Matthias Westerholt war Pflegevater, mittlerweile ist er Adoptivvater. Und er ist Fachanwalt für Familienrecht. Mit Recht und Gesetz kennt er sich also aus. Bei der Krankenversicherung seiner Kinder lag er trotzdem anfänglich falsch. Denn hier gibt es Unterschiede zu leiblichen Kindern, die aber vielen Experten nicht geläufig sind.
Bei Familien scheint die Sache einfach: Sind beide Eltern gesetzlich krankenversichert, also Mitglied in der GKV, kann ein Elternteil das Kind kostenlos mitversichern. Sind dagegen beide Eltern Kunden einer privaten Krankenversicherung, kurz: PKV, fällt die Wahl für den Nachwuchs meist automatisch auf einen privaten Tarif.
Wenn die Eltern aber nicht im selben System sind, wird es kompliziert. Sind die Eltern verheiratet, gilt die Faustregel: Der Nachwuchs ist bei dem Elternteil mit dem höheren Einkommen mitversichert. Wenn der oder die Besserverdienende gesetzlich versichert ist, haben die Eltern aber die Wahl: Der gesetzlich krankenversicherte Partner kann den Nachwuchs kostenlos in die Familienversicherung aufnehmen. Alternativ kann ein Elternteil bei der PKV-Gesellschaft eine sogenannte Kindernachversicherung beantragen, das ist ein eigener Tarif für den Nachwuchs.
Sind die Eltern nicht verheiratet, können sie entscheiden, ob das Kind bei einem Elternteil in der GKV familienversichert wird oder ob der andere Elternteil eine Versicherung bei seinem PKV-Unternehmen abschließt.
Bei Pflegekindern wird es noch komplizierter
Soweit die ohnehin nicht einfachen Regeln für Familien. Für Kinder in Pflegefamilien wird es noch deutlich komplizierter. Das betrifft rund 87 000 Kinder, die dem Statistischen Bundesamt zufolge nicht in ihrer leiblichen Familie, sondern in einer Pflegefamilie leben, viele von ihnen dauerhaft. Manche sind weiterhin über ihre leiblichen Eltern krankenversichert, andere über die aufnehmende Familie.
Bei Westerholt übernahm die Pflegefamilie die Versicherung, also er und seine Frau. Als Selbständiger ist er privat krankenversichert. Als sein Einkommen über die für die gesetzliche Krankenversicherung geltende Beitragsbemessungsgrenze stieg, versicherte er seine Pflegekinder freiwillig und kostenpflichtig weiter in der gesetzlichen Krankenversicherung. Er nahm an, dass dies gesetzlich erforderlich sei.
Sie waren bis dahin über seine gesetzlich versicherte Frau familienversichert. Doch ist bei einem verheirateten Elternpaar einer der beiden privat versichert und liegt beim Verdienst über der Beitragsbemessungsgrenze, können die Kinder nicht mehr beitragsfrei mitversichert werden, sondern nur kostenpflichtig privat oder gesetzlich – so lautet die im Sozialgesetzbuch formulierte Regel.
Das gilt allerdings nur, wenn der besserverdienende, privat versicherte Elternteil mit den Kindern verwandt ist. Auf Pflegekinder trifft das nicht zu. Somit können sie beitragsfrei in der gesetzlichen Familienversicherung bleiben. Das bestätigt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. „Grund hierfür ist, dass die vorgenannte gesetzliche Regelung nach ihrem Wortlaut ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und dem privat krankenversicherten Elternteil voraussetzt, woran es bei Pflegeeltern fehlt“, erklärt eine Sprecherin.
Beratungsstellen kennen sich mitunter nicht mit allen Aspekten aus
Beraten wurden Westerholt und seine Frau dazu nicht. „Der Fehler liegt im System“, kritisiert er. Beratungsstellen kennen sich mit diesem Aspekt bei der Aufnahme von Pflegekindern oft nicht aus.
In vielen Fällen lautet die Auskunft, dass die Krankenversicherung von Pflegekindern wie die von leiblichen Kindern funktioniert. Eine weitere, damit verbundene Information, die unter Pflegeeltern kursiert, lautet, dass dieser Zwang zur privaten Kinderkrankenversicherung für Pflegeeltern, anders als für leibliche, keine zusätzliche finanzielle Belastung bedeutet. Denn das Jugendamt müsse diese Kosten, wie alle übrigen Kosten, übernehmen.
Auch hier warnt Westerholt aber vor falschen Annahmen. Im Sozialgesetzbuch steht nämlich tatsächlich Folgendes: „Das Jugendamt kann in geeigneten Fällen die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung übernehmen, soweit sie angemessen sind.“ Wer sein Kind also privat versichert, obwohl die gesetzliche Mitversicherung möglich ist, weil er sich davon etwa eine bessere Behandlung erhofft oder es einfach nicht besser weiß, der muss damit rechnen, die Kosten selbst tragen zu müssen.
Gleiches gilt übrigens auch bei anderen Gesundheitskosten: Zuzahlungen bei notwendigen Behandlungen muss das Jugendamt übernehmen. Die Kosten für die sogenannten IGEL-Leistungen, die Krankenkassen nicht übernehmen, müssen auch die Jugendämter nicht erstatten. Für Pflegeeltern empfiehlt sich deshalb immer eine Rücksprache mit der eigenen Krankenversicherung.
Die Position der Kinder ändert sich allerdings in dem Moment, in dem der Adoptionsprozess läuft und die leiblichen Eltern der Adoption zugestimmt haben: Dann sind sie leiblichen Kindern gleichgestellt, und es gelten die Regelungen der Kinderkrankenversicherung.