Präsentation von Siemens-Chef Kaeser:Hey Joe, make it better

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Siemens-Chef Joe Kaeser krempelt den Technologie-Konzern um und dreht viele Entscheidungen seines Vorgängers Peter Löscher wieder zurück. (Foto: Joerg Koch/Getty Images)

Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser krempelt den Technologie-Konzern um. Viele Entscheidungen seines Vorgängers Peter Löscher macht er rückgängig und trifft den richtigen Ton. Kritiker befürchten allerdings, dass es Probleme mit den Gewerkschaften geben könnte.

Von Karl-Heinz Büschemann und Christoph Giesen

Es ging locker zu, trotz des schlechten Wetters. 600 Spitzenmanager von Siemens standen abends vor dem Interconti-Hotel in Berlin im Regen herum, glücklich darüber, ein wenig frische Luft zu bekommen. Gerade hatte ein ohrenbetäubender Feueralarm sie auf die Straße getrieben. Zeit, mit den Kollegen zu plaudern. "Für die Stimmung war das gar nicht schlecht", erzählt einer, der an der Konferenz teilnimmt, die einmal im Jahr in Berlin stattfindet. In diesem Jahr war es besonders spannend. Erstmals würde der neue Vorstandschef Joe Kaeser, der am 31. Juli den glücklosen Peter Löscher abgelöst hat, seine Pläne verraten.

Kaeser, 56, ist ein alter Siemensianer, er kennt fast jeden aus der Führungstruppe und schon die Eingangspointe des neuen Chefs saß. Als der nicht groß gewachsene Kaeser im Interconti auf die Bühne stieg, ertönte der Beatles-Klassiker "Hey Jude". Am Rednerpult angekommen, fragte Kaeser auf Englisch: "Wie wäre es, wenn man statt Jude vielleicht Joe singen würde?" Seine Manager feixten. "Take a sad song and make it better", zitierte Kaeser den Song-Text, den er auch auf seinen Konzern anwenden wolle. Siemens besser machen, dazu ist Kaeser schließlich angetreten.

Den Teilnehmern wurde schnell klar: Kaeser wird manches ändern in dem Konzern mit seinen 370 000 Mitarbeitern. Der frühere Finanzchef wird auch Konflikten nicht aus dem Weg gehen. "Wir können es nicht jedem bei Siemens recht machen, wir müssen es aber für Siemens recht machen."

Kaeser gibt den Mitarbeitern das Wir-Gefühl wieder

Kaeser wartete mit Überraschungen auf. Der Mann, der seit über 30 Jahren bei Siemens ist, der den Konzern kennt wie kaum ein zweiter und der im Gegensatz zu dem distanziert wirkenden Vorgänger Peter Löscher den wärmenden Stallgeruch des langgedienten Siemensianers hat, gibt den Mitarbeitern das Wir-Gefühl wieder, das manchen abhanden gekommen war. Kaeser geht mit mancher Entscheidung zurück in die Zeiten vor Löscher, mit dessen amerikanisch angehauchtem Management-Stil viele nicht zurechtkamen.

Mit einem Strich macht Kaeser der von Löscher eingeführten Organisation des Auslandsgeschäfts ein Ende. Löscher hatte ganze Weltregionen zu Ländergruppen zusammengefasst - sogenannten Clustern. Den bis dahin mächtigen Länderfürsten hatte er die Chefs der Cluster vor die Nase gesetzt. Das sorge für jahrelangen Frust. Selbst gestandene Siemens-Manager hatte Schwierigkeiten sich in der komplizierten Organisationsmatrix wiederzufinden.

Die türkische Landesgesellschaft wurde von Österreich aus gesteuert. Das sogenannte Cluster North West Europe - zu dem auch die baltischen Staaten gehörten - wurde vom Siemens-Chef in Großbritannien geleitet. Durch die Neuordnung entfalle eine organisatorische Ebene im Konzern. Siemens solle "einfacher und marktnäher" gemacht werden, erklärte Kaeser. Die wichtigsten Länder sollen künftig direkt den Vorstände der vier Siemens-Sektoren Energie, Industrie, Gesundheit sowie Infrastruktur & Städte berichten.

Nach der Korruptionsaffäre, in der einige Länderchefs eine unrühmliche Rolle gespielt und geheime Konten geführt hatten, war Löschers Strukturreform sinnvoll. Alles wurde durchgewirbelt, alles in Frage gestellt. Doch der Skandal gilt als aufgearbeitet und Kaeser kann sich daran machen, die Strukturen sachte zu schleifen.

Für Unruhe sorgte in Berlin auch die Spekulation, Kaeser können einen von Löscher geschaffenen großen Sektor wieder auflösen. Löscher hatte das bunt gescheckte Siemens-Geschäft, das vom Röntgengerät über Maschinensteuerungen bis zum Kraftwerk reicht, in vier Sektoren aufteilt. Einer wurde 2011 geschaffen und bekam den Namen "Städte und Infrastruktur". Der sollte alles liefern, was Städte brauchen, von der U-Bahn bis zu Verkehrsleitsystemen. Das sei das perfekte Geschäft der Zukunft, glaubte Löscher. Doch der Bereich, der willkürlich aus Teilen der anderen Sektoren zusammengesetzt worden war, litt unter schwachen Margen und wurde intern nie anerkannt. Kaeser lässt anklingen, dass er auch diese Löscher-Idee beenden wird. "Es kann sein, dass dieser Sektor in Frage gestellt wird", sagt ein Siemensianer. Entscheidungen dürften dazu im Frühjahr verkündet werden.

Schon zuvor hatte Kaeser ein paar wichtige Personalentscheidungen getroffen. So holt er den früheren Strategiechef in den Konzern zurück. Horst Kayser, der zu den Vertrauten Kaesers gehört, werde zu Siemens zurückkehren und seinen alten Job ab November wieder übernehmen. Der im Konzern umstrittene Personalmanager Nicolas von Rusty, den Löscher geholt hatte, wurde von Kaeser wieder aussortiert. Demnächst wird im Vorstand niemand mehr sitzen, der zum Freundeskreis von Kaesers Vorgänger Löscher gehörte, und eine Stufe unter dem Vorstand wird ihn eine Truppe von fünf engen Vertrauten unterstützen.

In Berlin traf Kaeser vor seiner internationalen Managertruppe den richtigen Ton. Das tat gut. Die vorangegangenen Wochen waren turbulent. Mancher Siemens-Manager sprach schon von Chaos bei Deutschlands führender Industrieadresse. Erst kam es zu dem geräuschvollen Wechsel an der Spitze des Unternehmens. Dann gab es Schwierigkeiten mit dem mächtigen Betriebsrat. Brigitte Ederer, im Vorstand für Personal zuständig, musste den Konzern verlassen. Der für Deutschland zuständige Personalchef - die rechte Hand Ederers - wurde kaltgestellt.

Und dann gab es auch noch Verwirrung um den Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen. Als diese Zahl bekannt wurde, reagierte der Betriebsrat sauer. Für Siemens-Verhältnisse unüblich grummelte der Betriebsratsvorsitzende Lothar Adler, er sei "verärgert". Auch im Verhältnis zu den Gewerkschaften wird sich bei Siemens unter Kaeser einiges ändern. "Kaeser wird sich nicht so leicht von der IG Metall beeinflussen lassen wie Löscher," sagte ein enger Mitarbeiter.

© SZ vom 19.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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