Private Krankenversicherung:Arme Privatpatienten

Zwei Milliarden aus Gesundheitsfonds für Bundeshaushalt

Die privaten Kassen müssen zum dritten Mal in Folge einen Rückgang in ihrem Kerngeschäft hinnehmen. Die Zahl der Vollversicherten sinkt.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Immer mehr Versicherte landen in Sozialtarifen. Kunden müssen zudem mit steigenden Beiträgen rechnen.

Von Ilse Schlingensiepen, Berlin

Die privaten Krankenversicherer (PKV) haben immer mehr Kunden, die Schwierigkeiten haben, ihre Beiträge zu bezahlen. Ende 2014 waren 114 700 Menschen in dem Notlagentarif versichert, den alle Unternehmen anbieten müssen. Das waren 22,5 Prozent mehr als 2013.

Die Hoffnungen der Branche, der Tarif sei nur ein vorübergehendes Phänomen oder werde kaum in Anspruch genommen, scheinen sich damit nicht zu erfüllen. Das ist nicht gut für die PKV, denn ihr Geschäftsmodell ist auf eine hohe Zahl von Versicherten in finanziellen Schwierigkeiten eigentlich nicht ausgelegt.

Der Notlagentarif war im August 2013 gesetzlich eingeführt worden. In ihn wechseln privat voll versicherte Kunden automatisch, wenn sie ihre Beiträge trotz zweifacher Mahnung nicht bezahlt haben. Zuvor hatten solche Versicherte schnell hohe Beitragsschulden angesammelt und kaum Aussicht, sie jemals abzubauen.

Das ist im Notlagentarif anders. Versicherte haben dort nur einen eingeschränkten Versicherungsschutz, der ursprüngliche Vertrag ruht. Dafür zahlen sie auch nur einen Beitrag von etwa 100 Euro. Die Entlastung soll dazu führen, dass sie ihre angehäuften Beitragsschulden zahlen können. Gelingt ihnen das, kehren sie automatisch in den Normaltarif zurück.

Auch in zwei weiteren "Sozialtarifen", dem Standard- und dem Basistarif, hat die Zahl der Versicherten im vergangenen Jahr zugenommen. Insgesamt waren in den Tarifen, die eigentlich nicht zur Systematik der PKV passen, 188 900 Personen versichert - das waren immerhin 2,1 Prozent aller Vollversicherten.

Diese sind das zentrale Geschäftsfeld der Branche. Im dritten Jahr in Folge müssen die privaten Versicherer darin einen Rückgang hinnehmen. 2014 sank die Zahl der Vollversicherten um 0,6 Prozent auf 8,8 Millionen. Damit hatte die PKV im Verhältnis zur gesetzlichen Krankenversicherung einen Marktanteil von 11,1 Prozent.

Versicherte müssen sich in Zukunft auf deutliche Beitragssteigerungen einstellen

Uwe Laue, Vorsitzender des PKV-Verbands und Vorstandschef des Marktführers Debeka, sieht in der Entwicklung keinen anhaltenden Trend, sondern die Auswirkung einzelner Effekte. Dazu zählt er die Tatsache, dass die meisten PKV-Unternehmen die Billigtarife vom Markt genommen haben. Außerdem erschwert der kontinuierliche Anstieg der Versicherungspflichtgrenze Angestellten den Wechsel von der gesetzlichen Krankenkasse in die PKV. Dennoch darf die Branche der Entwicklung nicht tatenlos zusehen, weiß Laue. "Wir müssen am System arbeiten", sagte er auf der PKV-Jahrestagung.

Gedanken müssen sich die Versicherer auch über die Effekte der Niedrigzinsphase machen. Sie wird nach einigen Jahren moderater Preisanpassungen dazu beitragen, dass viele Anbieter ihre Kunden Ende 2015 oder Ende 2016 mit sehr heftigen Prämienerhöhungen konfrontieren werden. Das dürfte im nächsten Bundestagswahlkampf zu verstärkter Kritik in der Öffentlichkeit und der Politik führen. Starke Beitragssteigerungen sind Wind in den Segeln der Anhänger einer Bürgerversicherung, die langfristig das Ende der PKV in ihrer jetzigen Form bedeuten würde.

Seit langem versuchen Vertreter der Branche deshalb, für die Vorteile des dualen Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu werben. Aktuell hat es sich die PKV zur Aufgabe gemacht, zu einer besseren Qualität der Versorgung von Patienten aus beiden Lagern - gesetzlich und privat - beizutragen. Laue kündigte auf der Jahrestagung die Gründung einer "Stiftung Gesundheitswissen" durch die Branche an. "Aufgabe der Stiftung ist vor allem die Entwicklung und Bereitstellung von laienverständlichen Patienteninformationen, die auf international anerkannten wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitet werden", erläuterte er.

Auch in die Weiterentwicklung des sogenannten Pflege-TÜV zur Bewertung von Pflegeheimen und in die geplante Gründung eines Instituts für Pflegequalität wollen sich die privaten Krankenversicherer einbringen. Hier soll nach ihren Vorstellungen der die 2009 von der PKV gegründete Stiftung "Zentrum für Qualität in der Pflege" eine tragende Rolle spielen.

Verbandschef Laue machte auf der Tagung dem Pflegebevollmächtigen der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU), konkrete Angebote. Der aber blieb zurückhaltend und wollte sich nicht festlegen lassen. "Ich weiß, dass es in diesem Bereich sehr viel Wissen in der PKV gibt", sagte Laumann lediglich.

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