Präsidentschaftswahl in Frankreich:Das Le-Pen-Risiko

Marine Le Pen, French National Front political party leader and candidate for French 2017 presidential election, attends a meeting focused on civil works in Paris

In Szenarien denken und verschiedene Möglichkeiten durchspielen. Experten raten angesichts der politischen Unsicherheit zur Vorsicht und zur Aufstockung von Geldreserven.

(Foto: Christian Hartmann/Reuters)

Was wäre, wenn die rechtsextreme Kandidatin in Frankreich an die Macht kommt? Firmen aus dem Ausland müssten eventuell mit neuen Auflagen und Steuern rechnen.

Von Katharina Wetzel

Trump, Brexit. Was kommt als Nächstes? Viele Beobachter blicken derzeit besorgt ins Nachbarland Frankreich, wo die heiße Phase des Wahlkampfs um die Präsidentschaft beginnt. Deren Ausgang wohl noch nie mit so viel Unwägbarem behaftet war. Die etablierten Parteien verlieren in Umfragen an Zuspruch. Dagegen hat die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen gute Chancen im ersten Wahlgang am 23. April als Gewinnerin hervorzugehen. Laut den Prognosen zur entscheidenden Stichwahl am 7. Mai bleibt sie zwar hinter dem parteiunabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron klar zurück. Doch die Finanzmärkte sind längst nervös. Was wäre, wenn Marine Le Pen an die Macht käme?

"Noch nie gab es so viel Unsicherheit bei einer Präsidentschaftswahl", sagt Bruno Cavalier, Chefvolkswirt der deutsch-französischen Oddo-Gruppe. "Normalerweise haben wir einen Kandidaten der etablierten Parteien von links und rechts, die nicht das System verändern wollen." Doch dieses Mal könnte es sein, dass weder der Kandidat der Sozialisten Benoît Hamon noch François Fillon von den Konservativen in die Stichwahl kommen. Ein politisches Erdbeben wäre das in Frankreich, glauben manche, der Economist spricht von der "nächsten französischen Revolution". Doch die größte Angst löst vor allem sie aus: Marine Le Pen.

Die alten Ängste vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone flackern wieder auf

Geht es nach der Front-National-Chefin kommt "Frankreich zuerst". Arbeitsverträge von Ausländern sowie fremde Dienstleistungen und Produkte will sie mit zusätzlichen Steuern belasten. Sie befürwortet die Todesstrafe, will die Einwanderung drastisch beschränken und wieder den Franc einführen. Oberste Priorität hat für sie, dass Frankreich aus der EU und dem Euro austritt.

Einen Frexit, also einen Austritt aus der EU, könnte Le Pen selbst bei einem Wahlsieg nicht ohne Weiteres umsetzen. Dazu bräuchte der Front National auch bei den Parlamentswahlen im Juni die Mehrheit. Solche Szenarien mögen unwahrscheinlich sein. Sie erscheinen aber nicht mehr unmöglich, was für reichlich Unruhe sorgt. Denn es ist kaum auszudenken, was ein Frexit bedeuten würde. Ein Schock an den Finanzmärkten, das Auseinanderbrechen der Euro-Zone und eine Krise wären wohl die Folgen.

Finanzmarktakteure mögen keine bösen Überraschungen. Sie beobachten die politischen Entwicklungen in Frankreich sehr genau, preisen das "Le-Pen-Risiko" mit ein. So verlangen Investoren etwa schon höhere Zinsen, wenn sie Frankreich Geld leihen, weil sie das Risiko eines Zahlungsausfalls des Landes nun höher einschätzen. Die Prämien für zehnjährige französische Staatsanleihen sind bereits angestiegen, der Renditeabstand zu deutschen Bundesanleihen hat sich vergrößert. "Dies zeigt, wie nervös die Märkte sind", sagt Cavalier. "Doch noch sind wir weit entfernt von der Situation in 2011, als es große Zweifel an der Euro-Zone gab", sagt Cavalier. Damals, mitten in der Euro- und Finanzkrise, stiegen die Risikoaufschläge für griechische, italienische und spanische Staatsanleihen so stark an, dass ein Zerfall der Euro-Zone nahe erschien. Flackern nun alte Ängste wieder auf?

"Es ist sehr schwierig zu ermessen, was bei einem Frexit passieren würde", sagt Cavalier. "Das hätte Auswirkungen für Deutschland und ganz Europa." Zwar empfehlen einige Finanzinstitute schon deutsche Anleihen oder Aktien als Absicherung. Doch Cavalier meint: "Es dürfte schwer sein, die richtige Vermögensallokation zu finden, um sich vor so einem Ereignis zu schützen." Frankreich ist nach Deutschland die wichtigste Industrienation in der EU und für Deutschland der wichtigste Handelspartner in Europa. Beide Nationen sind eng miteinander verwoben. Ein Grund, warum Investoren und Mittelständler sich lieber gegen politische Risiken wappnen. Sie fragen sich, was bedeutet das Le-Pen-Risiko für mich? Wie kann ich mich schützen?

Mittelständler richten ihre Entscheidungen nicht nach Wahlergebnissen aus

Derzeit sind die Auftragsbücher in Frankreich und Deutschland gefüllt, die Konjunktur läuft gut. Trotz struktureller Defizite steht Frankreich wirtschaftlich besser da als noch vor Jahren. "Handelshemmnisse wären für deutsche Mittelständler ein Albtraum", sagt Volker Riedel von der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner. Zölle auf ausländische Produkte würden Frankreich auch selbst in erheblichem Maß treffen, schätzt Riedel, da das Land stark abhängig von Importen ist.

Deutsche Unternehmen müssten sich auf Absatzrückgänge einstellen. Mit größeren Investitionen, etwa in neue Produktionsstätten sollten Firmen eher zurückhaltend sein. "Als Unternehmen würde ich mit Strukturentscheidungen bei politischer Unsicherheit vorsichtig sein", sagt Riedel. Investitionen, die sich nicht innerhalb von drei Jahren amortisierten, sollten in unsicheren Zeiten grundsätzlich infrage gestellt werden.

Unternehmen sollten die derzeit noch gute Lage nutzen

Mittelständler planen in der Regel über längere Zeiträume hinweg und richten sich bei ihren Entscheidungen nicht in erster Linie nach den Ergebnissen von Wahlen. Politische Ereignisse wie etwa der Brexit, die Wahl von US-Präsident Donald Trump spielen jedoch zunehmend keine sekundäre Rolle mehr. Bei drohenden regulatorischen und protektionistischen Eingriffen oder Verwerfungen an den Finanzmärkten müssen Unternehmen wachsam sein.

Riedel rät, die derzeit gute Lage zu nutzen, um liquide Eigenkapitalpuffer aufzubauen. Unternehmen, die mit Frankreich Geschäfte machen, sollten in Szenarien denken und mit ihren Mitarbeitern verschiedene Fälle durchspielen. Welche Wettbewerber liefern auch nach Frankreich und haben womöglich einen Währungsvorteil, wenn Frankreich wieder den Franc einführt? "Firmen, die mit ihren Mitarbeitern Auswirkungen und verschiedene Optionen definieren, bleiben handlungsfähig", sagt der Unternehmensberater und Partner. Wer flüssig ist, könne auch schneller reagieren, wenn es am Ende doch nicht so schlimm kommt und sich sogar Chancen ergeben.

Dem jungen Politstar und früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron werden gute Chancen für den Einzug in den Élysée-Palast eingeräumt. Mit seiner eigenen Partei "En marche!" ("In Bewegung!") gilt er als neuer Hoffnungsträger und vertritt eine Pro-Europa-Politik. Doch noch ist der Ausgang offen.

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