Primark:So will Primark mit Billig-Klamotten Deutschland erobern

Associated British Foods Plc's Primark Clothing Unit Ahead Of Full Year Results

Viel Kleidung für wenig Geld: Das will Primark nicht nur wie hier in London, sondern auch in Deutschland etablieren.

(Foto: Bloomberg)
  • Der irische Modehändler Primark will in Deutschland zulasten anderer Modeketten wachsen.
  • Die Billigkette betreibt 20 Filialen in Deutschland, die Eröffnung fünf weiterer ist angekündigt.
  • Kritik an den Arbeitsbedingungen weist das Unternehmen zurück.

Von Björn Finke

Auf der Oxford Street, der lauten, überfüllten, stickigen Konsumhölle im Herzen Londons, gibt es gleich zwei Filialen von Primark. In den billigen Modeläden ist immer was los, Touristen und eher junge Einheimische erfreuen sich an T-Shirts für 2,50 Pfund oder Kleidchen für fünf Pfund. An den Händen baumeln schon Einkaufstaschen anderer Textilketten.

Ganz in der Nähe, in einer Nebenstraße des feinen Stadtteils Mayfair, sitzt die Zentrale des Mutterunternehmens von Primark, untergebracht in einem unscheinbaren Bürogebäude. Associated British Foods heißt dieser börsennotierte Mischkonzern, zu dessen sonstigen Erzeugnissen etwa Zucker, Tee der Marke Twinings und andere Lebensmittel zählen. Finanzvorstand John Bason empfängt in seinem Büro im fünften Stock. Ruhig und freundlich kündigt er an, mit Primark den Modehändlern in Deutschland noch mehr Kunden abjagen zu wollen: "Wir erwarten nicht, dass der Gesamtmarkt für Mode zulegt", sagt er. "Unsere Wachstumsstrategie beruht ganz klar darauf, einen größeren Teil des Marktes zu erobern."

Für kleinere deutsche Textilketten muss das wie eine Drohung klingen. Im März erst meldete der Modehersteller Steilmann Insolvenz an, Großaktionär der Adler-Modemärkte. Im April folgte der Konkurrent Zero aus Bremen.

Die Bundesrepublik ist inzwischen der drittgrößte Markt

Primark hingegen macht eine Filiale nach der anderen auf. Der erste Laden in Deutschland eröffnete vor sieben Jahren in Bremen. Jetzt sind es 20 Geschäfte, und fünf weitere sind angekündigt. Die Bundesrepublik ist inzwischen der drittgrößte Markt, nach Großbritannien und Spanien und vor Irland, wo die Kette 1969 gegründet wurde. Der 59 Jahre alte Manager glaubt, dass Deutschland sehr viel mehr Filialen verträgt: Die Verkaufsfläche der Kette in Großbritannien sei fünfmal so groß, bei einer kleineren Bevölkerung - "wir haben in Deutschland also noch einen schrecklich weiten Weg vor uns."

Allerdings organisieren Kritiker des Konzerns regelmäßig Proteste bei Eröffnungen in Deutschland. Die Aktivisten klagen, die niedrigen Preise förderten eine Wegwerfmentalität bei den jungen Kunden. Sie beschuldigen Primark und anderen Billigketten zudem, dass deren Lieferanten in Entwicklungsländern Arbeiter ausbeuteten. Vor drei Jahren stürzte in Bangladesch ein Gebäude ein, das mehrere Textilfabriken beherbergte. Mehr als tausend Menschen starben. Zu den Abnehmern der Hersteller aus dem Rana-Plaza-Bau gehörte auch Primark.

"Wir nutzen die gleichen Zulieferer wie teure Modemarken"

Paul Lister weist Kritik an den Arbeitsbedingungen zurück. Lister ist ein Büronachbar von Bason; als Chefjurist von Associated British Foods ist er für Sozialstandards zuständig. "Es überrascht mich nicht, dass Leute fragen: Wie kann ein T-Shirt bei Primark so billig sein?", sagt er. Aber die Höhe der Preise im Laden sei kein Maßstab dafür, wie gut es den Nähern in Entwicklungsländern geht. "Wir nutzen die gleichen Zulieferer wie teure Marken", sagt er. "Auf der einen Produktionsstraße wird Primark gefertigt, auf der anderen Hugo Boss."

Die niedrigen Preise seien Ergebnis des Geschäftsmodells: So sei die Gewinnmarge kleiner. "Bei uns sind es zehn bis 13 Prozent, bei anderen Modekonzernen 20 Prozent", sagt Lister. Von jedem Euro Umsatz bleibt weniger als Profit hängen - dafür ist der Umsatz höher. Zudem spare Primark im Vergleich zu Rivalen 100 bis 150 Millionen Euro im Jahr an Werbe-Ausgaben.

Der Konzern ordere Kleidung direkt bei den Fabriken in Asien und nutze dafür keine Agenten, wie es Konkurrenten täten, sagt Lister. Auch das senke die Kosten. Bei den Fabriken bekomme Primark einen guten Preis, weil das Unternehmen große Mengen bestelle, Aufträge nicht abändere und früh bezahle: "Unsere Bestellungen sind das verlässliche Fundament für die Geschäfte des Fabrikanten."

Schlechte Schlagzeilen stoppen das Wachstum von Primark nicht

Kritiker bemängeln, würde Primark mehr zahlen, könnten die Arbeiter etwa in Bangladesch üppigere Löhne erhalten. Lister widerspricht: "Wir begrüßen es, wenn Regierungen die Mindestlöhne erhöhen", sagt er. "Aber wir können nicht den Fabrikbesitzer anweisen, er solle den Arbeitern, die für Primark nähen, einen Dollar extra zahlen, denn da gibt es 20 Produktionsstraßen, die für verschiedenste Marken fertigen." Alle Abnehmer müssten also höhere Löhne fordern. Oder der Gesetzgeber.

Für eine Kleinbäuerin aus Bangladesch sei es eine große Verbesserung, den Acker zu verlassen und zum staatlichen Mindestlohn in einer Textilfabrik zu arbeiten, sagt er. "Da verdient sie nun genug, um ihre Kinder zur Schule zu schicken statt aufs Feld wie früher." Von den Lieferanten verlangt Primark, dass sie Sozialstandards einhalten, wie sie Brancheninitiativen vorgeben. Mitarbeiter des Konzerns prüfen vor Ort, ob Fabriken die Abmachungen umsetzen - insgesamt gebe es 2500 Tests im Jahr, sagt Lister: "Das ist nötig, wenn Sie in Entwicklungsländern fertigen lassen, denn dort finden sich immer Probleme." Es komme eben darauf an, die Probleme zu entdecken und Verstöße abzustellen.

In München will das Unternehmen gleich mehrere Läden aufmachen

Das ist nicht einfach: "Manchmal wünsche ich mir, dass Fabrikbesitzer genauso viel Zeit darauf verwenden würden, Missstände zu beheben, wie auf ihre Versuche, sie zu vertuschen", sagt der Manager. Verliere Primark das Vertrauen in einen Zulieferer, trenne sich der Konzern von ihm.

Trotz aller Kontrollen stürzte 2013 in Bangladesch das Gebäude mit den Textilfabriken ein. Lister sagt, bis zu dieser Katastrophe hätten die Prüfer für Sozialstandards nicht auf die Stabilität der Gebäude geachtet: "Das wurde nicht als mögliches Risiko angesehen." Seitdem werde das aber ebenfalls untersucht.

Schlagzeilen über den Kollaps des Rana-Plaza-Baus oder die Proteste von Kritikern konnten das Wachstum in Deutschland allerdings nicht stoppen. Etwas anderes bremst Primark: "Wie schnell wir expandieren, hängt davon ab, wie schnell wir passende Läden finden", sagt Finanzvorstand Bason. "Am liebsten wollen wir in die belebten Einkaufsstraßen im Zentrum, und wir haben die Erfahrung gemacht, dass sehr große Läden in Deutschland gut funktionieren." Sich solche Standorte zu sichern, kann schwierig sein. Zum Beispiel in München. Hier könnte Primark gleich mehrere Filialen betreiben, sagt Bason. Doch bislang existiert keine einzige. In zwei Jahren wird immerhin ein Laden in einem Einkaufszentrum im Stadtteil Neuperlach eröffnet. In der Innenstadt ist das freilich nicht.

Primark bietet bislang keinen Online-Handel an

In den vergangenen Monaten brachte die Kette ihre ersten Filialen in die USA und nach Italien. Nun ist Primark in elf Staaten tätig - "und so bald wird kein größerer Markt hinzukommen", sagt Bason. Das Unternehmen habe genug damit zu tun, in diesen Ländern Läden aufzumachen. Im Vergleich zum schwedischen Rivalen Hennes & Mauritz (H&M) ist Primark allerdings weiterhin klein. Bason schreckt das nicht. Immer mehr Umsatz im Modehandel entfalle auf günstige Anbieter, sagt er: "Deshalb gibt es Platz für mehr als eine günstige Modekette."

Bei H&M können Kunden im Internet einkaufen; Onlinehandel wird bei Mode wichtiger. Primark bietet das nicht an - und Bason sagt, das werde "für die absehbare Zukunft" so bleiben: "Unsere Preise sind niedrig, wir haben eine niedrige Marge. Da sind die Logistik-Kosten des Onlinehandels zu hoch." Ein T-Shirt für drei Euro im Internet zu verkaufen, dem Kunden das zu schicken und dann noch die Rücksendungen bei Nichtgefallen zu bearbeiten, das ginge einfach nicht.

Primark konzentriert sich also ganz darauf, Filialen zu eröffnen. Beunruhigende Aussichten für manch einen Modehändler.

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