Preiserhöhungen:Versteckt, verschämt, verbrämt

Preiserhöhungen: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

"Saubere Energie zum fairen Preis": Wenn Firmen die Preise erhöhen, formulieren sie oft merkwürdig verdruckst. Doch damit täuschen und enttäuschen sie ihre Kunden. Wie man es richtig macht.

Von Harald Freiberger

Es gibt Briefe, mit denen der Schreiber die Aufmerksamkeit des Lesers erringen will. Es gibt aber auch welche, mit denen er sie möglichst nicht erringen will. Ein solcher Brief ist das Schreiben eines deutschen Energieversorgers, das er in diesem Jahr an seine Kunden verschickte. "Neues Messstellenbetriebsgesetz (msbG)/Stichwort Digitalisierung der Energiewende", so fängt die Betreffzeile an. Dann heißt es: "Erhöhung der Preise in Ihrem Tarif." Schließlich steht da noch: "Änderung allgemeine Geschäftsbedingungen." Die eigentliche Botschaft, dass der Preis steigt, ist schön eingebettet in Bürokratisches und Belangloses.

Das Beispiel stammt aus einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die sich ansah, wie 31 Energieunternehmen in 61 einzelnen Schreiben ihre Kunden über Preiserhöhungen informierten. Das Ergebnis: Oft tun sie dies versteckt, verschämt und verbrämt.

Eigentlich ist es ein normaler Vorgang in einer Marktwirtschaft, dass Preise steigen. Er ist sogar erwünscht: Die Europäische Zentralbank strebt eine Inflationsrate von nahe zwei Prozent an. Doch was die Verbraucherschützer bei Stromanbietern festgestellt haben, kennen Kunden auch von Banken, Versicherungen, Krankenkassen oder Telefongesellschaften. Wenn es um höhere Preise geht, kommt oft eine gewisse Verdruckstheit ins Spiel. Warum tun sich Unternehmen so schwer, offen und klar darüber zu informieren?

Manchmal weisen Unternehmen erst im Anhang darauf hin, dass es um eine Preiserhöhung geht

"Viele haben Angst, mit Preiserhöhungen ihre Kunden zu verärgern und zu verschrecken", sagt der Kommunikationsexperte Anikar Haseloff, der in Ulm das Beratungsunternehmen "H&H Communication Lab - Institut für Verständlichkeit" leitet. Aus dieser Angst heraus versuchten die Firmen, ihren Kunden Tariferhöhungen lieber schonend beizubringen. Doch oft gehe das schief. Am Ende entstehe der Eindruck, dass die Unternehmen etwas verbergen wollen. "Wenn der Kunde aber das Gefühl hat, dass er getäuscht wird, ist das ein Vertrauensbruch, der kaum wieder gutzumachen ist", sagt Haseloff. Schlecht formulierte Schreiben über Preiserhöhungen seien deshalb geschäftsschädigend.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat bei Stromanbietern eine Vielzahl solcher Fehler gefunden. Schon in der Betreffzeile fängt es an. Eine transparente Zeile könnte lauten: "Ihr Strompreis steigt zum 1. Januar." Stattdessen schreiben die meisten Anbieter von einer "Anpassung der Preise", von "neuen Tarifen" oder "geänderten Konditionen". Ein Unternehmen versucht positive Gefühle zu wecken: "Preisanpassung beim Ökostrom - Weihnachtsaktion." Und bei einem anderen wirkt die Erhöhung wie eine Senkung: "ExpertenEnergie - Saubere Energie zum fairen Preis. Informationsschreiben."

Wer erfahren will, worum es wirklich geht, der muss schon weiterlesen. Nur bei 14 von 31 Versorgern war bereits auf der ersten Seite erkennbar, dass es sich bei dem Schreiben um eine Preiserhöhung handelt. Bei den übrigen war es erst auf Seite zwei oder in den Anlagen zu finden oder sogar im Fließtext versteckt. Die Wirkung ist in vielen Fällen fatal. "Wenn schon die ersten zwei, drei Sätze kompliziert sind, legt man das Schreiben womöglich weg", sagt Experte Haseloff. Erst später, vielleicht bei der nächsten Abbuchung vom Konto, merke der Kunde, dass der Strom mehr kostet. "Wenn ich das aber erst über zwei Ecken erfahre, bin ich natürlich sauer", sagt der Berater.

Erfahrungen wie diese machen Kunden auch in anderen Branchen. Die Hypo-Vereinsbank verschickte im August ein Schreiben mit dem Titel: "Ihr HVB PlusKonto bietet Ihnen in Kürze noch mehr Möglichkeiten." Dann führte sie auf, dass Überweisungen, Bargeldauszahlung per Kreditkarte und Kreditkarte selbst günstiger werden. Erst am Ende stand die Information, dass dies alles seinen Preis hat: Die monatliche Gebühr für die Kontoführung steigt von 7,90 auf 9,90 Euro.

Eine andere beliebte Methode ist es, bei gleichbleibendem Preis die Leistung zu kürzen. Die Commerzbank teilte ihren Kunden vor Kurzem mit, dass Leistungen wie eine Reisekosten- oder Fluggepäckversicherung nicht länger Bestandteil ihrer Kreditkarte sind. Begründung: Der Service sei von den Kunden ohnehin kaum nachgefragt worden. Na dann.

Die Versicherungskammer Bayern nennt in ihrem jährlichen Schreiben an Kunden der Gebäudebrandschutzversicherung lediglich die neue Beitragshöhe. Seit 2014 steigt der Beitrag jedes Jahr um zwei, drei Prozent. Doch der alte Beitrag wird gar nicht erwähnt, auch das Wort "Erhöhung" kommt nicht vor. Der Kunde bemerkt den Unterschied erst, wenn er sich den Brief aus dem Vorjahr holt. Dafür fehlt in dem Schreiben nicht der Hinweis: "Wenn es um Ihr Eigentum geht, sind Sie bei der Versicherungskammer Bayern in besten Händen."

Sprache ist ein weites Feld. "Ich kann damit auch Informationen verbergen und es für den Leser möglichst schwer machen, sie zu verstehen", sagt Berater Haseloff. Es sei eine schwierige Gratwanderung, die Kunden mit der negativen Information höherer Preise einerseits nicht zu verschrecken, andererseits aber durch Intransparenz und Schönfärberei auch nicht zu verärgern. Gerade deshalb sei es wichtig, in dieser Kommunikation jedes Wort mit Bedacht zu wählen.

"Man muss gleich am Anfang klipp und klar sagen, worum es geht."

Und wie macht man es richtig? "Man muss gleich am Anfang klipp und klar sagen, worum es geht", sagt Haseloff. Er nennt ein Formulierungsbeispiel für eine Bank, die die Gebühr für das Girokonto erhöht: "Wir haben heute eine wichtige Nachricht für Sie: Für Ihr bisher kostenloses Girokonto müssen wir ab 1. Januar 1,50 Euro im Monat verlangen. Aus folgenden Gründen haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen."

Dann sollte die Erhöhung sachlich begründet werden: Banken können auf die niedrigen Zinsen verweisen, Krankenkassen auf den medizinischen Fortschritt, der Leben verlängere, aber teurer sei, Stromanbieter auf die höheren Gaspreise am Weltmarkt. Es sollte halt stimmen und für den Kunden nachvollziehbar sein.

Gut findet Haseloff ein Vorher-Nachher-Rechenbeispiel, wie sich die Erhöhung für den Kunden genau auswirkt. "Alle Fragen, die er sich beim Lesen des Schreibens stellen kann, sollten möglichst konkret beantwortet werden." Und am Ende darf der rechtliche Hinweis nicht fehlen, dass der Kunde bei einer Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht hat - von dem er umso weniger Gebrauch machen dürfte, je offener das Unternehmen mit der schlechten Nachricht umgeht.

Man kann es natürlich auch so machen wie der Händler auf dem Münchner Viktualienmarkt in Helmut Dietls Fernsehserie "Monaco Franze" aus den 1980er-Jahren. Franzes Haushälterin, gespielt von Erni Singerl, beschwert sich beim Einkauf darüber, dass alles teurer wird - Salat, Tomaten, Petersilie. "Ja, gibt's denn jetzt bald überhaupt nichts mehr, was nicht schon wieder teurer geworden ist oder noch weniger als gestern?", fragt sie. "Nein", antwortet der Händler, "aber billiger und mehr als morgen ist es heute immer noch."

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