluss seines Strafverfahrens wieder eine größere Rolle spielen?

Mitnichten, er darf es nicht.

Denn bei allem Respekt vor seiner Vita und seinem Wissen: Zumwinkel muss nicht nur mit den juristischen, sondern auch mit den gesellschaftlichen Konsequenzen seines massiven Fehlverhaltens leben. Sein Name ist verbrannt.

Der einstige McKinsey-Manager, der auf Wirtschaftsgipfeln so gerne Moral und Anstand predigte und irgendwann sogar den Fernsehpreis "Bambi" in Empfang nahm, hat sich selbst seiner Doppelmoral und Doppelzüngigkeit entlarvt.

Fatale Außenwirkung

Von der Vorbildfunktion, die ein Manager immer auszufüllen hat, kann keine Rede mehr sein. Zumwinkel, der seit 1990 an der Spitze der Post stand, musste als Chef eines ehemaligen Staatsunternehmens und als Aufsichtsrat mehrerer anderer noch höheren Standards genügen - und hat diese Form von Unfehlbarkeit auch gerne für sich in Anspruch genommen. Gleichzeitig ist er über Jahre in erster Linie seinem privaten Wohl verpflichtet gewesen - millionenstark, auf einem Stiftungskonto in Liechtenstein deponiert und dem deutschen Fiskus wissentlich vorenthalten. So einer soll Mitarbeitern und jüngeren Generationen noch mal als Vorbild taugen? Keine Chance.

Zumwinkels Rückkehr als Manager würde auch ein falsches Signal an ausländische Geschäftspartner senden. Ein prominenter Steuersünder in einem wichtigen Amt bei einem Konzern, einem Verband oder als Politikberater? Das käme einer Verhöhnung gleich, die Außenwirkung wäre fatal, der Vorwurf der Korruption wohl nur eine Frage der Zeit. Nein, so ein Experiment darf sich keine Wirtschaftsnation erlauben, auch nicht in Krisenzeiten.

Deutschland wird und sollte ohne die Expertise eines Klaus Zumwinkel auskommen. Der hat sich auch gleich noch mal mit seinen ersten Äußerungen nach der Verurteilung unmöglich gemacht. In einem Interview mit der FAZ sagt er: "Es werden oft private und berufliche Dinge vermischt. Ich weiß, was ich beruflich geleistet habe. Meine Steuerverfehlung war privater Natur." Wer ernsthaft meint, berufliche Erfolge und privates Fehlverhalten hätten nichts miteinander zu tun, hat etwas Grundlegenes nicht verstanden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Steuersünder Zumwinkel eine zweite Chance verdient hat.

Ämterverbot für Zumwinkel?

Contra: Rückkehr muss möglich sein

Pro & Contra: Der doppelte Klaus Zumwinkel: Links im Gerichtssaal in Bochum, rechts als Vorstandschef der Post und mit einer Mütze der Pakettochter DHL.

Der doppelte Klaus Zumwinkel: Links im Gerichtssaal in Bochum, rechts als Vorstandschef der Post und mit einer Mütze der Pakettochter DHL.

Von Tobias Dorfer

Erst einmal gilt: Mit dem Urteilsspruch von Bochum ist die juristische Schuld von Klaus Zumwinkel abgegolten. Bliebe noch der Aspekt der Moral, der in solchen Fällen noch viel schwerer wirkt, da es sich bei dem Verurteilten um ein Mitglied der Managerkaste handelt - einer Spezies, die momentan durchweg einen eher zweifelhaften Ruf genießt. So stellt sich die Frage: Darf ein Mensch, der sich unredlich verhalten und somit als Vorbild versagt hat, darf dieser Mensch wieder Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen?

Zumwinkel wäre nicht der erste prominente Kopf, der mit dem Gesetz in Konflikt kam oder seinen Ruf verspielte und hernach eine grandiose Auferstehung feierte. Zur Erinnerung: Vor nicht einmal acht Jahren musste ein gewisser Christoph Daum als Fußballtrainer von Bayer Leverkusen zurücktreten, weil ihm Drogenkonsum nachgewiesen wurde. Auch wenn das spätere Verfahren wegen Erwerbs und Anstiftung zum Handel mit Kokain eingestellt wurde: Daum blieb gebrandmarkt. Zunächst. Heute feiert er als Erstligatrainer mit dem 1. FC Köln wieder Erfolge.

Zurücktreten musste auch Otto Graf Lambsdorff. Die Flick-Affäre kostete den FDP-Politiker im Jahr 1984 sein Amt als Bundeswirtschaftsminister. 1987 wurde Lambsdorff wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt - nur wenige Monate später wählte ihn seine Partei zu ihrem Bundesvorsitzenden.

Oder Boris Becker, im Oktober 2002 wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 500.000 Euro verurteilt: Der ehemalige Tennisstar sitzt heute im Wirtschaftsbeirat des FC Bayern München und in der Führung der "Laureus Sport for Good"-Stiftung. Die Schlüsselstellen von Politik, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft sind voll von Menschen, die schwarze Flecken in ihrer Biographie haben.

Die Tatsache, dass jene Personen ihr Comeback geschafft haben, ist einem gewissen Pragmatismus geschuldet. Kompetenz, Fachwissen und Erfolge sind oft ein schwereres Gewicht in der Wagschale als eine zweifelhafte Vergangenheit - auch und gerade in der Wirtschafts- und Finanzwelt, zumal in Krisenzeiten. US-Präsident Barack Obama hält an seinem Finanzminister Timothy Geithner fest, obwohl dieser zwischen 2001 und 2004 "versehentlich" 34.000 Dollar Steuern zu wenig zahlte.

Öffentliches Schuldbekenntnis

Und auch der ehemalige Infineon-Vorstand Andreas von Zitzewitz, Ende 2006 wegen Annahme von Schmiergeldern verurteilt, hat längst den Weg in die Schaltstellen der deutschen Wirtschaft gefunden. Seit Januar ist er zurück in vorderster Reihe - als Vorstand für Produktion, Einkauf und Logistik beim Solarunternehmen Conergy, einem TecDax-Konzern.

Beide, Geithner und Zitzewitz, eint - bei allen Unterschieden ihrer Biographien - eines: Erstens sind sie in ihren Fachgebieten kompetent. Sonst hätten sie diese verantwortungsvollen Positionen nicht offeriert bekommen. Zweitens haben sie ihre Fehler öffentlich eingestanden und bereut.

All dies gilt auch für Klaus Zumwinkel. Als ehemaliger Senior Partner der Unternehmensberatung Mc Kinsey und als langjähriger Vorstandschef der Deutschen Post lässt sich die fachliche Kompetenz von Dr. rer. pol. Klaus Zumwinkel nicht bestreiten. Dazu hat er während der beiden Verhandlungstage in Bochum deutlich gemacht, dass er seine Tat bereut. Die menschliche Geschichte ist voll von Schuld und Fehlern - aber auch von Reue und Wiedergutmachung. Die Chance hierzu sollte die Gesellschaft jedem Menschen geben. Auch wenn er Klaus Zumwinkel heißt.

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