Süddeutsche Zeitung

Deutsche Post:Briefzustellung gehört zur Grundversorgung

Montags trägt die Deutsche Post kaum noch Briefe aus. Kann man den Tag dann nicht ganz weglassen, wie es nun auch die Bundesregierung erwägt?

Kommentar von Benedikt Müller

An keinem Wochentag zeigt sich der Wandel so deutlich wie montags: Die Deutsche Post trägt nur noch zwei Prozent aller Briefe am ersten Tag der Woche aus; Millionen Menschen melden montags Ebbe im Briefkasten. Da wäre es doch halb so wild, argumentieren manche, wenn sich der frühere Staatskonzern diesen Tag sparen würde. Auch die Bundesregierung prüft nun, ob sie der Post nur noch die Briefzustellung an fünf Werktagen vorschreiben soll. Das geht aus den Eckpunkten zur Reform des Postgesetzes hervor, die das Wirtschaftsministerium kürzlich vorgelegt hat.

Die Debatte steht erst am Anfang; Gewerkschaften und Verbände, Kunden und Politiker wollen und sollen sich noch dazu äußern. Doch es gibt schon jetzt Gründe, warum es der Staat nicht übertreiben sollte mit der Lockerung des Postgesetzes.

Zunächst muss man sagen, dass die Briefzustellung hierzulande - im Vergleich zu anderen Staaten - noch ziemlich zuverlässig ist. Die EU etwa schreibt das Austragen nur an fünf Wochentagen vor, Deutschland geht bisher darüber hinaus. Die hiesige Post muss 80 Prozent der Briefe binnen eines Werktages zustellen, 95 Prozent müssen am übernächsten Tag angekommen sein. Von manch regionalen oder zeitweiligen Problemen abgesehen, hält der Konzern diese Vorgaben im Durchschnitt ein.

Allerdings gehen bei der Bundesnetzagentur immer mehr Beschwerden über die Zustellung ein. Und schon jetzt transportiert die Post von Jahr zu Jahr weniger Briefe: Der Urlaubsgruß kommt per Whatsapp, Onlinebanking ersetzt den Überweisungsträger, auch die Werbung wird digital. Es ist deshalb richtig, dass der Staat das Postgesetz nach zwei Jahrzehnten ohne Änderung zur Diskussion stellt.

Doch interessanterweise zeigt sich: Wenn etwa die Netzagentur Menschen befragt, wie die Briefzustellung im Hier und Jetzt ausschauen sollte, sprechen sich die meisten für den Fortbestand der - vergleichsweise hohen - Standards aus. Auch bei der Post selbst soll man einst überrascht gewesen sein, wie wenige Kunden in einem Feldversuch Interesse hatten, ihre Briefe etwa freiwillig und testweise nur noch an einem Tag der Woche gesammelt zu bekommen.

Der Staat sollte die Zustellung an sechs Werktagen nicht vorschnell abschaffen

Das zeugt davon, dass die Briefzustellung auch heute noch Teil der Grundversorgung ist - mit Auswirkungen auf andere Lebensbereiche. Ein Beispiel sind jene Zeitschriften und Zeitungen, die nicht mit den regionalen Austrägern, sondern mit der Post kommen: Wer würde sie noch abonnieren, wenn sie künftig später oder unregelmäßiger zu Hause ankämen? Solche Fragen sind wichtig, solange zum Beispiel noch längst nicht alle Kunden auf E-Paper oder Apps umgestiegen sind.

Grundsätzlich gilt: Sollte die Post künftig langsamer oder unzuverlässiger werden, wäre das Briefeschreiben im Zweifelsfall weniger attraktiv. Ein allzu stark liberalisiertes Postgesetz könnte mithin dazu beitragen, dass die Zahl der Briefe noch schneller zurückgeht als ohnehin schon. Gewerkschafter sehen hier ein sogenanntes Henne-Ei-Problem. Und sie warnen davor, dass die Post weniger Zusteller bräuchte, wenn sie künftig an weniger Tagen Briefe zustellen müsste. Dass der Konzern zugleich Tausende Paketboten in den Städten einstellt, um die Masse an Onlinebestellungen auszutragen, ist für konkret betroffene Briefzusteller nur ein schwacher Trost.

Es braucht daher eine Reform mit Augenmaß, einen Kompromiss zwischen den Interessen der Post, ihrer Kunden und Beschäftigten. Das Bundeswirtschaftsministerium ist da auf dem richtigen Weg, wenn es die Reform des Postgesetzes mit mehr Rechten für Verbraucher verbindet: Die Eckpunkte sehen etwa vor, dass die Netzagentur künftig Bußgelder gegen Postdienste verhängen könnte, oder dass Paketdienste an Schlichtungen teilnehmen müssten, wenn Sendungen Schaden nehmen oder verloren gehen.

Keinesfalls sollte die Bundesregierung jene Klientelpolitik von diesem Frühjahr wiederholen, als sie flugs eine Verordnung änderte, damit die Post das Briefporto stärker erhöhen konnte, als die Netzagentur ursprünglich genehmigt hatte. Solche Eingriffe haben ein umso fieseres Geschmäckle, solange die Post noch immer zu 21 Prozent dem Bund gehört.

Dass montags so wenige Briefe ankommen, hat die Post übrigens mitverursacht: Sie leert sonntags weniger Briefkästen als früher - und samstags vielerorts früh am Tag. Da kommt nicht viel zusammen für den Montagsdienst. Doch das Postgesetz kann der Konzern zum Glück nicht selbst umschreiben. Hier ist nun der Staat gefordert, allen Betroffenen gut zuzuhören.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4553321
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.08.2019/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.