Prestigeobjekt Transrapid:"Das System ist noch nicht stabil"

Technische Probleme beim Probebetrieb in China gefährden mögliche Anschlussaufträge.

Von Janis Vougioukas und Karl-Heinz Büschemann

(SZ vom 04.08.2003) — Zum Jahreswechsel schien es, als werde China bald vom Fahrrad absteigen und sich nur noch mit dem Transrapid, der schnittigen Magnetschwebebahn aus Deutschland, fortbewegen.

Silvesternacht in Schanghai: Die örtlichen Belegschaften von Siemens und ThyssenKrupp feiern den Schnellzug, dessen erste kommerziell genutzte Strecke ein paar Stunden vorher von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem damaligen chinesischen Ministerpräsidenten Zhu Rongji eingeweiht worden war.

Jubelstimmung. Siemens-Chef Heinrich von Pierer sprach vom "Durchbruch für die Technologie". Jetzt sei der Bau der 1300 Kilometer langen Strecke von Peking nach Schanghai die "logische Konsequenz", sagte ein Manager. Und das Gemeinschafts-Unternehmen Transrapid International, das von den beiden deutschen Konzernen ThyssenKrupp und Siemens gehalten wird, erklärte offiziell: "Der Erfolg der Flughafenanbindung in Schanghai ist im Hinblick auf weitere Magnetschwebebahnstrecken in China von großer Bedeutung."

Zu heiß

Doch gut ein halbes Jahr später ist an die Stelle von Euphorie längst die Frustration getreten. Folgeaufträge in China werden immer ungewisser: "Es sieht lausig aus", sagt ein hoher deutscher Manager, der an dem Projekt in China beteiligt ist.

Es scheint, als müsste das umstrittene technologische Hoffnungsprojekt, das seit 30 Jahren von der Bundesregierung gefördert wird und die Steuerzahler bisher 1,2 Milliarden Euro gekostet hat, einen schweren Rückschlag verkraften.

Indirekt könnte in China sogar die Entscheidung über die Zukunft des Transrapids insgesamt getroffen werden. Damit wäre eine der großen Hoffnungen der Industrie gestorben. Regierung und Industrie sind einig, "dass die deutsche Magnetschwebetechnik und insbesondere ihre Realisierung von herausragender Bedeutung für den Industriestandort Deutschland" sei.

Bisher scheint aber sicher, dass die chinesische Regierung noch vor Ende dieses Jahres beschließen wird, bei der Langstrecken-Schnellverbindung zwischen den Metropolen Peking und Schanghai nicht auf den Transrapid, sondern auf die traditionelle Rad-Schiene-Technik zu setzen.

Der Transrapid würde die Reisezeit von 14 Stunden auf dreieinhalb Stunden verkürzen. Doch chinesische Kritiker bemängeln, die deutsche Technologie sei noch zu wenig erprobt.

Beim Probebetrieb auf der neuen Flughafenstrecke in Schanghai hatten sich technische Probleme gezeigt. So überhitzten für den Antrieb wichtige Kabel in der Trasse. Ummantelungen schmorten durch und werden gerade ausgetauscht. "Viele Probleme tauchen erst jetzt auf", berichtet ein Siemens-Mitarbeiter in China. "Das System ist noch nicht stabil." Schon wird zwischen Deutschen und Chinesen über die Reparaturkosten gestritten. Chinesische Fernsehsender bezifferten die Kosten auf 30 Millionen Euro.

Auch die Absage von Nordrhein-Westfalen an den Transrapid ist in China genau registriert worden. Das bevölkerungsreichste Bundesland hatte geplant, einen "Metrorapid" von Düsseldorf nach Dortmund fahren zu lassen. Doch die Grünen in der Düsseldorfer Koalition brachten das Projekt vor einigen Wochen zu Fall und fügten dem Transrapid einen schweren Image-Schaden zu.

Schon früher war in Deutschland der Plan gescheitert, die Städte Hamburg und Berlin mit der Schnellbahn zu verbinden. Mit einer deutschen Referenz-Strecke wollten ThyssenKrupp und Siemens deutsche Leistungsfähigkeit beweisen und den Transrapid zum Exportschlager machen. Jetzt hoffen die Konzerne, dass wenigstens in München eine Verbindung zwischen Innenstadt und dem Flughafen zustande kommt.

Sumpfiger Untergrund

In China gilt der Transrapid für die Strecke von Schanghai nach Peking bei geplanten Kosten von 20 Milliarden Euro als zu teuer. Jetzt können sich die konventionellen Superschnellzugbauer aus Frankreich (TGV) und Japan (Shinkansen) Chancen ausrechnen, für diese Strecke den Zuschlag zu bekommen. Die besten Aussichten haben die Japaner, deren Zug weniger als die Hälfte des Transrapid kostet und für die Strecke nur eine Stunde länger benötigen würde.

Beim Schröder-Besuch im Dezember hatte der damalige chinesische Ministerpräsident Zhu Rongji noch den Bau weiterer Transrapid-Strecken mit einer Länge von etwa 300 Kilometern angekündigt. Doch nachdem Zhu sich im März in den Ruhestand verabschiedet hat, fehlt dem Transrapid sein größter Befürworter in der chinesischen Regierung. Es sehe so aus, analysierte die chinesische Wirtschaftszeitung Zhonghua Gongshang Shibao, als sei "die chinesische Regierung nicht mehr an der deutschen Magnetbahn-Technologie interessiert".

Japan nutze die Gelegenheit mit gewichtiger politischer Flankierung, um die eigene Technologie zu verkaufen. "Die Entscheidung ist noch nicht gefallen", bekräftigt Zang Qiji vom Pekinger Eisenbahnministerium, das traditionell zu den Gegnern des Transrapids gerechnet wird. Ein Nachteil des Transrapids sei jedoch, dass er schlechter für den Güterverkehr genutzt werden könne.

Anlaufprobleme einer neuen Technologie sind nichts Ungewöhnliches und die deutsche Industrie gibt sich Mühe, die technischen Probleme auf der Schanghaier Flughafenstrecke, die 2004 in Betrieb gehen soll, herunterzuspielen.

"Wir liegen voll im Zeitplan", sagt ein Thyssen-Sprecher. Doch im chinesischen Probebetrieb stellte sich heraus, dass das extreme Klima in Schanghai, der sumpfige Untergrund der Trasse und das instabile Stromnetz für das deutsche Prestigeprojekt nicht ideal sind.

Unklar ist, welche Konsequenzen die Kinderkrankheiten des Transrapids für den Ausbau des chinesischen Hochgeschwindigkeitsnetzes haben. "Pannen auf der Strecke können Folgen für die Entscheidung über weitere Projekte haben", sagt ein ThyssenKrupp-Manager.

Achse Peking - Schanghai

Das könne auch zum Umdenken bei den bisher erwogenen Strecken von Schanghai nach Hangzhou (180 Kilometer) und Nanjing (300 Kilometer) auslösen, bei denen auch der chinesische Projektleiter Commander Wu inzwischen von "schwierigen Fragen" spricht. Doch an diese Strecken hängen Thyssen-Krupp und Siemens derzeit ihre größten Hoffnungen.

Sollte die große Verkehrsachse Peking-Schanghai mit der konventionellen Rad-Schiene-Technik gebaut werden, rechnen die Konsortiumsfirmen höchstens noch für einige "kleinen Strecken" mit der Schwebetechnologie.

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