Süddeutsche Zeitung

Privatisierung bei der Deutschen Bahn:Zugeständnisse an die Gewerkschaften

Um die Privatisierung einzelner Unternehmensbereiche der Deutschen Bahn noch in diesem Jahr zu ermöglichen, sind weitreichende Zugeständnisse für die Gewerkschaften vorgesehen. Diese verlangen Sicherheiten gegen eine spätere Zerschlagung des Konzerns.

Klaus Ott

Eigentlich sollten die neuesten Pläne für eine teilweise Privatisierung der Deutschen Bahn (DB) erst nach der Wahl in Hamburg am 24. Februar öffentlich diskutiert werden. Bis dahin wollte vor allem die SPD, der innerparteiliche Konflikte drohen, Ruhe haben. Doch die Vorbereitungen für das Vorhaben laufen längst, immer mehr Details sickern durch. Anfang Februar traf sich das Präsidium des Aufsichtsrats der Bahn mit Konzernchef Hartmut Mehdorn, um die Suche nach Investoren zu erörtern. Mit dabei: Norbert Hansen, Vorsitzender der Bahngewerkschaft Transnet und Vizechef des Aufsichtsrats.

Ein paar Tage später informierte Hansen den Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes in groben Zügen über die neuen Pläne. Im DGB ist die Absicht der Bundesregierung und der Bahnspitze, Teile des Unternehmens teilweise zu privatisieren, ebenso umstritten wie in der SPD. Hansen und große Teile der Transnet sind prinzipiell einverstanden, die IG Metall und Verdi sind dagegen. Am kommenden Montag, dem 11. Februar, berät Hansen mit dem Bundesvorstand der Transnet das weitere Vorgehen.

Die Transnet, die größte der drei Bahngewerkschaften, fürchtet ebenso wie die Partnerorganisation GDBA eine spätere Zerschlagung der Bahn in mehrere Unternehmen. Das würde die Transnet und die GDBA, in denen der größte Teil der 230000 Bahn-Beschäftigten organisiert ist, vermutlich schwächen. Hansen warnt seit langem davor, dass ausgegliederte, vollständig privatisierte Unternehmen dann versuchten, beim Personal zu sparen. Auch wäre nach Ansicht der Bahngewerkschaften der aktuelle Tarifvertrag gefährdet, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt.

"Signal für die SPD"

Um die Transnet als Verbündeten zu behalten, wollen Bundesregierung und Bahnvorstand den Bahngewerkschaften entgegenkommen. Verschiedene Maßnahmen sollen sicherstellen, dass der Konzern auf Dauer erhalten bleibt. Das soll nicht nur den Bahngewerkschaften, sondern auch der SPD die Zustimmung zu den Privatisierungsplänen erleichtern. Springt die den Sozialdemokraten nahestehende Transnet ab, dann ist das Vorhaben auch in der SPD nicht mehr durchsetzbar.

"Wenn die Bahngewerkschaften zustimmen, dann ist das für die SPD ein Signal, da kann man mitmachen", sagt Georg Brunnhuber, Bundestagsabgeordneter der CDU und Aufsichtsrat bei der Bahn. Brunnhuber hofft, dass bis zum Herbst die ersten Investoren bei der Bahn einsteigen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie die Bahn-Gewerkschaften auf die Privatisierungspläne reagieren.

Ob die vorgesehenen Maßnahmen von Bund und Bahn ausreichen, die den Konzernverbund sichern sollen, wird in den Gewerkschaftsspitzen bereits diskutiert. So soll im einem Vertrag zwischen der Bahn und den Bahngewerkschaften festgeschrieben werden, wie weit das Unternehmen maximal privatisiert werden darf.

Vorgesehen ist, dass die Sparten Personenverkehr, Gütertransport und Logistik innerhalb der bestehenden DB AG in einer neuen Holding zusammengefasst werden. An dieser Holding sollen sich private Investoren mit maximal 49,9 Prozent beteiligen, Mehrheitseigner bliebe die Muttergesellschaft DB AG mit mindestens 50,1 Prozent. Einziger Gesellschafter der DB AG soll weiterhin der Bund, also der Staat sein.

Die DB AG soll sich in dem geplanten Vertrag mit den Bahngewerkschaften verpflichten, stets die Mehrheit an der neuen Holding zu halten, die den Nahverkehr (Busse, S-Bahnen, Regionalzüge), den Fernverkehr (IC, EC, ICE), die Gütertransporte und die Logistiksparte umfasst. "Das müssen wir uns genau anschauen", sagen Spitzenfunktionäre von Transnet und GDBA.

Man wolle wissen, wie lange dieser Vertrag laufen solle und ob die DB AG ihn einseitig kündigen könne. Grundsätzlich seien solche "Absicherungen" für die Gewerkschaften positiv, nun komme es auf die Details an. Das gelte auch für eine weitere Maßnahme, heißt es bei Transnet und GDBA.

In der DB AG soll in einer neuen Satzung ein "integrierter Betrieb" der verschiedenen Konzernteile verankert werden. Die Pläne sehen vor, dass die Schienenstrecken und die Bahnhöfe bei der DB AG und damit vollständig im Eigentum des Staates bleiben; im Gegensatz zu der dann teilweise privatisierten Holding für Personen- und Güterverkehr sowie Logistik.

Eine Spaltung in zwei Konzernteile, die später vollständig getrennt werden könnten, soll mit der Satzung verhindert werden. Die Gewerkschaften wollen nun durchsetzen, dass diese Satzung keinesfalls gegen die Stimmen der Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat geändert oder gar aufgehoben werden kann. Nur dann sei der "integrierte Betrieb" gesichert, sagen Gewerkschaftsfunktionäre. Von ihnen hängt es ab, ob das letzte große Staatsunternehmen in Deutschland bald für privates Kapital offensteht.

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