Süddeutsche Zeitung

Preis für das gefährlichste Finanzprodukt:Prädikat: Toxisch

Wetten auf Nahrungsmittel und gegen Schwellenländer: Die europäischen Grünen und Nichtregierungsorganisationen haben eine Auszeichnung der Schande vergeben. Gesucht wurde das gefährlichste Finanzprodukt.

Von Javier Cáceres

Es gibt Preise, die ihre Träger mit Stolz erfüllen. Und es gibt Preise, die man wohl eher nicht entgegennehmen will. Schmähpreise wie die "Goldenen Himbeeren" etwa, die in Hollywood für besonders schlechte Filme in allen möglichen Kategorien verliehen werden. In Brüssel ist nun ein völlig anders gearteter, mit Schimpf und Schande verbrämter Preis ausgerufen und erstmals vergeben worden: der Preis für das gefährlichste Finanzprodukt. Er wurde von der Grünen-Fraktion im Europaparlament sowie zwei Nichtregierungsorganisationen in zwei Kategorien ausgelobt - und ging nun an die Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen aus Schwellenländern (CDS) sowie an Nahrungsmittelfonds. Sie tragen nun das offiziöse Siegel: "toxisch".

Die Entscheidung wurde von einer fünfköpfigen Jury getroffen. Nichtregierungsorganisationen, Finanzmarktexperten, Bürgern und Unternehmen hatten insgesamt 150 Vorschläge gemacht, von denen nicht alle ernst zu nehmen waren. Doch auch nach der ersten Prüfung blieben noch 50 Finanzmarktprodukte mit Risiken und Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt übrig, die dann auf acht "Finalisten" zusammengestrichen und online zur Wahl gestellt wurden. Mehr als 1400 Menschen beteiligten sich - und wählten die Kreditausfallversicherungen sowie die Nahrungsmittelfonds.

Nahrungsmittelfonds, "die viele in ihrer Existenz bedrohen"

In den Begründungen der Jury heißt es nun, dass die CDS weit von ihrem Anspruch entfernt seien, das Risiko zwischen den Marktteilnehmern zu streuen, zur Preisfindung beizutragen und die Zinsen niedrig zu halten. Die Versicherungen hätten stattdessen die Schwierigkeiten von verschuldeten Ländern vervielfacht. Die Nahrungsmittelfonds wiederum wurden wegen ihrer sozialen Implikationen ausgewählt. Sie hätten Preiserhöhungen von Grundnahrungsmitteln mitverursacht, "die viele Geringstverdiener auf dieser Welt in ihrer nackten Existenz bedrohen."

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sagte der SZ, dass der Preis vor allem dazu beitragen soll, die Sensibilität für Finanzmarktprodukte zu schärfen, die das Potenzial bergen, einzelne Verbraucher oder ganze Gesellschaften zu schädigen. Im Zuge der Krise habe sich die EU einige Instrumente angeeignet, um auf negative Marktakteure zu reagieren. Giegold sagt, es sei "an der Zeit, dass davon endlich Gebrauch gemacht wird".

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Quelle:
SZ vom 15.03.2013/sana
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