Preiskampf im Möbelhandel:Gegen den Billigwahn

Die deutschen Möbelhersteller überbieten sich zurzeit in immer absurderen Preisnachlässen. Die Konsequenz: Viele Verkäufer setzen auf billige Importwaren. Die Strategie ist nicht existenzbedrohend, dennoch setzt die Möbelindustrie im Kampf gegen die "Verramschung" auf die Hilfe der EU-Kommission.

Von Stefan Weber, Köln

Das Spiel läuft das ganze Jahr, aber im Moment geht es wieder einmal besonders hoch her im Möbelhandel: Wer bietet einen höheren Rabatt? Und fast alle machen mit. Höffner beispielsweise, mit einem Umsatz von mehr als zwei Milliarden die Nummer zwei im Land hinter Ikea lockt mit dem Versprechen, den Kunden die Mehrwertsteuer "zu schenken" - was einem Preisnachlass von knapp 16 Prozent entspricht.

Konkurrent XXLLutz, die Nummer drei der Branche, legt noch etwas drauf: zur "geschenkten Mehrwertsteuer" gibt es einen "Extrarabatt" von fünf Prozent. Beim Mitbewerber Segmüller erhält jeder, der für mehr als 3000 Euro Möbel, Küchen oder Matratzen kauft, 1000 Euro "geschenkt". Und wer in diesen Tagen bei regionalen Ketten wie Schaffrath oder Knuffmann einkaufen möchte, sollte vorher erst einmal in den Kalender schauen. Denn an bestimmten Tagen räumen die Möbelhäuser Rabatte von bis zu 50 Prozent ein, die sonst angeblich nur Mitarbeitern gewährt werden.

Elmar Duffner, sonst ein besonnener Mann, treibt es die Zornesröte ins Gesicht, wenn er solche Angebote liest. "Verramschung", sagt Präsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM) dazu. Die Leidtragenden sind häufig die heimischen Hersteller. Um im Kampf um die niedrigsten Preise mitzumachen, setzen viele Verkäufer auf billige Importwaren. Beispielsweise aus China. Doch nachdem die Fertigung dort in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden ist, schwenken die Importeure um. "Indien und Thailand sind neuerdings besonders beliebte Einkaufsquellen", beobachtet Duffner. Dagegen waren die Einfuhren aus China im ersten Halbjahr um mehr als neun Prozent niedriger als in den ersten sechs Monaten 2012.

In Zeiten gut gefüllter Auftragsbücher ist die Preispolitik des Möbelhandels für die deutsche Industrie allenfalls ärgerlich. Aber nicht existenzbedrohend. Denn in vielen Fällen sorgt ein florierender Export für einen Ausgleich. Doch auch davon ist derzeit nichts zu spüren. Von Januar bis Juni haben ausländische Kunden für 4,8 Prozent weniger Waren bestellt. Das Geschäft mit vielen EU-Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden war sogar in zweistelligen Raten rückläufig.

Die zehn Größten erwirtschafteten 2012 gut 45 Prozent des Branchenumsatzes

Verkaufserfolge in China und USA konnten das nicht wettmachen. Insgesamt hat die deutsche Möbelindustrie im ersten Halbjahr vier Prozent weniger umgesetzt als im gleichen Zeitraum 2012. Dieses Minus ist im Jahresverlauf nicht mehr aufzuholen, selbst wenn es - wie Duffner hofft- in den nächsten Monaten besser laufen sollte für seine Branche. Die im Januar geäußerte Prognose, die Hersteller würden 2013 ähnlich gute Geschäfte machen wie zwölf Monate zuvor, kassierte der VDM am Montag. "Wir erwarten nunmehr ein Minus zwischen zwei und drei Prozent", so der Verband.

Als Schuldigen für die Misere hat die Möbelindustrie den Handel ausgemacht. "Der Möbelhandel ist auf dem besten Weg, die mittelständische Möbelindustrie immer weiter an den Rand zu drängen", schimpft Duffner. Sich dagegen zu wehren, fällt den Herstellern auch deshalb schwer, weil sich die Gewichte zu ihren Ungunsten verschieben: Die Händler rücken immer weiter zusammen - was ihre Einkaufsmacht deutlich stärkt. Die zehn Größten der Branche erwirtschafteten 2012 gut 45 Prozent des Branchenumsatzes; zehn Jahre zuvor hatte ihr Marktanteil knapp 31 Prozent betragen. Dagegen ist die Industrie atomistisch strukturiert. Es gibt nur wenige große Hersteller; insgesamt teilen sich 529 Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern den Kuchen.

Im Kampf gegen die "Verramschung" setzt die Möbelindustrie nun auf die EU-Kommission. Sie hat kürzlich einen Vorschlag erarbeitet, bestimmte Produkte europaweit mit einer Herkunftsbezeichnung zu versehen. Das könnte bedeuten, dass künftig viele Sofas, Schränke oder Betten mit dem Hinweis "Made in China" versehen werden müssten. Ein solches Etikett, so hofft Duffner, könnte manchen Möbelkäufer davon abhalten, weiter so stark auf den Preis zu schielen. Der VDM-Präsident ist überzeugt, dass die Verbraucher bereit sind, für Waren mit guter Qualität tiefer ins Portemonnaie zu greifen.

Hoffnung macht ihm dabei die Entwicklung im Lebensmittelhandel, der im ersten Halbjahr ein kräftige Umsatzplus erwirtschaftete. Marktbeobachter erklärten das vor allem damit, dass Discounter und Supermärkte der Strategie "Hauptsache billig" abgeschworen haben. Stattdessen gestalten sie ihre Läden vermehrt hochwertiger und rücken zunehmend Bioartikel und Markenware in die Verkaufsregale.

Dagegen setzt der Möbelhandel nach wie vor neben einem möglichst niedrigen Preis nur auf ein Mittel, um Kunden in die Läden zu locken: mehr und größere Verkaufsflächen. Und das, obwohl Schätzungen zufolge bereits gut 200 Einrichtungsverkäufer im Internet unterwegs sind - mit zunehmend guten Verkaufserfolgen. Nach Schätzung des Branchenblattes Möbel Kultur könnte sich das Flächenangebot im Möbelhandel bis Ende 2014 um zehn Prozent auf 6,3 Millionen Quadratmeter erhöhen. Dabei gibt es bereits bundesweit 165 Möbelpaläste mit einer Verkaufsfläche von mehr als 25 000 Quadratmetern.

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