Private Altersvorsorge:Lebenslang in der Rürup-Falle

Die Basisrente soll vor allem Selbständigen die private Altersvorsorge erleichtern. Stattdessen ist das staatlich geförderte Modell für viele Sparer ein Reinfall. Denn die Provisionen fressen einen großen Teil des angesparten Vermögens auf - und aus den Verträgen kommt man nie wieder heraus.

Andreas Jalsovec

Es war eine erfolgreiche Zeit damals für Norbert Hans (Name geändert). Von 2005 bis 2007 lief das Geschäft des selbständigen Architekten richtig gut: "Ich hatte einen Höhenflug und dachte, ab jetzt verdiene ich immer so viel." Für den heute 54-Jährigen war das Grund genug, sich nach einer privaten Altersvorsorge umzusehen. Ein Versicherungsvertreter verkaufte ihm eine Rürup-Rentenversicherung. Diese Policen - benannt nach ihrem Erfinder, dem Ex-Wirtschaftsweisen Bert Rürup - sind vor allem für Selbständige gedacht. Über Steuervorteile lässt sich damit staatlich gefördert fürs Alter sparen.

Der Vertreter habe denn auch gleich die Einkommensteuerbescheide der letzten beiden Jahre angesehen und daraus eine stattliche Steuerersparnis errechnet, erzählt Hans. "Man denkt dann ja immer: Steuer sparen, das ist gut." Der Münchner verpflichtete sich, jährlich 10.000 Euro in den Vertrag einzuzahlen. Gut zwei Jahre ging das gut. Dann liefen die Geschäfte schlechter. "Ich konnte die Beiträge nicht mehr zahlen." Seitdem liegt die Police brach. Jahr für Jahr allerdings zog die Versicherung Abschlusskosten und Gebühren ab. Von den gut 24.000 Euro, die Hans einzahlte, sind noch knapp 19.000 übrig: "Das liegt nun da und ich kann nicht ran."

Norbert Hans ist einer von Tausenden Deutschen, die mit einem Rürup-Vertrag viel Geld verloren haben. "Bei der Rürup-Rente gibt es extrem viele Katastrophen", berichtet Kerstin Becker-Eiselen, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Das Desaster mit der Basisrente - so heißt die Rürup-Rente auch - sieht fast immer gleich aus. Mit Steuervorteilen werden Sparern die Policen schmackhaft gemacht. Je üppiger dabei die Beiträge, so die Argumentation der Verkäufer, desto kräftiger die Steuerersparnis.

Die hohen Beiträge werden jedoch schnell zur Falle. Gehen bei Selbständigen die Einnahmen zurück, können sie den Vertrag nicht weiter bedienen. Gerade in der Krise passierte das vielen. "Dann kommt das böse Erwachen", sagt Edda Castello, Finanzexpertin bei der Hamburger Verbraucherzentrale. Großer Schock sind die Kosten: In den ersten Jahren zweigen die Versicherer Abschluss- und Verwaltungsprovisionen ab. Häufig liegt das Guthaben der Sparer daher deutlich unter dem, was sie eingezahlt haben. Bei Rürup-Policen, die in Fonds investieren, kann das sogar bei Renteneintritt noch der Fall sein. Anders als bei der Riester-Rente garantiert der Versicherer bei Rürup-Verträgen die eingezahlten Beiträge nicht.

Hinzu kommt: Die Rürup-Rente kann man nicht kündigen und - wie bei Riester - das eingezahlte Geld entnehmen. "Einen Rürup-Vertrag schließen Sie, überspitzt gesagt, bis zum Tod", meint Kerstin Becker-Eiselen. Das wissen aber die wenigsten. Wer sich die monatlichen Zahlungen nicht mehr leisten kann, darf zwar die Beitragszahlungen einstellen. Dann jedoch "fressen die laufenden Verwaltungskosten allmählich das Vermögen auf", erläutert Edda Castello.

"Zu uns kommen sogar Hartz-IV-Empfänger"

Mit solchen Problemen kämpfen nicht nur Selbständige. Auch jungen, gut verdienenden Angestellten wird die Rürup-Rente verkauft. Und auch sie können später häufig die Beiträge nicht mehr zahlen. Ein Grund dafür sei, dass die künftige Lebensplanung der Betroffenen beim Abschluss meist außer Acht gelassen werde, sagt der unabhängige Versicherungsberater Michael Ratzmann. "Die Leute heiraten, bekommen Kinder, bauen ein Haus - dann reicht das Geld nicht mehr für die Prämie, oder die Steuerersparnis wird uninteressant."

Verkauft werden die Policen dennoch fleißig - zum Teil an Kunden, die dafür völlig ungeeignet sind. "Zu uns kommen sogar Hartz-IV-Empfänger, denen Rürup-Verträge angedreht wurden", berichtet Verbraucherschützerin Becker-Eiselen: "Immer mit dem Argument, Steuern zu sparen." Im Jahr 2011 wuchs die Zahl der Rürup-Policen nach Angaben des Branchenverbandes GDV um 16 Prozent. Insgesamt gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Verträge. Mehr als die Hälfte davon, schätzt die Verbraucherzentrale Hamburg, könnten die Sparer nicht mehr bedienen.

So wie Norbert Hans. Sein Vertrag läuft bis 2027. Bis dahin zehren die Kosten Jahr für Jahr am Guthaben. Am Ende wird Hans von dem, was übrig bleibt, eine Minirente bekommen. "Das ist ein Witz", sagt er. "Aber ich kann es nur liegen lassen und versuchen, mich nicht darüber zu ärgern."

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