Privatisierung in Deutschland:Lieber Staat als privat

Lesezeit: 3 min

Post, Telekom und bald die Bahn - der Fehlschlag bei der Bundesdruckerei weckt Zweifel daran, ob Investoren wirklich besser wirtschaften.

Jürgen Leidinger und Marc Steinhäuser

Nach der Wiederverstaatlichung der Bundesdruckerei kippt in Deutschland zunehmend die Stimmung: Privatisierungen haben ihren Nimbus als Universallösung für staatliche Probleme verloren, der ihnen in der Vergangenheit oft anhaftete. Experten sehen den Verkauf von Staatsfirmen teilweise als gescheitert an.

Privatisierung in Deutschland: Die Bundesdruckerei soll wieder zum Bund gehören - Privatisierung scheint out zu sein.

Die Bundesdruckerei soll wieder zum Bund gehören - Privatisierung scheint out zu sein.

(Foto: Foto: afp)

"Die große Zeit der Euphorie ist vorbei", sagt Andreas Musil, Professor für öffentliches Recht an der Universität Potsdam. "In vielen Bereichen ist der Kontrollverlust nach einer Privatisierung unterschätzt worden", sagt Musil.

"Ein riskantes Finanzierungsmodell"

Sogar liberale Politiker denken um: Jürgen Koppelin, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, nannte den Rückkauf "das Eingeständnis eines teuren Fehlers" und kritisierte die Privatisierung sogar grundsätzlich: Die Bundesregierung habe "ein riskantes Finanzierungsmodell" bevorzugt. Warnungen vor einem Verkauf seien nicht gehört worden.

Die Bundesdruckerei, unter anderem Hersteller deutscher Führerscheine und Reisepässe, war im Jahr 2000 für eine Milliarde Euro an den britischen Finanzinvestor Apax verkauft worden. Zwei Jahre später gaben die Briten das hochverschuldete Unternehmen wieder ab. Seither wurde es von einem Treuhänder verwaltet und gilt mittlerweile als saniert. Der jetzige Rückkaufpreis soll zwischen 800 und 850 Millionen Euro liegen - also deutlich unter dem Verkaufspreis. Somit macht der Bund ein gutes Geschäft.

Bemerkenswert sind vor allem die Gründe des plötzlichen Rückkaufs: Nach mehreren Datenschutzskandalen wolle man verhindern, dass sensible Passdaten in falsche Hände gelangen, sagte Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion.

Privatisierungs-Boom in Deutschland

Damit verabschiedet sich die deutsche Politik von dem Motto "Privat vor Staat", unter dem in den vergangenen 20 Jahren viele ehemalige Staatsbetriebe komplett oder teilweise privatisiert worden sind. Die Deutsche Post, die Telekom und die Lufthansa zählen zu den bekanntesten Staatsverkäufen. Die Regierung hatte sich davon mehr Wettbewerb, sinkende Kosten und effizientere Strukturen versprochen.

Im Fall der Post haben die Bürger nun weniger Filialen und Briefkästen zur Verfügung. "Auch das Logistikgeschäft in den USA bringt deutschen Postkunden gar nichts", sagt zum Beispiel Privatisierungsexperte Musil.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Negativbeispiel der Telekom Zweifel an der Privatisierung der Bahn wächsen lässt.

Zur SZ-Startseite