Post: Mindestlohn gekippt:Ein fairer Lohn muss her

Für Briefträger herrschen teilweise jetzt schon skandalöse Zustände: Ein fairer Mindestlohn muss her, sonst muss der Staat einspringen.

Thomas Öchsner

In Bilderbüchern ist der Briefträger stets ein freundlich lächelnder Mann, der am Gartenzaun Zeit für einen Plausch hat. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Briefträger müssen bei jedem Wind und Wetter heraus. Sie sollen immer größere Bezirke mit Post versorgen. Und viele werden immer schlechter bezahlt.

Zustellung von Briefen, Foto: ddp

Zustellung von Briefen: Schon jetzt herrschen in der Branche teilweise skandalöse Zustände

(Foto: Foto: ddp)

Trotzdem war es richtig, dass das Bundesverwaltungsgericht den Mindestlohn für die Zusteller kassiert hat. Denn diese Lohnuntergrenze war so hoch, dass sie mehr den Quasi-Monopolisten, die Deutsche Post, als die Arbeitnehmer schützte.

Die Post würde ohne das Geschäft mit dem frankierten Wort ziemlich schlecht dastehen. Briefe sind die größte Gewinnquelle des Konzerns. Die Renditen sind überdurchschnittlich hoch. Das liegt daran, dass der Wettbewerb nicht richtig funktioniert.

Der Markt ist seit mehr als zwei Jahren geöffnet, in der Praxis hat der Konzern aber der neuen Konkurrenz sogar Marktanteile abgejagt. Dies ist vor allem auf den Mindestlohn zurückzuführen, den die Post, unterstützt vom damals SPD-geführten Arbeitsministerium und der Gewerkschaft Verdi, vor der Liberalisierung des Briefmarktes quasi unter Ausschluss der anderen Anbieter und juristisch unsauber durchsetzte.

So hat es ebenfalls das höchste deutsche Verwaltungsgericht gesehen. Die vereinbarten 9,80 Euro im Westen und 9,00 Euro im Osten gingen in erster Linie zu Lasten der Konkurrenz - die Post zahlt in der Regel ohnehin deutlich höhere Tarife für ihre Zusteller.

Die Rechtslage ist damit geklärt. Das Gericht hat den Startschuss für mehr Wettbewerb gegeben. Privatkunden und Unternehmen können - so wie in der Telekommunikationsbranche - auf niedrigere Preise hoffen. Für die Briefträger drohen jedoch düstere Zeiten anzubrechen.

Eine wachsende Zahl von Menschen verschickt keine Briefe mehr, sondern E-Mails. Das Geschäft schrumpft. So besteht erst recht die Gefahr, dass die Unternehmen den Wettbewerb über die Bezahlung der Mitarbeiter austragen.

Schon jetzt herrschen in der Branche teilweise skandalöse Zustände: Neue Briefdienstleister bieten häufig nur schlecht bezahlte Jobs. Und auch die Post testet längst die Billigvariante der Zustellung. Im Ruhrgebiet erhalten Briefträger einer Tochterfirma des Konzerns lediglich den bislang üblichen Mindestlohn, ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Nötig ist deshalb eine neue Lohnuntergrenze in der Branche, ein Mindestlohn, der fair unter Einschluss aller Tarifparteien ausgehandelt und nicht vom Noch-Monopolisten Deutsche Post diktiert wird.

Einen solchen Mindestlohn muss die Bundesregierung dann auch für allgemeinverbindlich erklären. Gelingt dies nicht, zahlt der Sozialstaat die Zeche. Dann gewinnen diejenigen, die die niedrigsten Löhne zahlen und die Arbeitnehmer damit zwingen, ihr schmales Entgelt mit staatlichen Zuschüssen aufzustocken. Diese Art von Wettbewerb können auch die erklärten Mindestlohn-Gegner in Union und FDP nicht wollen.

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