Post-Mindestlohn:Kartell der Versager

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Bei der Pin Group werden eintausend Mitarbeiter entlassen, doch es gibt noch weitere Verlierer: Die Einführung des Post-Mindestlohns erweist sich als gesamtwirtschaftliches Desaster.

Claus Hulverscheidt

Im Nachhinein betrachtet wirken die Szenen, die sich am Montag auf dem Messegelände in Hannover abspielten, nur noch gespenstisch. Drinnen, in einer der Hallen, quälte Kanzlerin Angela Merkel die Delegierten des CDU-Parteitags mit einem entschiedenen Jein zur Einführung von Mindestlöhnen, draußen, bei einer Demonstration von Briefträgern, gratulierte Verdi-Chef Frank Bsirske sich selbst zum Zustandekommen einer solchen Lohnuntergrenze im Postgewerbe.

Und parallel dazu verkündeten im fernen Ratingen die Logistikfirmen Hermes und TNT, dass sie wegen eben jener Grenze dem Noch-Monopolisten Deutsche Post nun vorerst doch keine Konkurrenz im Briefgeschäft machen wollen.

Wie auch immer man zum Thema Mindestlöhne stehen mag - was die Politik, die Post, Verdi und die Möchtegern-Wettbewerber in den letzten Wochen gemeinsam angerichtet haben, ist ein Desaster. Es gibt keinen einzigen Gewinner, sondern nur Verlierer: Den Post-Mitarbeitern nutzt der Mindestlohn nichts, weil sie in aller Regel ohnehin mehr als 9,80 Euro verdienen.

Die Verbraucher zahlen hohes Porto

Die Beschäftigten und Beschäftigungsanwärter bei TNT, Hermes und PIN bekommen nicht den Mindestlohn, sondern gar nichts, weil sie arbeitslos werden oder bleiben. Und der Verbraucher zahlt weiter hohes Porto, weil er um die Dienste eines Staatsmonopolisten nicht herumkommt.

An diesem verheerenden Ergebnis sind alle Beteiligten gleichermaßen schuld. Weil sich die SPD mit ihrer Forderung nach einem hohen gesetzlichen Mindestlohn nicht durchsetzen konnte, kämpft sie jetzt unter Missachtung allen ökonomischen Sachverstands für noch höhere Branchenlösungen.

Die Union findet nicht die Kraft für eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Thema Mindestlohn, stimmt aber aus Angst vor dem Wahlvolk halbgaren Lösungen zu. Die Post hat demonstriert, wie viel ihr Bekenntnis zu mehr Wettbewerb wert ist, die Gewerkschaft Verdi hat wieder einmal unterstrichen, dass ihr zwar viel am arbeitenden, aber nichts am arbeitslosen Teil der Bevölkerung liegt.

Koalitionspartner müssen sich endlich aufeinander zubewegen

Und die neuen Wettbewerber, die manchen Beschäftigten angeblich keine fünf Euro pro Stunde zahlen, sind mit einem skandalösen Geschäftsmodell gescheitert, das von Beginn an darauf abzielte, dem Staat einen Teil der Lohnkosten aufzubürden.

Um einen Weg aus der Sackgasse zu finden, müssen sich Union und SPD endlich aufeinander zubewegen. Das Problem, dass immer mehr Menschen mit einem Vollzeitjob von ihrem Lohn nicht leben können, muss gelindert werden, ohne dass an anderer Stelle neue Ungerechtigkeiten entstehen.

Das kann nach Lage der Dinge nur ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn leisten, der allerdings spürbar unter jenen 9,80 Euro liegen müsste, die für die Post vereinbart wurden. Gegen einen solchen Mindestlohn ließen sich unzählige Argumente ins Feld führen. Gemessen an dem Chaos, das in der Postbranche angerichtet wurde, wäre er aber das kleinere Übel.

© SZ vom 5.12.2007/ckn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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