Nach der Wiederverstaatlichung der Bundesdruckerei kippt in Deutschland zunehmend die Stimmung: Privatisierungen haben ihren Nimbus als Universallösung für staatliche Probleme verloren, der ihnen in der Vergangenheit oft anhaftete. Experten sehen den Verkauf von Staatsfirmen teilweise als gescheitert an.
"Die große Zeit der Euphorie ist vorbei", sagt Andreas Musil, Professor für öffentliches Recht an der Universität Potsdam. "In vielen Bereichen ist der Kontrollverlust nach einer Privatisierung unterschätzt worden", sagt Musil.
"Ein riskantes Finanzierungsmodell"
Sogar liberale Politiker denken um: Jürgen Koppelin, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, nannte den Rückkauf "das Eingeständnis eines teuren Fehlers" und kritisierte die Privatisierung sogar grundsätzlich: Die Bundesregierung habe "ein riskantes Finanzierungsmodell" bevorzugt. Warnungen vor einem Verkauf seien nicht gehört worden.
Die Bundesdruckerei, unter anderem Hersteller deutscher Führerscheine und Reisepässe, war im Jahr 2000 für eine Milliarde Euro an den britischen Finanzinvestor Apax verkauft worden. Zwei Jahre später gaben die Briten das hochverschuldete Unternehmen wieder ab. Seither wurde es von einem Treuhänder verwaltet und gilt mittlerweile als saniert. Der jetzige Rückkaufpreis soll zwischen 800 und 850 Millionen Euro liegen - also deutlich unter dem Verkaufspreis. Somit macht der Bund ein gutes Geschäft.
Bemerkenswert sind vor allem die Gründe des plötzlichen Rückkaufs: Nach mehreren Datenschutzskandalen wolle man verhindern, dass sensible Passdaten in falsche Hände gelangen, sagte Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion.
Privatisierungs-Boom in Deutschland
Damit verabschiedet sich die deutsche Politik von dem Motto "Privat vor Staat", unter dem in den vergangenen 20 Jahren viele ehemalige Staatsbetriebe komplett oder teilweise privatisiert worden sind. Die Deutsche Post, die Telekom und die Lufthansa zählen zu den bekanntesten Staatsverkäufen. Die Regierung hatte sich davon mehr Wettbewerb, sinkende Kosten und effizientere Strukturen versprochen.
Im Fall der Post haben die Bürger nun weniger Filialen und Briefkästen zur Verfügung. "Auch das Logistikgeschäft in den USA bringt deutschen Postkunden gar nichts", sagt zum Beispiel Privatisierungsexperte Musil.
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Selbst bei der Telekom hat der schrittweise Rückzug bei vielen einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Im Jahr 1996 leitete eine teure Werbekampagne mit dem beliebten Tatort-Kommissar Manfred Krug den Börsengang des Staatsbetriebs ein. In mehreren Etappen erlöste das Unternehmen bis zum Jahr 2000 mehr als 30 Milliarden Euro aus dem Gang an die Börse. Für Privatanleger, denen die "T-Aktien" als sichere Anlage angepriesen worden waren, hat sich der Kauf nicht rentiert. Seit Mitte 2000 ging es mit dem Kurs in den Keller, er fiel von knapp 90 Euro auf derzeit etwas über elf Euro.
Infrastruktur in Gefahr
Der Rückkauf der Bundesdruckerei kommt zu einer Zeit, in der der Börsengang eines anderen Staatskonzerns seine Endphase erreicht. Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn wird der größte deutsche Börsengang seit langer Zeit. Trotz Krisenstimmung an den Aktienmärkten will Konzernchef Hartmut Mehdorn noch Ende Oktober 24,9 Prozent der neu geschaffenen Verkehrssparte DB Mobility Logistics (DB ML) an die Börse bringen. In der DB ML sind Personen- und Güterverkehr sowie Dienstleistungen zusammengefasst. Die Infrastruktur, also Schienennetz, Bahnhöfe, Energieversorgung, bleibt zu 100 Prozent beim Staat.
Das entspricht nicht Mehdorns ursprünglichen Vorstellungen: Jahrelang hatte er sich dafür eingesetzt, die Bahn gemeinsam mit dem Schienennetz an die Börse zu bringen. Doch die Politik schob dem Vorhaben einen Riegel vor. Mit guten Halbjahreszahlen läutete Mehdorn im August die letzte Phase des abgespeckten Börsengangs ein. Wenn alles nach seinen Vorstellungen verläuft, ist die Teilprivatisierung im Jahr 2009 - in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes - längst abgeschlossen.
Mit einer aufwendigen Roadshow wirbt der Konzern derzeit weltweit um Investoren. Bis zu 85Prozent der Anteile sollen an institutionelle Investoren gehen, 15 Prozent an Privatanleger und ein Prozent an die Mitarbeiter. Staatsfonds aus Russland, Asien und dem arabischen Raum sollen Interesse bekundet haben.
"Der Staat darf nicht die Kontrolle über wichtige Infrastruktur verlieren."
Erst Telekom, dann Post, jetzt Bahn - wenn es nach Privatisierungs-Fachleuten geht, muss der Staat privaten Investoren besser auf die Finger schauen. "Noch immer befinden sich viele Privatisierungen in der Erprobungsphase", sagt Wolfgang Durner, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn. Kollege Musil aus Potsdam ergänzt: "Der Staat darf nicht die Kontrolle über wichtige Infrastruktur verlieren." Er sieht auch die Teilprivatisierung der Bahn kritisch. "Ich befürchte, dass sich die Bahn aus der Fläche zurückzieht, Strecken wegfallen und die Fahrtkosten steigen."
Privatisierungen von Teilen der Bundeswehr, der Flugsicherung sowie von Gefängnissen lehnen Experten rundweg ab: "Im Bereich der Sicherheit darf es keine Eingriffe in die staatliche Hoheit geben", sagt Durner.