P&R-Skandal:Totalschaden

Der Anlageskandal um die Container-Firma P&R hat zahlreiche Kunden um Tausende Euro gebracht - nun könnte es für sie noch schlimmer kommen. Womöglich müssen die Anleger sogar Geld nachschießen. Es geht um mehrere Milliarden.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Der kurzfristige Kurssturz an den Weltbörsen war keine zwei Wochen her, da fanden Anleger der Investmentfirma P&R vielversprechende Werbebriefe in ihren Postkästen. Die heftigen Schwankungen an den Kapitalmärkten zeigten, so schrieb P&R-Geschäftsführer Martin Ebben, dass dort jederzeit auch hohe Verluste möglich seien. "Viele unserer Investoren bevorzugen deshalb P&R Container-Direktinvestments", lasen die Adressaten in dem Schreiben vom 19. Februar und bekamen neue Angebote empfohlen: 4,93 Prozent pro Jahr über fünf Jahre, kein schlechter Schnitt in dieser Zeit. Einige dürften da noch viele Tausend Euro investiert haben, kurz bevor das Desaster seinen Lauf nahm.

Wenige Tage später, Anfang März, meldete P&R Insolvenz an. Der Fall hat sich zum mutmaßlich größten Anlageskandal in der bundesdeutschen Geschichte entwickelt, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdachts, von angeblich 1,6 Millionen verkauften Containern sind nur noch 618 000 im Bestand. Ein Großteil des Anlegergelds dürfte nach jetzigem Kenntnisstand verloren sein.

Das ist schlimm, aber nur Teil des Problems, das viele der aktuellen Anleger jetzt haben. Denn eine Regel im Insolvenzrecht könnte für sie auch Jahre nach der Pleite der Firma noch den wirtschaftlichen Ruin bedeuten, genau wie für frühere Kunden, die schon längst nicht mehr bei P&R investiert haben - falls diese Regel denn zum Tragen kommt.

Geht eine Firma pleite, haben die Insolvenzverwalter die Aufgabe, die Menge des zu verteilenden Geldes so gut es geht zu mehren. Deshalb prüfen sie routinemäßig, ob in der Zeit vor der Insolvenz Zahlungen ohne Gegenleistung geflossen sind. Diese fechten sie vor Gericht an und fordern sie zurück, dazu verpflichtet sie das Gesetz. Der einschlägige Paragraf ist eigentlich gedacht, um im Insolvenzfall Geschenke, besondere Vergünstigungen oder gezahlte Spenden zurückzuverlangen. Er trifft aber auch Anleger, die Gewinne aus Schneeballsystemen erhalten haben. In allen größeren Fällen des Anlagebetrugs, sei es die Skandale um die Investmentfirmen S+K, Infinus oder Göttinger Gruppe, waren Anfechtungsklagen früher oder später Thema. Mehrfach hat der Bundesgerichtshof zu derartigen Anfechtungen geurteilt.

Der Nürnberger Rechtsanwalt Wolfgang Wittmann war an vergleichbaren Fällen beteiligt und rechnet auch bei P&R mit Klagen gegen die Anleger. "Hier geht es um ein Anfechtungsvolumen von mehreren Milliarden Euro, das es in dieser Höhe noch nie gegeben hat", sagt er. Anfechtbar sind sämtliche unentgeltlichen Leistungen im Zeitraum von bis zu vier Jahren vor dem Insolvenzantrag. Für etwaige Klagen bleibt noch Zeit: Im Fall von P&R endet die Frist erst zum Ende des Jahres 2021. Viele Kunden müssten neben einem erheblichen Vermögensschaden mit weiteren Forderungen rechnen, die deutlich über ihre derzeitige Anlagesumme hinausgehen, sagt Wittmann. Betroffen wären selbst Anleger, die vor Jahren zum letzten Mal ausbezahlt wurden. Von ihnen können die Insolvenzverwalter damals erhaltene Zahlungen womöglich noch zurückverlangen. Hintergrund ist, dass es viele Container gar nicht gegeben hat. 42 Jahre lang hatte P&R seinen Anlegern Schiffscontainer verkauft und sie in ihrem Auftrag weitervermietet. Die Anleger erhielten Mietzahlungen, P&R kaufte sie nach einigen Jahren zum Restwert zurück. Zum Zeitpunkt der Insolvenz hatten etwa 54 000 Anleger etwa 3,5 Milliarden Euro investiert. Mittlerweile ist sicher, dass seit mehr als zehn Jahren sukzessive mehr Mieten gezahlt wurden als entsprechend Container vorhanden waren. Nunmehr fehlen im Bestand etwa eine Million Boxen. Haben Anleger - vielleicht gar mehrfach - für nicht existente Container Mieten und Rückkaufswerte kassiert, könnte ein Gericht diese Zahlungen später als "unentgeltliche Leistungen" einstufen.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé hatte bereits mit Anlegern zu tun, die sich vor Anfechtungsklagen fürchten. Auf Nachfrage verweist ein Sprecher lediglich auf die eigens für den Fall P&R eingerichtete Info-Webseite. Dort heißt es, die Rechtsprechung zur Anfechtung von Scheingewinnen sei "nach derzeitiger Einschätzung" anders gelagert - schließlich habe P&R den Anlegern keine Gewinne ausgezahlt, sondern Mieten und Rückkaufsbeträge. Aber erst während des eigentlichen Insolvenzverfahrens könnten die einzelnen Vorgänge abschließend geprüft werden. Das wird dauern - für Anleger hat eine schmerzhafte Zeit der Ungewissheit begonnen.

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