Süddeutsche Zeitung

Privatfernsehen:Ärger mit dem Neuen

Seit Max Conze im vergangenen Sommer die Führung bei Pro Sieben Sat 1 übernommen hat, gab es einen Exodus von Vorstandsmitgliedern. Wird er so die Wende schaffen?

Von Caspar Busse

Um einen lockeren Spruch ist Max Conze, 49, selten verlegen. "Wir müssen wie die Wahnsinnigen in die Zukunft springen", sagte der seit Sommer 2018 amtierende Vorstandsvorsitzende des Münchner Fernsehunternehmens Pro Sieben Sat 1 etwa Ende November. Doch wie soll das genau geschehen, das fragen sich viele im Unternehmen mittlerweile.

Wenn es nach Conze geht, vor allem mit neuem Führungspersonal. Seit er die Führung bei Pro Sieben Sat 1 übernommen hat, gab es im Vorstand des ehemaligen Dax-30-Unternehmens einen ziemlichen Exodus. Bis auf Conrad Albert sind oder werden alle Vorstände ausscheiden. An diesem Dienstag verkündeten Sabine Eckhardt, die für Vermarktung zuständig ist, und Finanzmann Jan Kemper ihren Abschied, und zwar "in bestem gegenseitigem Einvernehmen", wie das Unternehmen mitteilte. Aber ist das auch so? Im Unternehmen ist die Unruhe jedenfalls groß.

Die Unzufriedenheit mit Conze, der gerade den gesamten Vorstand in ein Großraumbüro umziehen ließ, wachse, berichten viele aus der Firma. "Die Situation ist ziemlich verfahren", sagt einer. Schon zuvor hatten sich die Vorstände Christof Wahl und Produktionsmann Jan Frouman verabschiedet. Schon vor dem Abgang von Conzes Vorgänger Thomas Ebeling hatte es Veränderungen im Vorstand gegeben, unter anderem verließ Gunnar Wiedenfels das Unternehmen und wurde Finanzvorstand beim US-Medienkonzern Discovery. Es sind also sehr unruhige Zeiten.

Noch im Mai vergangenen Jahres hatte Werner Brandt, der Vorsitzende des Aufsichtsrats, die Berufung Conzes gerechtfertigt, obwohl dieser vom Staubsaugerhersteller Dyson kommt und bislang nicht mit dem Mediengeschäft vertraut war. "Es gehörte Mut dazu, jemanden von außerhalb der Medienbranche zu holen, aber den Mut hatten wir", sagte Brandt damals der Süddeutschen Zeitung. Und er fügte an: "Wir können einen Generalisten reinholen, weil wir einen guten und funktionierenden Vorstand haben." Von diesem Vorstand ist jetzt aber kaum noch etwas übrig. Kritiker bemängeln, dass nun die Erfahrung im schwierigen Mediengeschäft fehle.

Neuer Finanzvorstand soll Rainer Beaujean werden, auch er branchenfremd, er arbeitet bislang beim Verpackungshersteller Gerresheimer. Die Aufgaben von Eckhardt soll Michaela Tod übernehmen, sie kommt wie Conze von Dyson und wird nicht Mitglied des Vorstands sein. Eckhardt arbeitet seit 15 Jahren für Pro Sieben Sat 1 und hat ein großes Netzwerk, die Vermarktung ist einer der wichtigen Bereiche, zumal die Werbekonjunktur schwankungsanfällig ist. Werbekunden waren im vergangenen Jahr durch Aussagen von Conzes Vorgänger Ebeling verstört worden. Der hatte damals über die Zuschauer der Fernsehsender gesagt, diese seien "ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm".

Netflix und Amazon Prime drängen massiv in das Geschäft der TV-Sender

"Wir haben einen Mangel an Glaubwürdigkeit", sagte - auch deshalb - Conze Ende vergangenen Jahres. Sender wie Pro Sieben, Sat 1 oder Kabel 1 seien "vernachlässigt und unterfinanziert" und müssten nun mit viel Aufwand "neu aufgeladen" werden. Das Ganze spielt sich zudem vor einer unklaren Zukunft des linearen Fernsehens ab. Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime haben immer mehr Zulauf, gerade bei jüngeren Zuschauern. Die herkömmlichen Fernsehsender, noch dazu die, die sich wie Pro Sieben besonders auf jüngere Leute konzentrieren, geraten damit immer stärker unter Druck. Auch Conze will nun in Streamingdienste und in eine neue Plattform investieren. Es ist dabei aber offen, ob diese gegen Netflix auch ankommt. Die Amerikaner haben inzwischen fast 140 Millionen zahlende Kunden weltweit und investieren massiv in Inhalte, auch in Deutschland.

Noch unter Ebelings Führung wurde Pro Sieben Sat 1 in drei große Bereiche aufgeteilt: P7S1 Entertainment, wozu auch die Sender des Unternehmen gehören, der Produktionsbereich Red Arrow Studios und die Onlineaktivitäten, die in der Nu-Com Group zusammengefasst sind. Alle Bereiche erhalten jetzt zwei Chefs, die direkt an Conze berichten. An Nu-Com, dazu gehört beispielsweise die Partnerschaftsvermittlung Parship-Elite, das Vergleichsportal Verivox oder der Liebesspielzeughändler Amorelie, ist bereits ein Investor beteiligt: General Atlantic hält inzwischen 28 Prozent. Das Unternehmen war beim Einstieg auf einen Wert von etwa zwei Milliarden Euro geschätzt worden. Der gesamte Konzern ist an der Börse aktuell derzeit noch 3,6 Milliarden Euro wert. Der Aktienkurs liegt jetzt bei nur noch gut 15 Euro, vor einem Jahr war es noch das Doppelte. Die angepeilte Rückkehr in den Dax-30 ist so nicht zu schaffen.

Pro Sieben Sat 1, so befürchten Insider, könnte damit sogar ins Visier von sogenannten aktivistischen Investoren geraten, solchen also, die einsteigen, dann auf eine Zerschlagung drängen und sich am Ende mit einem Gewinn wieder verabschieden. So war es zuletzt etwa dem Stahl- und Technologieunternehmen Thyssenkrupp ergangen. Auf Pro Sieben Sat 1 könnte weitere Unruhe zukommen. Auf der nächsten Hauptversammlung im Juni steht auch noch die Neuwahl des Aufsichtsrats an. Im vergangenen Jahr hieß es, Chefaufseher Brandt, der lange SAP-Finanzvorstand war, wolle wieder antreten.

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SZ vom 21.02.2019
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