Post-Chef Appel im Interview:"Ich habe gedacht, es geht schneller"

Post-Chef Frank Appel über seinen Start, die neue Strategie, Hilfen des Staates und den Bau von Konzerthallen.

Caspar Busse, Caspar Dohmen und Ulrich Schäfer

Frank Appel, 47, übernahm vor genau einem Jahr den Chefposten bei der Deutschen Post, als Klaus Zumwinkel wegen der Steueraffäre abtreten musste. Seitdem hat Appel dessen Hinterlassenschaft sortiert: Die Postbank ist verkauft, das marode US-Geschäft saniert. Jetzt wird von dem promovierten Neurobiologen, der zuvor lange für die Unternehmensberatung Mc Kinsey gearbeitet hat, eine neue Strategie erwartet. Appel dämpft die Erwartungen: Er plant keinen "Big Bang".

Frank Appel

Frank Appel: Ich messe Erfolg weniger an der Höhe meines Gehaltes

(Foto: Foto: Alessandra Schellenegger)

SZ: Herr Appel, mitten in der tiefsten Wirtschaftskrise will die Post in Bonn eine neue Konzerthalle mitfinanzieren. Passt so ein Projekt in die Zeit?

Appel: Es ist Unsinn, eine solche Entscheidung nur aus symbolischen Gründen zu revidieren. Ich glaube, von uns wird erwartet, dass wir an grundsätzlich Richtigem festhalten, auch in schwierigen Zeiten. Der Bau eines Festspielhauses zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven mit privatem Geld und unterstützt von Post, Postbank und Telekom ist eine solch richtige Entscheidung.

SZ: Was hat denn eine Konzerthalle mit der Deutschen Post zu tun?

Appel: Beethoven ist in Bonn geboren, hier ist unser Konzernsitz mit 8000 Mitarbeitern. Der Name Beethoven ist auch im Ausland positiv besetzt. Ich glaube, wir können unsere Marke mit Beethoven positiv aufladen, so wie wir das auch mit unserem Engagement in der Formel Eins tun. Das ist kein Mäzenatentum, sondern hilft dem Standort und unserem Geschäft.

SZ: Auch Ihr Geschäft läuft nicht gut.

Appel: Es gibt eine dramatische und völlig irrationale Überreaktion der Märkte. Es wird tief gehen, aber genauso schnell kann es wieder in die andere Richtung gehen.

SZ: Warum leiten Sie dann Sparmaßnahmen ein?

Appel: Das Geschäft bricht ein und wir sind froh, dass wir früh gegengesteuert haben. Vielleicht irre ich mich ja auch, und die Krise hält längere Zeit an. Ob unsere Sparmaßnahmen reichen, das wird sich in einigen Wochen und Monaten zeigen. Ein Vorteil für uns: Das Briefgeschäft, eines unserer Kernfelder, ist relativ krisensicher. Das Expressgeschäft leidet natürlich. Dieses Jahr wird insgesamt hart werden.

SZ: Viele Unternehmen schreiben rote Zahlen, auch die Post. Sollten Manager in solchen Krisenzeiten weniger Gehalt verdienen?

Appel: Der Vorstand ist Teil der unternehmerischen Führung und sollte so agieren. Läuft das Geschäft gut, sollte er gut verdienen. Läuft das Geschäft schlecht, dann sollten Vorstände keine variablen Vergütungsanteile erhalten. Das gilt aber nicht für alle Führungskräfte.

SZ: Aber für Vorstände?

Appel: Am Ende sollte sich ein Vorstand daran messen lassen, was unter dem Strich bleibt. Allerdings wäre es falsch, variable Erfolgsbeteiligungen nur an der Höhe des Gewinns festzumachen. Es muss auch die jährliche Verbesserung berücksichtigt werden.

SZ: Woran messen Sie ihren Erfolg?

Appel: Entscheidend für mich ist, dass ich das Unternehmen in die richtige Richtung führe und mir die Mitarbeiter dies bestätigen. Erfolg messe ich weniger an der Höhe meines Gehaltes.

SZ: Haben Sie Verständnis über die Diskussion in Deutschland über Boni und exzessive Gehälter?

Appel: Ja. Sicher gibt es gierige Manager, aber nicht alle Manager sind gierig. Wenn die Vorstände der größten 30 börsennotierten Unternehmen in Deutschland nur noch die Hälfte verdienen, würden die Probleme unseres Landes die gleichen bleiben.

SZ: Was macht Ihnen Sorge?

Appel: Wir müssen uns wieder auf die Werte der sozialen Marktwirtschaft besinnen. Das fängt damit an, dass jeder eine gleiche Ausgangschance erhält. Wir verlieren einen Teil der jungen Generation, der auf die Hauptschulen geht. Das ist ein Skandal. Hinten runter fallen die Kinder mit einem Migrationshintergrund. Kinder, die auf die Hauptschule sollen, wollen nicht darüber reden. Die fühlen sich schon mit zehn Jahren gebrandmarkt.

SZ: Was sollte geschehen?

Appel: Wir müssen das Bildungssystem wieder auf ein Niveau bringen, welches Menschen wie mir einen Aufstieg ermöglicht hat. Ich bin ein klassisches Mittelstandskind, in einem Hamburger Neubauviertel groß geworden, in einem Reihenhaus mit 90 Quadratmeter, da habe ich mir mit meinem Bruder 15 Jahre acht Quadratmeter geteilt. Meine Eltern haben gesagt, geh zur Schule, studiere, wir helfen - so bin ich dahin gekommen, wo ich bin.

SZ: Können Sie als Unternehmen hier helfen? Appel: Lehrer an Hauptschulen sind Idealisten. Sie verwalten nur noch den Notstand. Wir unterstützen hoch qualifizierte Hochschulabgänger, idealer Weise mit einem Migrationshintergrund, dabei für zwei Jahre an einer Hauptschule zu unterrichten, bevor sie ihre Karriere in der Wirtschaft beginnen. Sie vermitteln den Schülern, wenn man kämpft, kann man etwas erreichen. Dann stellt sich tatsächlich der Bundesvorsitzende des Lehrerverbandes hin und sagt, die Initiative sei eine 'absolute Anmaßung und ein Generalangriff auf den Lehrerberuf'. So eine Aussage finde ich unglaublich.

SZ: Diskutieren Sie über das Thema mit Politkern?

Appel: Ja. Wir brauchen schließlich mehr Realschüler und Gymnasiasten. Es ist schlimm, wenn man in einigen Bundesländern stolz auf die geringe Zahl von Abiturienten ist. Die Schulen brauchen neben Pädagogen eine Art kaufmännische Geschäftsführer. Die könnten dann dazu beitragen, mehr 'Kundenorientierung' und Leistungsanreize einzuführen.

SZ: Jetzt sind Sie Post-Chef. Bisher haben Sie vor allem aufgeräumt, aber noch keine neue Strategie präsentiert. Was haben Sie vor?

Appel: Anfang März wollen wir bekannt geben, was wir uns vornehmen. Der Druck ist groß, da haben Sie Recht. Die Präsentation der Strategie wurde zweimal verschoben, aus guten Gründen. Wir sind in einer Zukunftsbranche. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen konkrete Fortschritte machen in bereichsübergreifender Kooperation intern und einer noch stärkeren Ausrichtung unserer Mitarbeiter auf die Lösung von Kundenproblemen. Die Strategie ist von sehr konkreten Programmen verschiedenster Art unterlegt, und wir werden die Führungskräfte an ihrer Gesamtleitung einschließlich Führungsqualität messen.

SZ: Also nicht der erhoffte große Schlag, der Big-Bang?

Appel: Nein. Wir brauchen keinen Big-Bang.

SZ: Haben Sie bisher erreicht, was Sie wollten?

Appel: Ja, ich habe die großen drei Themen abgehakt: die Probleme in den USA sind gelöst, die Postbank wurde verkauft und wir haben einen neuen Tarifvertrag geschlossen.

SZ: Haben Sie sich Ihren Start so schwierig vorgestellt?

Appel: Ich habe gedacht, es geht insgesamt schneller. Insbesondere beim Verkauf der Postbank gab es wegen der Finanzkrise ja längere Diskussionen. Das macht mir aber nichts aus. Ich kann mit Stress gut umgehen.

SZ: Wie groß war der politische Druck, dass Sie die Postbank nur an einen deutschen Konkurrenten verkaufen?

Appel: Was ich da alles gelesen habe - nichts davon stimmt. Es gab keinen politischen Druck. Deutsche Politiker haben gesagt, dass sie eine deutsche Lösung präferieren. Das muss ein deutscher Politiker auch sagen. Aber wir hatten stets freie Hand.

SZ: Wann kam die Beteiligung der Post an der Deutschen Bank ins Spiel?

Appel: Im September, als wir das Geschäft bekannt gemacht haben, war das kein Thema. Im Dezember kam das dann auf den Tisch.

SZ: Die Bankbranche ist in heftigen Turbulenzen. Eine Beteiligung an der Deutschen Bank ist doch ein Risiko?

Appel: Unser Risiko ist durch die neue Konstruktion deutlich geringer als bei dem ursprünglichen Konzept. Wie wir das im Einzelnen abgesichert haben, darüber schweige ich. Das ist vertraulich.

SZ: Wie lange werden Sie an der Deutschen Bank beteiligt sein?

Appel: Es gibt die Möglichkeit, dass wir im ersten Halbjahr wieder aussteigen. Ob wir das tun, ist offen und hängt nicht zuletzt von den Marktbedingungen ab. Ich bin übrigens mehr denn je davon überzeugt, dass wir mit dem Verkauf der Postbank genau das Richtige gemacht haben.

SZ: Aber doch viel zu spät, oder?

Appel: Klar. Natürlich hätten wir beispielsweise Anfang 2007 noch einen deutlich besseren Preis bekommen. Doch es ist müßig, darüber zu diskutieren. Da hat keiner mit der Finanzmarktkrise gerechnet. Damals war die Entscheidung von Klaus Zumwinkel und Wulf von Schimmelmann, an der Postbank festzuhalten, die ich als Vorstandsmitglied mitgetragen habe, aus anderen Gründen richtig. Das kann man nicht singulär sehen.

SZ: Sind Sie mit dem Verkaufspreis für die Postbank zufrieden?

Appel: Ja. Der Wert der Postbank hat sich seit unserem Einstieg fast vervierfacht. Wir haben uns zumindest nicht vergaloppiert - wie andere.

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"Ich habe gedacht, es geht schneller"

SZ: 2008 haben Sie den ersten Verlust seit dem Börsengang ausgewiesen. Gibt es auch 2009 rote Zahlen?

Appel: Ich bin mit einer Prognose sehr vorsichtig. Ich kann nur sagen: Das berichtete Ergebnis 2009 wird signifikant besser werden als 2008.

SZ: Können Sie einen Verlust für 2009 ausschließen?

Appel: Es ist heute zu früh, um dazu etwas zu sagen.

SZ: Es gab Spekulationen, Sie würden die Trennung vom Briefgeschäft prüfen. Wie weit sind Sie?

Appel: Das ist Unsinn. Wir sind und bleiben ein Post- und Logistikunternehmen.

SZ: Wann gehen Sie von der Zustellung an sechs Wochentagen auf nur noch fünf Tage?

Appel: Wir haben kein solches Szenario.

SZ: Die Zustellmengen im Briefgeschäft gehen seit langem zurück. Kann man angesichts der Konkurrenz durch E-Mail da auf Dauer Geld verdienen?

Appel: Ja. Das Briefgeschäft wird es immer geben. Wir haben hier kein Mengenproblem. Aber die durchschnittlichen Erträge sinken. Deswegen müssen wir unsere Produktivität verbessern.

SZ: Wie wollen Sie dies machen?

Appel: Wenn die Durchschnittserträge sinken, die Mengen der Post gleich bleiben und die Briefträger berechtigterweise mehr verdienen wollen, dann geht dies nur über längere Arbeitszeiten.

SZ: Was heißt das für die Post?

Appel: Wir haben einen Tarifvertrag bis Mitte 2010. Dann müssen wir handeln. Es ist meiner Meinung nach keine Katastrophe, wenn jeder täglich zehn Minuten länger arbeitet.

SZ: Stoßen die Leute bei längeren Arbeitszeiten nicht an ihre Belastungsgrenze?

Appel: Sie brauchen intelligente Lösungen. Dann arbeitet ein 25 Jähriger eben länger und spart dies für das Alter. Es gibt keine einheitlichen Lösungen für alle Mitarbeiter.

SZ: Könnten Sie mehr Mitarbeiter fest einstellen?

Appel: Das ist eine Frage der Arbeitsmarktpolitik. Wir haben in Deutschland durch unsere extrem engen Arbeitsmarktgesetze alles in die Zeitarbeit geschoben. Mit den bekannten Konsequenzen. Die Dänen, die ja häufig von linken Politikern als Vorbild bezeichnet werden, haben eine sehr entspannte Arbeitsmarktpolitik. Da gibt es Jahre, wo jeder vierte Erwerbsfähige arbeitslos ist. Sie haben auch die höchste Arbeitslosenversicherung. Im Schnitt gibt es aber nur zwei Prozent Arbeitslosigkeit. Sie haben es auch erreicht, weil die Unternehmen viel einfacher Leute kündigen können. In unserem Land dagegen grenzen wir Menschen aus, die keine feste Anstellung haben, weil wir aufgrund der engen Arbeitsmarktgesetze neue Mitarbeiter nicht fest anstellen. Die Dänen machen es uns vor.

SZ: Derzeit wird über Beteiligungen des Staats an Unternehmen diskutiert. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Appel: Ich rede regelmäßig mit Politikern, das macht auch Spaß, weil andere Perspektiven das eigene Bild ergänzen. Ich empfinde den Dialog mit unserem Großaktionär als sehr angenehm. Eine Verstaatlichung von Firmen mit Problemen wäre falsch, insbesondere wenn marode Strukturen dadurch konserviert würden. In einzelnen Situationen ist eine Beteiligung des Staats jedoch sinnvoll, wenn es sich etwa um ein profitables Unternehmen mit Sonderproblemen handelt. Das gilt jedoch nicht für Firmen, die ihre Finanzierung nicht mehr darstellen können, zum Beispiel weil Sie ein anderes Unternehmen gekauft haben.

SZ: Sie spielen auf den Fall Schaeffler-Conti an.

Appel: Die Unternehmen müssen ihre Hausaufgaben machen. Wenn es Fehlentscheidungen des Managements oder Strukturprobleme gibt, dann darf es dafür keine Staatsgelder geben.

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