Post privatisiert Filialen:"Längere Wartezeiten, abgeschnitten vom Service"

Die Post trennt sich komplett vom eigenen Filialnetz. Die Versorgung der Bürger sei dennoch gesichert, erklärt der Konzern. Der Interessenverband der Kunden bezweifelt das - und rechnet mit massivem Ungemach.

Nina Jauker

Die Post gibt das eigene Filialnetz auf: Bis Ende 2011 sollen die restlichen 750 posteigenen Filialen und ehemaligen Postämter in private Partner-Filialen - vor allem im Einzelhandel - umgewandelt werden, berichtet das Westfalen-Blatt.

Post privatisiert Filialen: Die Post stellt um: Private Partner-Filialen sollen sich um die Kunden kümmern.

Die Post stellt um: Private Partner-Filialen sollen sich um die Kunden kümmern.

(Foto: Foto: ddp)

Das sind die letzten klassischen Postfilialen - auf dem Land gibt es ohnehin so gut wie keine mehr, abgesehen von rund 600 sogenannten Post-Points.

"Die Warteschlangen werden noch länger"

"Die Post Points bieten allerdings nur ein Minimalangebot und sind teilweise nur zwei Stunden am Tag geöffnet," sagt Elmar Müller, Vorstand des Verbands für Post und Telekommunikation. Gegründet als Verband der Postkunden, vertritt die Organisation die Interessen von Geschäfts- und Privatkunden der Post.

Von der neuerlichen Privatisierungswelle erwartet Müller nichts Gutes. "Das wird erheblichen Kummer bereiten." In den 750 Filialen in den Städten, die nun umgewandelt werden sollen, sei bislang an zwei bis drei Schaltern gearbeitet worden. Und bereits dort habe es für die Kunden schon lange Wartezeiten gegeben. "Die neuen Post-Agenturen haben dagegen nur noch einen Schalter," sagt Müller. "Das bedeutet, die Warteschlangen werden noch länger werden."

Schlechtere Beratung

Für die Privatkunden der Post bringt die Umwandlung Nachteile mit sich, sagt Müller. Längere Wartezeiten - und schlechtere Beratung. "Das Personal in den Agenturen gibt sich immer große Mühe. Doch die Leute werden nur ein paar Wochen eingelernt - da merkt man einfach einen Qualitätsunterschied in der Beratung."

Die Post sieht hier jedoch keine Schwierigkeiten. "Der Kunde bekommt dort den gleichen gewohnten Service", sagte Postsprecher Uwe Bensien. Das Personal biete eine ebenso kompetente Beratung wie in den posteigenen Filialen. "Wir stellen immer wieder fest, dass die Kunden sehr zufrieden sind."

Von der Umwandlung seien mehr als 2000 Mitarbeiter betroffen, sagte Postsprecher Achim Gahr dem Westfalen-Blatt. Entlassungen werde es aber keine geben. Die Mitarbeiter würden an anderer Stelle im Konzern eingesetzt.

Auf der nächsten Seite: In Zukunft nur noch Automaten? Warum die Post ihre Geschäftskunden besser behandelt als die Privatkunden.

"Längere Wartezeiten, abgeschnitten vom Service"

Die Perspektive der Post werde heute schon deutlich, sagt Müller. "Es gibt Pilotprojekte der Post an den großen Bahnhöfen, dass statt Filialen nur noch Automaten eingesetzt werden." Filiale 7/24 würden diese Automaten genannt - sieben Tage die Woche und 24 Stunden geöffnet. "Dort findet man dann Packautomat, Briefkästen, Briefmarkenautomat und Bankautomat an einem Platz."

Kein Service für Privatkunden

Die Schwierigkeiten, die vor allem ältere Menschen mit den Fahrkartenautomaten der Bahn haben, gelten wohl auch für die Packstationen der Post. Auch für Kunden, die Beratung brauchen, ersetzen die Automaten keine Post-Filiale. Doch Müller sagt: "Das ist die Zukunft, sonst würde die Post es wohl kaum testen und groß ankündigen."

Der für das Filialnetz zuständige Postvorstand Jürgen Gerdes betonte dagegen, die Post schaffe es durch die Umwandlung der Filialen, "im Interesse ihrer Kunden die Kosten des Filialnetzes im Griff zu behalten". Auch die Öffnungszeiten würden so weiter verbessert.

Eine Verkleinerung des Filialnetzes stehe nicht zur Debatte, sagte Gerdes. Die vom Gesetzgeber geforderte Anzahl von 12.000 Filialen werde ohnehin deutlich überschritten. Die Post AG hatte Anfang 2006 ihre 850 größten Filialen bereits an die Tochter Postbank verkauft. Diese Postbank Finanzcenter würden als "Flaggschiffe" des Filialangebots weiter von der Postbank betrieben, erklärte der Konzern. Sie böten ein Vollsortiment postalischer Dienstleistungen an.

Mit ihren Geschäftskunden geht die Post allerdings anders um. "Die Post unterscheidet inzwischen erheblich zwischen Geschäfts- und Privatkunden," sagt Müller. "Die Geschäftskunden haben Zugänge für ihre Sendungen, die den Privatkunden verschlossen bleiben." Nach Angaben von Postsprecher Gahr gibt es bundesweit 200 Großannahmestellen für Geschäftskunden. Die Post argumentiere hier häufig mit Zahlen, sagt Müller. Und die sprechen für das Geschäft mit den Geschäftskunden. Mehr als 80 Prozent des Umsatzes werde in diesem Bereich gemacht, so Müller - die Privatkunden machten nur zwölf bis 17 Prozent aus.

"Dabei übersieht die Post, dass ihr Image durch die Verbraucher gebildet wird," sagt Müller. Privatkunden erhielten mehr als 80 Prozent aller Sendungen als Empfänger. "Der Post-Konzern tut sich keinen Gefallen, wenn er seinen wichtigsten Endverbraucher immer weiter verärgert und vom Service abschneidet."

900 Post-Points mit Minimalangebot

In Deutschland gibt es dem Bericht zufolge bereits 7200 private Postagenturen. Hinzu kommen die 850 Postbank-Finanzcenter. Laut Postsprecher Gahr biete die Post zudem in 3800 sogenannten Postservice-Shops Dienstleistungen in abgespeckter Form an. Die Betreiber haben ein Mini-Job-Verhältnis mit der Post vereinbart, heißt es.

Außer diesen 12.600 Poststellen, die den gesetzlichen Vorgaben der sogenannten Postuniversaldienstleistungsverordnung entsprechen, unterhält das Unternehmen 900 Post-Points. Hier ist das Angebot noch geringer als in den Postservice-Shops.

Das Westfalen-Blatt hatte bereits im Februar berichtet, dass sich die Post von ihrem eigenem Filialnetz trennen will. Die Meldung war damals vom Unternehmen in scharfer Form dementiert worden.

"Pläne, die Filialen umzuwandeln, wurden im Post-Vorstand immer wieder gewälzt", sagt auch Verdi-Sprecher Jan Jurczyk. Für die Mitarbeiter habe die Gewerkschaft Verdi mit der Post erst im April einen Schutz vor betriebsbedingten Beendigungskündigungen vereinbart. Der Kündigungsschutz reiche bis zum 30. Juni 2011, sagte Jurczyk sueddeutsche.de.

"Ungeachtet des arbeitsrechtlichen Schutzes bleibt der Druck auf die Arbeitsplätze natürlich erhalten." Es sei damit zu rechnen, dass die betroffenen Mitarbeiter Angebote erhalten würden, auf freiwilliger Basis auszuscheiden.

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