Privatinsolvenz:Schneller schuldenfrei

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Die EU will die Laufzeit von Privatinsolvenzen auf drei Jahre verkürzen. In Deutschland könnten Schuldner schon bald davon profitieren. Bislang galt eine Frist von sechs Jahren, bis Betroffenen ihre Restschuld erlassen werden konnte.

Von Veronika Wulf, München

Als Schuldner lebt es sich in Großbritannien besser als in Deutschland. Nicht etwa, weil das Leben dort günstiger wäre (ist es nicht) oder die Geldeintreiber netter (sind sie wahrscheinlich auch nicht), sondern aus einem noch pragmatischeren Grund: Wer Privatinsolvenz anmeldet, bekommt dort in aller Regel bereits nach einem Jahr seine restlichen Schulden erlassen. In Deutschland dauert das meistens fünf bis sechs Jahre.

Doch bald könnte es auch in Deutschland schneller gehen. Denn Europäisches Parlament, Rat und Kommission haben sich in einem sogenannten Trilogverfahren geeinigt, die Laufzeit von Privatinsolvenzen auf drei Jahre zu begrenzen. Und die Regelung könnte schon bald auf deutsches Recht übertragen werden.

Wer so hohe Schulden gemacht hat, dass er zahlungsunfähig ist und aus eigener Kraft nicht mehr rauskommt aus der Kreide, kann Privatinsolvenz anmelden. Jedes Jahr machen Zehntausende Menschen in Deutschland von dieser Regelung, die es seit 1999 gibt, Gebrauch. Die Zahl sinkt zwar seit Jahren, doch 2017 waren es immer noch 94 000 Personen nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel.

Der Vorteil an der Privatinsolvenz: Nach spätestens sechs Jahren ist man schuldenfrei. Der Nachteil: Dafür muss man die sogenannte Wohlverhaltensphase durchhalten, sprich den Teil seines Einkommens, der über das Existenzminimum hinausgeht, abgeben - sofern es ein Einkommen gibt. Außerdem prüft ein Insolvenzverwalter den gesamten Besitz auf seinen Wert - alles, was nicht lebensnotwendig ist, wird gepfändet. Sollte nach sechs Jahren noch eine Restschuld bleiben, wird sie erlassen. Wenn der Schuldner es schafft, die Verfahrenskosten zu zahlen, geschieht der Schuldenschnitt bereits nach fünf Jahren. Doch sowohl fünf als auch sechs Jahre sind eine lange Zeit, die für die Betroffenen psychisch sehr belastend sein kann. Damit Schuldner "früher eine zweite Chance" bekommen, wie der damalige Justizminister Heiko Maas beteuerte, wurde die Regelung zum 1. Juli 2014 geändert: Wer bereits 35 Prozent seiner Schulden sowie die Gerichtsverfahren und den Insolvenzverwalter bezahlen kann, bekommt die restlichen Forderungen bereits nach drei Jahren erlassen. Nur: Das schafften deutlich weniger als zwei Prozent, wie eine Evaluierung des Bundesjustizministeriums für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2017 ergeben hat. Schuldnerberater und Verbraucherschützer kritisieren die Regelung, seit langem. Denn die Verfahrenskosten kommen zu den 35 Prozent hinzu. Tatsächlich müssten Schuldner also 60 bis 70 Prozent der Gläubigerforderungen zahlen, um auf die vorgegebenen 35 Prozent zu kommen, sagt Kai Henning, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung des Deutschen Anwaltvereins.

Nach Beschluss der EU soll die sogenannte Restschuld grundsätzlich bereits nach drei Jahren verfallen - ohne dass der Schuldner eine bestimmte Quote der Forderungen getilgt haben muss. Eine Sprecherin des Justizministeriums weist jedoch darauf hin, dass der Schuldenschnitt an andere Vorgaben geknüpft werden könne, etwa an die Deckung der Verfahrenskosten.

Die Arbeitsgemeinschaft begrüßt die Entscheidung auf EU-Ebene und hofft, dass sie bald in deutsches Recht umgesetzt wird. "Eine Verkürzung der Laufzeit kann - vor allem bei den Gerichten - Zeit und Kosten in Millionenhöhe einsparen", heißt es in einer Mitteilung. Zudem erleichtere die Drei-Jahres-Regelung "die wirtschaftliche Resozialisierung überschuldeter Privatpersonen".

Im Juni wird voraussichtlich die gesetzliche Regelung des EU-Parlaments vorliegen. Dann haben die Mitgliedsländer bis zu drei Jahre Zeit, sie national umzusetzen. Einen konkreten Zeitplan könne man noch nicht nennen, heißt es aus dem Justizministerium. Die Arbeitsgemeinschaft des Anwaltsvereins geht davon aus, dass Justizministerin Katarina Barley (SPD) bereits beim Deutschen Insolvenzrechtstag im April "erste Vorschläge zur Anpassung" der deutschen Regelungen vorstellen werde. Das habe ein Vertreter ihres Ministeriums durchblicken lassen.

Es könnte sich also künftig kaum noch lohnen, für eine Privatinsolvenz nach England auszuwandern - ganz abgesehen von unvorhersehbaren Folgen des Brexit.

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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