"Hi, ich bin Philipp", sagt Philipp Freise zur Begrüßung. Der 42 Jahre alte Investor, der jünger aussieht, empfängt im schönsten Büro von Pro Sieben Sat 1 in Unterföhring. Große Fenster vor einer Riesenterrasse und ein quadratischer Raum, dessen fast leere Bücherregale darauf hinweisen, dass hier entweder ein unbelesener Mensch am Werk ist oder jemand, der keine Zeit hat für Dinge, die nicht in Excel-Tabellen stehen. Eigentlich arbeitet hier Vorstandschef Thomas Ebeling. Der ist gerade nicht da, Freise darf das Zimmer nutzen.
Der Deutsche, der mit seiner amerikanischen Frau und den vier Kindern eigentlich in London lebt, ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Fernsehunternehmens. Er arbeitet im Hauptberuf für die amerikanische Beteiligungsgesellschaft KKR und ist für deren europäische Medien- und Technologiebeteiligungen zuständig. Dazu gehörte auch Pro Sieben Sat 1. KKR hat die einst angeschlagene Sendergruppe wieder fit gemacht und im vergangenen Jahr seine letzten Aktien mit Gewinn verkauft. Freise spricht von neuen Herausforderungen, die nun warten. Der kapitalismuskritische Volksmund würde sagen: Die Heuschrecke sucht neues Futter. Darum soll es in diesem Gespräch gehen. Den Ruf einer Branche, die viele fürchten. Und die Realität.
"Macht uns der Kapitalismus kaputt?", heißt der Themenschwerpunkt der Süddeutschen Zeitung. Menschen, die diese Frage mit Ja beantworten, können sich in der Regel auf ein Feindbild einigen: Investoren. Wobei viele lieber von "Finanzinvestoren" sprechen. Das ist zwar doppelt gemoppelt, schließlich gibt es keine Investoren, die gute Laune oder Küsschen investieren. Aber "Finanzinvestor" klingt extra gruselig. So wie Blutsaugervampir.
Müntefering und die Heuschrecken
Philipp Freise war bei McKinsey, hat am Neuen Markt spekuliert und ist nun beim Investor KKR.
(Foto: Florian Peljak)Folgt man dem Klischee, dann arbeitet Freise für die Mutter aller Heuschrecken. KKR - das steht für Kohlberg Kravis Roberts & Co. - ist die bekannteste Private-Equity-Firma der Welt. Die Gründer, Henry Kravis und sein Cousin George Roberts, haben das Geschäft der fremdfinanzierten Firmenübernahmen vor fast 40 Jahren etabliert und mit ihren milliardenschweren Fonds etliche der spektakulärsten Unternehmenskäufe abgewickelt. "Barbarians at the Gate" heißt der Bestseller über ihren ersten Megadeal: die Übernahmeschlacht um den einstigen Tabak-und Nahrungsmittelkonzern RJR Nabisco 1989. Etwa 25 Milliarden Dollar musste KKR hinlegen, um am Ende als Sieger dazustehen, eine zu der Zeit barbarisch hohe Summe.
In Deutschland hat der damalige SPD-Chef Franz Müntefering 2005 einen Begriff gefunden, der kleben geblieben ist: "Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten - sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter." In der Öffentlichkeit gilt eigentlich die Übereinkunft, dass es schäbig ist, Menschen als Ungeziefer zu bezeichnen. Aber erstens war gerade Wahlkampf, und zweitens ist, wer mehr Geld hat als der Durchschnitt, der deutschen Mehrheitsgesellschaft schon immer verdächtig gewesen.
Philipp Freise nimmt auf dem Sofa in der Büromitte Platz, während die Mitarbeiterinnen um ihn herumwuseln: "Kaffee oder Tee, Herr Freise? Balkontür auf oder lieber zu?" Der Sohn eines Hoteliers - groß, perfekt gewelltes Haar und randlose Brille - antwortet freundlich und mit tadellosen Manieren. Er hat das, was man in der Wirtschaft eine runde Vita nennt. An der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar studiert er BWL, der Internetunternehmer Oliver Samwer ist im Jahrgang unter ihm. Anschließend arbeitet Freise ein paar Jahre lang für die Beraterfirma McKinsey. Mit 26 Jahren, die New Economy hat gerade Flughöhe erreicht, gründet er mit Partnern Venturepark, einen Risikokapitalgeber für Start-ups. Als der Neue Markt zwei Jahre später zusammenbricht, muss auch Freise dichtmachen. Über alte McKinsey-Kontakte landet er 2001 bei KKR. Einige Kollegen habe er schon durch ein Beraterprojekt gekannt, sagt er, "hochkreative Typen". Und auf Expansionskurs.
Mehr als Kapital einbringen
Fürs Europageschäft brauchen die Amerikaner Mitarbeiter, die den Kontinent kennen. Im Londoner Büro ist Freise anfangs einer von zehn Leuten. Heute arbeiten 180 Experten für das Geschäft in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Weltweit ist die Firma in den vergangenen 15 Jahren von damals 44 auf heute mehr als tausend Mitarbeiter gewachsen. "Ich habe Glück gehabt, früh dabei gewesen zu sein", sagt Freise. Seit 2012 ist er "Member", so nennt die Firma ihre Partner. Über seine Vergütung spricht er nicht. Aber für Private-Equity-Firmen gilt, was auch für Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen gilt: Ab Partner lohnt es sich richtig.
An dem grünen Tee, den Freise bestellt, nippt er beim Gespräch nur zweimal. Er hat viel zu sagen. Das meiste hat mit dem Geschäftsmodell seines Arbeitgebers zu tun - und dem Vorwurf, dass es nur dessen eigenem Wohl dient. "Die Realität hat sich verändert", erklärt er. "Wir sind heute Partner der Unternehmen. Wir investieren dort, wo wir mehr als Kapital einbringen können." Zu Freises aktuellen Projekten zählt beispielsweise Arago aus Frankfurt am Main, eine Softwarefirma für künstliche Intelligenz, in die KKR im Herbst einen zweistelligen Millionenbetrag investiert hat. Oder die ebenfalls 2014 begonnene Partnerschaft mit dem Schweizer Medienkonzern Ringier, bei der die Amerikaner 49 Prozent von dessen Scout24-Gruppe, bekannt für digitale Kleinanzeigen für Autos und Immobilien, und der Vermarktungsfirma Omnimedia erworben haben.